
Vertikalpass
·19. Oktober 2025
Der Star ist die Mannschaft

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·19. Oktober 2025
Der VfB zeigt am 7. Spieltag eine völlig neue Facette: Wie eine routinierte, abgezockte, gar nicht mal so junge Spitzenmannschaft fährt sie einen nie gefährdeten 3:0-Auswärtssieg in Wolfsburg ein. Gegen zugegeben desolate Wölfe.
Berti Vogts, Trainer der Europameister 1996, gilt als großer Fußballphilosoph: Er ist mehr für seine Sprüche bekannt als für seine Trainerleistungen. Dazu gehört „Wenn ich übers Wasser laufen würde, würdet Ihr sagen, dass ich nicht einmal schwimmen kann“. Sein größter Erfolg ist jedoch seine Aussage “Der Star ist die Mannschaft“. Müsste man den VfB-Erfolg in Wolfburg zusammenfassen, wäre es genau der Vogts-Satz. Oder ein bisschen zeitgemäßer ausgedrückt von Maxi Mittelstädt: „Die gesamte Mannschaft ist der Man of the Match”
Vogts und Mittelstädt haben natürlich Recht: Der VfB erwies sich als coole, spielstarke Elf, die nichts ins Straucheln brachte und ließ total verunsicherten Wolfsburgern keine Chance. Alle Ideen, die Sebastian Hoeneß entwickelt hatte, gingen auf. Alle Maßnahmen und Mannschaftsteile griffen ineinander. Er stellte auf eine 3er Innenverteidigung um, schob Mittelstädt und Lorenz Assignon weit nach vorne – und überraschte mit Nikolas Nartey auf der Zehn und quasi als zweite Sturmspitze. So ganz erschloss sich mir dies nicht. Der vom Verletzungspech geplagte Däne machte kein schlechtes Spiel, ohne jedoch groß Einfluss auf die Offensive zu haben.
Auch die vielen Flanken aus dem Spiel bei schwacher Strafraumbesetzung, zudem mit wenig kopfballstarken Spielern in der Box, waren nicht nachvollziehbar. Bei den Standards allerdings funktionierte dies hervorragend. Köpfte Chema Andrès noch zu unplatziert und Jeff Chabot knapp daneben, klappte es bei Tiago Tomàs. Wobei, wie soll man das Wolfsburger Abwehrverhalten bezeichnen? Schläfrig? Unprofessionell? Ein Vergleich mit einer F-Jugend wäre eine Beleidigung für die Kinder.
Das hat er sich verdient: Maxi Mittelstädt mit einem hervorragenden Spiel, gekrönt vom 2:0, bei dem reaktionsschnell einen Abpraller technisch anspruchsvoll verwertet.
Wie 1996 beim Held aus Korschenbroich stachen auch in Wolfsburg bei aller mannschaftlicher Geschlossenheit individuelle Qualitäten heraus. Überragten bei Vogts Spieler wie Matthias Sammer, Jürgen Klinsmann, Thomas Helmer und Mehmet Scholl, so waren es beim VfB:
Tiago Tomàs Ich bin bei ihm immer bissle verzweifelt. Er spielt meist den schwierigen statt einfachen Pass, versucht es zu oft mit einem Trickle, wenn Klarheit gefordert wäre. In Wolfsburg verzieht er erst tiago-mäßig, um dann zur Führung einzuköpfen und das 2:0 mitvorzubereiten. Dazu viele Tiefenläufe. Er ist natürlich kein klassischer Mittelstürmer, aber kaum auszurechnen – das gilt leider oft auch für seine Mitspieler. Trotzdem ich bin kurz davor zu singen „ti aaago, ti-ago, ti aaago“ auf die Melodie von „ti amo“.
Angelo Stiller Torvorlage zum 1:0, Treffer zum 3:0, beteiligt am 2:0. Dazu eine sehr reife Leistung, immer anspielbar, immer mit der richtigen Idee und Verlagerung. Seine Ausstrahlung: boss-ig!
Jeff Chabot Apropos Boss: Die Abwehrkante lief als Kapitän auf, seine Autorität war im Spiel kaum gefragt. Aber wahrscheinlich trauten sich die Wolfsburger nicht in seine Nähe, aus Angst sich zu verletzen. Chabot bestätigte die Theorie, dass er einen Bierkasten aus dem Strafraum köpfen könnte, als er einen Freistoß mit dem Kopf klärte.
Bilal El-Khannouss Wieder mit seinem Signature-Move von links in die Mitte, dieses Mal mit einem Pass auf Stiller durch etwa acht Beine hindurch. Ansonsten: Spielfreudig, ohne selbstverliebt zu sein. Dazu mit einigen sehenswerten Tacklings und einem Topspeed von knapp 35 km/h!
Die Auswärtsfahrer Der Gäste-Block musste deutlich ausgeweitet werden und die VfB-Fans feierten ihre Mannschaft und sich selbst lautstark, bisweilen mit hämischen Gelächter bei den Offensivversuchen der Wölfe. Wie auf dem Feld, so auf den Rängen: Von Wolfsburg war wenig zu sehen und nichts zu hören.
Der VfB konnte bei der „besten Gruppenleistung der Saison“ (Fabian Wohlgemuth) Kräfte sparen für Instanbul am Donnerstag. Konnte ein neues System erproben, die Breite des Kaders nutzen und Deniz Undav lief sich auf Wettkampf-Niveau ein wenig warm. Man muss kein Fußballphilosoph wie Berti Vogts sein: Die kommenden Gegner Fenerbahçe und Mainz (2x) werden dem VfB mehr abverlangen.
Zum Weiterlesen:
Die Wellness-Oase Wolfsburg thematisieren wir im VertikalGIF! Stuttgart.International sieht eine „Schwäbische Party in der Autostadt“ und fragt: „Wie weit kann der Bilal-Aufwind den VfB tragen?“
“Gewagt und gewonnen” schreibt die StZ (Plus-Artikel) und zitiert Hoeneß: „Du kannst Niko (Nartey) eigentlich überall auf dem Feld einsetzen. Er hat eine Gabe, sich schnell in das Spiel einzufügen, egal wo er aufläuft”.
Die Süddeutsche Zeitung sieht “einen geradezu typischen Heimauftritt“, “unterwürfig wie ein Drittligist in der ersten Pokalrunde” und spricht bei Wolfsburg von einer “Fußballmannschaft, die den Fußball boykottiert“
Bilder: VfB (Aufmacher), Fabio Deinert/Getty Images (Artikelbild)
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