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Justus Pludra·3. Juli 2024
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Justus Pludra·3. Juli 2024
Fans der türkischen Nationalmannschaft brauchen bei dieser EM Nerven aus Stahl und einen unkaputtbaren Kreislauf. Anders ließe sich das pausenlose Spektakel der "Milli Takim" nicht überleben, geschweige denn genießen. Und trotzdem klebt auch der neutrale Zuschauer am Fernseher, wenn diese Mannschaft mit (meistens) kühlem Kopf auf dem Platz auftritt und danach mit heißem Herzen feiert.
Zum Start ins Turnier wurde die Gelbe Wand in Dortmund mit einer derartigen Lautstärke geentert, dass die Spieler auf dem Platz fast gar nicht anders konnten, als mit Traumtoren über den Platz zu fliegen. Mit Arda Güler gelang auch noch dem "Sohn der Nation" der Treffer zum vorentscheidenden 2:1. Spielerisch schien nach dem überzeugenden Auftritt gegen Georgien plötzlich vieles möglich. Und nach dem Spiel wurde schon ausgelassener gefeiert, als nach Meisterschaften des FC Bayern.
Doch statt dem nächsten Gala-Auftritt folgte gegen Portugal ein mittelschweres Disaster. Haarsträubende Eigentor-Panne, Verunsicherung, 0:3. War alles nur Glück am 1.Spieltag? Mitnichten! Beim Gruppenfinale gegen Tschechien ging es wieder heiß her. Viele Warnungen, zwei Platzverweise, aber die Türkei behielt die Oberhand und machte in der Nachspielzeit den Sieg klar.
Dramaturgisch in den sechsten Gang schaltete die Truppe um den deutsch-türkischen Ersatzkapitän Kaan Ayhan dann aber erst im Achtelfinale. Schnellstes Tor in einer EM-K.o-Phase zur Führung. In der zweiten Hälfte erhöhte Merih Demiral, wieder nach einer Ecke, auf 2:0. Da war er wieder der kühle Kopf. Prompt wurde dann das heiße Herz wieder benötigt.
Denn Österreich verkürzte nur sieben Minuten später auf 1:2 und die Türkei musste noch eine lange halbe Stunde Spielzeit überstehen. Mindestens im Minutentakt flogen jetzt die Flanken und Pässe der Kontrahenten vor das Tor der "Mond-Sterne", aber sie hielten lange Stand. Bis zur allerletzten Minute. Dann wurde auch Christoph Baumgartner fast zum Last-Minute-Helden. Die heroische Tat schrieb sich dann aber ein anderer auf die Fahne.
Hier gibt es die Parade noch mal im Re-Live:
Mert Günok war es, der den kühlen Kopf behalten hatte, während seine Vorderleute mit heißen Herzen gegen den Ball gekämpft hatten. Mit einer unglaublichen Parade bog er den kraftvollen Kopfball von Baumgartner noch um den Pfosten und schickte sein Land damit ins Viertelfinale.
Anschließend kannte der Jubel auf den Rängen keine Grenzen mehr. Die Spieler sackten erstmal erschöpft zu Boden. Nur um sich dann ein letztes Mal noch aufzuraffen - um sich gebührend zu feiern. Um den Mittelkreis versammelt, tanzte das ganze Team ausgelassen. Begleitet und besungen von den eigenen Fans im Stadion. Der fliegende Günok und das feiernde Teams. Es waren die Bilder eines begeisternden Abends.
Sicher gibt es abgeklärtere Fußballmannschaften und vielleicht auch bessere. Die ansteckende Leidenschaft, welche Anhänger und Spieler dieser türkischen Nationalmannschaft ins jedes Spiel werfen, wird diese EM aber ganz sicher überdauern. Und wenn sie ihren kühlen Kopf bewahren können, wer weiß, was das heiße Herz dann bald noch bejubeln darf.