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·5. September 2025
Eine Pleite für die Geschichtsbücher – und jetzt?

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·5. September 2025
In der Fifa-Weltrangliste liegt die Slowakei auf Platz 52, was eine ziemlich wichtige Aussagekraft hat: Eigentlich gehört die slowakische Nationalmannschaft nicht mal zu den 48 Teams, die 2026 zur Nordamerika-Weltmeisterschaft in den USA sowie in Kanada und Mexiko fahren dürfen.
Allein dieser Fakt macht fassungslos, wenn man dann 0:2 in der Slowakei untergeht. In den schlimmsten Szenarien war vorher nicht vorstellbar, dass der viermalige Weltmeister Deutschland erstens den Auftakt in die WM-Qualifikation vergeigt und zweitens überhaupt ein Auswärtsspiel in der WM-Qualifikation verliert.
Die Pleite von Bratislava ist von historischer Dimension: Noch nie ist dem DFB in 125 Jahren sowas passiert. Aber das hat man auch gesagt, als Deutschland 2018 in Russland erstmals in der WM-Geschichte in einer Vorrunde rausflog und die Blamage 2022 in Katar wiederholte. Die Nationalmannschaft enttäuscht seit dem WM-Sieg 2014 immer wieder aufs Neue.
Das Publikum hat sich womöglich davon einlullen lassen, dass die offensive Ausrichtung und die Geschlossenheit der Mannschaft die Massen bei der EM 2024 begeistert haben. Schon damals hätte man gewarnt sein müssen, als das Team im Viertelfinale an Spanien scheiterte. So schlecht schnitten die DFB-Männer noch nie bei einem Heim-Turnier ab.
In den Analysen, wie so ein 0:2 in der Slowakei geschehen konnte, hörte man gestern ständig, dass zwar die Qualität der einzelnen Spieler in Ordnung ist, aber die Leidenschaft gefehlt hätte. Bundestrainer Julian Nagelsmann schiebt die Gestaltung des Binnenklimas den Spielern zu. So einfach kommt er nicht davon.
Zum einen: Wenn ein Trainer drei Länderspiele in Folge verliert wie jetzt Nagelsmann, hat das auch mit ihm zu tun. Zum anderen: Seit den Niederlagen in der Nations League hatte Nagelsmann zwei, drei Monate Zeit, mit öffentlicher Omnipräsenz Stimmung zu erzeugen, Aufbruch, Gier, Feuer – was auch immer.
Aber seit er seinen millionenschweren Arbeitsvertrag beim DFB vorzeitig und ohne Not bis 2028 verlängert hat, verschwand seine jugendliche Leidenschaft aus dem medialen Bewusstsein wie die seiner Spieler auf dem Rasen. Am liebsten würde man ihn fragen: Und, schönen Sommer gehabt?
Zugegeben, bei aller Kritik an der Trainerarbeit dürfen sich die Nationalspieler nicht aus ihrer Verantwortung stehlen. Was zum Beispiel Antonio Rüdiger und Jonathan Tah an Fahrlässigkeit bei ihrer Abwehrarbeit abgeliefert haben, verdient den Adler auf der Brust nicht. Aber es gibt nur einen, der das ändern kann: Nagelsmann.
Wie er das bis zum zweiten Qualifikationsspiel am Sonntag gegen Nordirland hinbekommt? Keine Ahnung. Ein Sieg würde auch nur bedingt helfen. Die Slowakei-Pleite wird bis Ende der WM-Qualifikation in der Tabelle stecken und die Spieler belasten. In den Geschichtsbüchern ist die Pleite jetzt längst.
Offen wie selten wird die Frage diskutiert, ob Deutschland das Schicksal von Italien ereilt. Die Italiener, ebenfalls viermal Weltmeister (1934 und 1938 sowie 1982 und 2006), verpassten die WM-Teilnahme zweimal in Folge: 2018 und 2022.
Auch in Italien hat sich das Publikum zu der Meinung verführen lassen, dass ja alles nicht so schlimm sein kann. Immerhin wurde man zwischendurch, nämlich 2021, überraschend Europameister. 2025/26 zittert man wieder.
Und Deutschland? Nagelsmann hat schon recht: An der Qualität liegt’s nicht. In der Elf gegen die Slowakei standen zum Beispiel zwei, die in diesem Sommer zusammen 200 Mio. Euro Ablöse gekostet haben, Florian Wirtz und Nick Woltemade.
Von ihnen kann man verlangen, dass sie ihrem Preis gerecht werden. Oder Joshua Kimmich und Leon Goretzka: altgediente Stammkräfte beim deutschen Rekordmeister FC Bayern München – in der Nationalelf tauchen sie im Mittelmaß unter.
Die Abwehr: ein Fiasko. Zum Beispiel Abwehrchef Rüdiger, bei Real Madrid Turm in der Schlacht, schläft beim ersten Gegentor, als er zu spät erkennt, dass ihm der Gegenspieler entwischt. Seine Leistung ist nicht WM-reif. Angemeckert hat ihn keiner.
Und das ist vielleicht das Problem: In der Not zeigt sich auf dem Platz kein Führungsspieler, der sich gegen die drohende Niederlage stemmt. Auch Kapitän Kimmich nicht. Das hat mit der Hierarchie im Team zu tun. Auch dafür gibt es einen Verantwortlichen – auf der Trainerbank.