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·14. Juni 2024
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Direkt im ersten Spiel trifft die DfB-Elf auf Schottland. Die Bravehearts sind gemeinhin für ihren kampfbetonten Spielstil bekannt. Ein Spieler im Team passt so überhaupt nicht zu diesem Klischee: Billy Gilmour. Was den Mittelfeldmann so einzigartig im Kader Schottlands macht, und warum genau dies ein wichtiger Faktor im Kampf um die KO-Phase werden könnte erfahrt ihr im folgenden:
Der Stern von Billy Gimour (22) leuchtete bereits sehr schnell sehr hell. Schon früh war klar, dass der Schotte ein außergewöhnliches Talent war. In der Jugend der Glasgow Rangers ausgebildet, wechselte Gilmour bereits mit 16 Jahren in die Nachwuchsakademie des Chelsea FC. Die Blues ließen sich den Transfer die für einen Jugendspieler durchaus stolze Summe von 1,7 Millionen Euro kosten. In London entwickelte sich der zentrale Mittelfeldspieler zunächst wie gewünscht weiter. Nach einem Jahr in der U18 stieg Gilmour bereits mit 17 Jahren in die U23 Chelseas auf. Nachdem er dort zwei durchaus erfolgreiche Jahre verbrachte, sollte 2019 der Sprung in die erste Mannschaft folgen.
Mark Atkinson, Journalist der schottischen Zeitung „The Scotsman“ beschreibt die Erwartungshaltung der Schotten zu Gilmour folgendermaßen: „Gilmour galt stets als das beste Talent seiner Generation. Vor allem in seiner Jugend, als er noch offensiver spielte als heutzutage, hoffte man durchaus darauf, dass er für die schottische Nationalmannschaft das sein könnte, was Gareth Bale in den letzten Jahren für Wales war. Auch wenn dies wohl nicht mehr der Fall sein wird, besteht nach wie vor die große Hoffnung, dass er ein zukünftiger schottischer Kapitän und Anführer sein kann.“
Hier gab es die erste Delle in der Entwicklung des Schotten. Auch wenn er spielerisch durchaus mithalten konnte, war er körperlich einfach noch nicht weit genug. Nach einer Saison ohne wirkliche Einsatzzeiten entschied man sich für eine Leihe. Das gerade in die Premier League aufgestiegene Norwich City unter Trainer Daniel Farke (47) schien mit ihrem spielerischen Ansatz genau die richtige Adresse für den vor allem technisch hochbegabten Gilmour. Doch auch wenn er regelmäßig spielte, so wirklich kam der damals 20-Jährige auch in Norwich nicht in der Premier League an.
(Photo by Harriet Lander/Getty Images)
Entsprechend standen im Sommer 2022 die Zeichen auf Abschied von Chelsea. Lange Zeit passierte jedoch nichts in Sachen Transfers, Gilmour absolvierte die komplette Vorbereitung mit den Blues und stand auch in den ersten Saisonspielen noch im Kader. Am Deadline Day, wenige Minuten vor Schließen des Transferfensters kam es dann doch noch zum Transfer. Gilmour wechselte für die überschaubare Summe von 8,3 Millionen Euro nach Brighton.
Die Seagulls, die für die Entwicklung von Talenten bekannt sind und deren Spielstil perfekt zum jungen Schotten zu passen schien, hatten einen klaren Plan mit Gilmour. Nach einem Jahr Eingewöhnungszeit, in dem er von seinen Mitspielern Pascal Groß (32), Alexis Mac Allister (24) und Moises Caicedo (21) lernen sollte, wollte man ihn im zweiten Jahr zum Stammspieler aufbauen. Dieser Plan ging perfekt auf. Nachdem Gilmour im ersten Jahr lange nur Ergänzungsspieler war und erst gegen Saisonende regelmäßiger zum Einsatz kam, ist der Schotte inzwischen absoluter Stammspieler und einer der wichtigsten Akteure im System der Seagulls.
Der Grund für diese Entwicklung ist, dass Gilmour sich besonders im Defensivverhalten deutlich verbessert hat. Denn mit dem Ball war der Schotte bereits in seinem ersten Jahr auf seiner Position im defensiven Mittelfeld der wohl beste Spieler im Kader. Allerdings war er körperlich zu schwach, verlor zu viele Zweikämpfe und war so auch für die Konterabsicherung unbrauchbar – ein Bereich, der für defensive Mittelfeldspieler bei der offensiven Spielweise Brightons essentiell ist.
Der nur 1,70 Meter kleine Gilmour arbeitete jeden Tag an seiner Körperlichkeit sowie dem Timing im Spiel gegen den Ball, und inzwischen zahlt es sich aus. Und so ist er gegen den Ball deutlich besser in ein Teamgefüge zu integrieren als noch in der Vorsaison. Und so können nun auch die spielerischen Stärken deutlich mehr zum Tragen kommen. Nicht nur innerhalb Brightons sucht Gilmour hier seinesgleichen, selbst in den absoluten Topteams können nur sehr wenige Spieler in Sachen Aufbauspiel mit dem Schotten mithalten. Bei sämtlichen Passstatistiken für kurze und mittellange Pässe gehört Gilmour zu den besten 10% aller Mittelfeldspieler in Europas Top5-Ligen – ein unfassbarer Wert bedenkt man, dass Brighton als Mannschaft nicht seine beste Saison gespielt hat.
Wie sich die meisten bereits gedacht haben dürften, ist Gilmour mit seiner Spielweise das genaue Gegenstück dessen, wofür die schottische Nationalmannschaft steht. Die anderen Mittelfeldspieler fallen vor allem durch ihre körperliche Robustheit und ihre starken läuferischen Werte auf. Ist doch einmal ein geduldiger Spielaufbau von Nöten, läuft bei den Schotten alles über den Brighton-Akteur. Nur die Innenverteidiger sowie der Keeper haben im eigenen Team mehr Pässe pro 90 Minuten gespielt. Dass er aber auch in einem disziplinierten Team mitverteidigen kann zeigte Gilmour etwa bei der letzten Europameisterschaft. Gegen England (0:0) wurde der damals erst 19-Jährige zum Spieler des Spiels gekürt.
(Photo by Facundo Arrizabalaga – Pool/Getty Images)
Die große Frage ist ob Nationaltrainer Steve Clarke (60) dem Team zutraut, sonderlich viel auf Ballbesitz zu spielen. In der Qualifikation saß Gilmour etwa in den beiden Spielen gegen Spanien (2:0 und 0:2) zunächst nur auf der Bank, im Hinspiel kam er überhaupt nicht zum Einsatz. Gerade gegen Deutschland im Eröffnungsspiel könnte ihm erneut ein solches Schicksal blühen. Gegen die Schweiz und Ungarn dürfte Gilmour jedoch umso wichtiger werden, denn in diesen beiden Partien kann sich Schottland nicht nur auf die eigene Defensive verlassen. Siege müssen her – und dafür ist Gilmour ein wichtiger Baustein.
(Photo by Fran Santiago/Getty Images)