DFB
·23. September 2022
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·23. September 2022
Dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat, hört man vor jeder neuen Runde. Zuweilen ändert er sie aber auch. Bis zum 23. September 1997, heute vor 25 Jahren, war noch kein amtierender deutscher Europapokalsieger an einem Amateurklub gescheitert. Dann gastierte Schalke 04 bei Eintracht Trier, und das Gesetz verlor seine Gültigkeit.
Das Trierer Moselstadion war restlos ausverkauft, als die "Eurofighter" dem Drittligisten in der zweiten Pokalhauptrunde einen Besuch abstatteten. 16.500 Menschen witterten die Sensation, und wenn sie denn ausbliebe, dann wollten sie doch zumindest den amtierenden UEFA-Pokal-Sieger mal gesehen haben. So oft kam die große Fußballwelt ja nicht vorbei in der ältesten Stadt Deutschlands, seit 1981 schon war der einstige Zweitligist drittklassig.
Beide Mannschaften hatten an jenem Dienstag Personalsorgen, bei den Schalkern fehlten unter anderem Weltmeister Olaf Thon, Vizeeuropameister Jiri Nemec und die Torjäger Martin Max und Youri Mulder. Der kicker aber urteilte hinterher: "Die Umstellungen waren nicht entscheidend, sondern die Einstellungen beider Teams."
Für den letzten Kick bei den Trierern sorgte der erst 35 Jahre alte Trainer Karl-Heinz Emig, ein Ex-Profi (Kaiserslautern, Hertha, Waldhof), der ein Plakat in die Kabine hängte. Text: "Nur wer an den Sieg glaubt, kann auch gewinnen." Wenn es immer so einfach wäre - diesmal war es so. Vor der Pause fielen gar keine Tore, die Eintracht traf den Pfosten, während der Favorit vergeblich gegen das Trierer Bollwerk anrannte. Er spielte sich laut kicker nicht mal eine Torchance heraus, die die Bezeichnung verdiente (Chancenverhältnis 5:0 für Trier). Das Blatt attestierte dem Bundesligisten, dass er "kämpferisch fast nichts und spielerisch gar nichts zustande brachte".
Als Schalkes Verteidiger Johan de Kock nach 71 Minuten eine von ihm vehement bestrittene Tätlichkeit gegen Marek Czakon beging, hatte Trier Überzahl und bekam Oberwasser. Fünf Minuten später traf Stürmer Rudi Thömmes auf Vorarbeit von Czakon gegen Jens Lehmann per Außenrist zum Tor des Tages. Thömmes jubelte: "Das ist der schönste Tag meines Lebens. Ausgerechnet gegen die Blauen mache ich den entscheidenden Treffer." Dabei sei er ja eigentlich Schalke-Fan. Es blieb das einzige Tor, nach 90 Minuten war die Sensation perfekt. Den Reportern entgegnete Thömmes auf Anregung, als nächstes den BVB rauszuschießen, keck: "Ja, so ist der Plan."
Bei den Schalkern war der Frust groß, Jens Lehmann trat ein großes Loch in die Kabinentür. Und der ansonsten nicht für seinen Humor bekannte Trainer Huub Stevens witzelte: "Ist doch schön, da hat man immer frische Luft in der Kabine." Kollege Emig sagte stolz: "Das war ein tolles Fußballfest. Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft."
Rudi Thömmes konnte sich mit seiner heimlichen Liebe übrigens schon bald wieder aussöhnen, denn in der nächsten Runde durfte er seinen Plan in die Tat umsetzen. Das Los brachte tatsächlich Schalkes Rivalen Borussia Dortmund, den amtierenden Champions-League-Sieger, nach Trier. Quasi um das von ihnen ungeschriebene Gesetz bei nächster Gelegenheit zu bestätigen, siegte die Eintracht wieder. Auch beim 2:1 im Achtelfinale traf Maschinenbauer Thömmes, der seit jenem Herbst 1997 eine Klublegende ist.
Triers Pokalreise endete erst im Halbfinale gegen den dritten Revierklub, der 1997/1998 ins Moselstadion musste. Der MSV Duisburg behielt erst im Elfmeterschießen die Oberhand - vielleicht weil er kein Europapokalsieger war.