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Matti Peters·6. Oktober 2024

Entfesselungskünstler gehen die Tricks aus: Kneipenfußball sein Ende?

Artikelbild:Entfesselungskünstler gehen die Tricks aus: Kneipenfußball sein Ende?

Der Engländer sagt "Hot Seat", hierzulande kommt der Ausdruck Schleudersitz dem wohl am nächsten. Genau auf diesem befindet sich Erik ten Hag. Seine Zeit bei Manchester United scheint dem Ende sehr nahe gekommen zu sein. Auf der Insel hat sich der Niederländer als eine Art Entfesselungskünstler entpuppt.

Es wäre selbstverständlich zu einfach ausschließlich auf die nackten Zahlen zu schauen und doch lohnt sich zunächst mal ein Blick auf die Liste einiger Misserfolge, die Manchester unter seinem aktuellen Trainer hinnehmen musste.


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Obwohl er sich erst im dritten Jahr bei United befindet, wurde er schon häufiger angezählt als Muhammad Ali in seiner gesamten Karriere. Von den zugegeben zumeist überkritischen Medien und den zahlreichen Experten auf der Insel. Von den Fans, aber auch schon von der Vereinsführung. Sowohl in der alten Konstellation mit der Glazer Familie an der Spitze, als auch von der neuen Führungsriege um Ineos-Boss Sir Jim Ratcliffe.

Und doch konnte er sich in der Vergangenheit immer wieder mit kleinen Siegesserien und gelegentlich starken Auftritten wieder aus der Fesselung befreien. In kritischen Phasen zehrte ten Hag vor allem noch von seiner Debütsaison, die United als Dritter in der Premier League und mit dem Gewinn des Carabao Cups abschloss. Selbst die Eskapaden im Umgang mit Klublegende Cristiano Ronaldo, die in dessen unrühmlichen Abschied resultierten, wurden für den Niederländer nicht zum Verhängnis.

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Die positive Entwicklung konnte in Jahr zwei jedoch nicht fortgesetzt werden. Mit Platz acht standen die Red Devils letztlich mit der schlechtesten Platzierung seit der Gründung der Liga da und waren in der Champions League sang- und klanglos als Letzter in der Gruppenphase ausgeschieden.

Das lag zum Teil auch an großen Verletzungspech und ten Hag wurde nicht müde das immer wieder zu betonen. Genauso wie seine mantraartig wiederholte Bitte um mehr Geduld für eine Mannschaft, die sich in einem schwierigen Umbruch befände. Einziger Lichtblick der überraschende Gewinn des FA Cups im Finale gegen Manchester City.

Der Coup im Duell mit dem Stadtrivalen täuschte über die sonst erschreckend schwache Saison hinweg und war englischen Medien zufolge auch einer der wenigen Gründe, warum es nicht schon im Sommer zur Trennung kam. Gespräche mit potenziellen Nachfolgern gab es in jedem Fall. Das bestätigte Erik ten Hag nach der überraschenden Vertragsverlängerung vor ein paar Monaten selbst beim TV-Sender 'NOS' und fügte süffisant hinzu: "Am Ende sind sie zu dem Schluss gekommen, dass sie schon den besten Trainer haben."

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📸 Mike Hewitt - 2024 Getty Images

In Sicherheit wiegen kann sich der 54-Jährige ob der Verlängerung aber nicht unbedingt. Seine Vorgänger Ole Gunnar Solskjaer und José Mourinho unterzeichneten ebenfalls wenige Monate vor ihrer Entlassung ein neues Arbeitspapier bei United.

In Scherz-Laune ist der aktuelle United-Coach mittlerweile ohnehin nicht mehr, denn die negative Entwicklung fand auch in dieser Saison kein Ende. Sportlich befindet sich sein Team sogar eher in noch tieferen Gefilden. Platz 13 nach sechs Ligaspielen. Fünf magere Tore beschreiben die Flaute im Angriff. Nur der aktuelle Vorletzte aus Southampton hat offensiv weniger zu Stande gebracht. Die Defensive ist scheinbar dauerhaft in der Findungsphase. Das zeigt auch der Blick auf die Statistik.

Seit Juli 2022 hat der englische Rekordmeister wettbewerbsübergreifend in 31 Spielen zwei oder mehr Tore kassiert. Laut 'Opta' war das bei keinem Premier-League-Klub in diesem Zeitraum häufiger der Fall. Es fehlt die häufig zitierte Konstanz. Die 'BBC' zählt seit Erik ten Hag in Manchester das Zepter schwingt insgesamt 87 verschiedene Abwehr-Konstellationen zu Beginn einer Partie.

Viel schwerwiegender, als die Kritik an der defensiven Stabilität, ist auf der Insel allerdings der Eindruck unter vielen Experten, dass man selbst im dritten Jahr unter ten Hag keine Spielidee bei United erkennen kann. Sternstunden seien stets auf individuelle Leistungen zurückzuführen. Es sei kein einheitliches Vorgehen auf dem Platz zu erkennen, was einem Klub, der selbst über die Landesgrenze hinaus schlicht als "United" bekannt ist, in vielerlei Hinsicht nicht gut zu Gesicht steht.

Individuelle Klasse ist ein gutes Stichwort. Davon hat der Klub jede Menge. Teuer erkauft wohlgemerkt. Knapp 660 Millionen wurden für Erik ten Hag seit dessen Amtsantritt in 21 Neuzugänge investiert. Er hat sich ein regelrechtes Ajax 2.0 zusammengestellt. Insgesamt fünf ehemalige Schützlinge aus seiner erfolgreichen Zeit in Amsterdam holte er nach Manchester. Der entsprechende Boost für die Teamchemie zeigt sich zumindest bislang noch nicht auf dem Platz.

So auch beim nächsten Tiefpunkt in der Liga vor einer Woche im Duell mit Tottenham. United war am Ende mit einer 0:3-Heimpleite gegen die Spurs noch gut bedient. Klublegende Gary Neville nahm in seiner Rolle als TV-Experte bei 'Sky Sports' kein Blatt vor den Mund: "Scheußlich von United. Miserabel. Es war ein ekelhafter Auftritt. Das war das Schlechteste bislang unter der Regie von ten Hag und das will was heißen", so der Ex-Profi. "Ich vermute, dass es heute Morgen bessere Amateur-Mannschaften gab als das, was wir von United gesehen haben. Das war Kneipenfußball."

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Es war der Auftakt einer massiven Kritikwelle unter der Woche. Zahlreiche Medien berichteten von einer vom Verein beschlossenen Gnadenfrist für das Europa-League-Spiel in Porto und dem heutigen Aufeinandertreffen mit Bayern-Bezwinger Aston Villa. Die 'Manchester Evening News' stützte diese Behauptung mit der Beobachtung, dass United's Sportdirektor Dan Ashworth und der Technische Direktor Jason Wilcox ungewöhnlich viele Überstunden im Büro verbrachten.

Der vogelwilde Auftritt gegen den FC Porto veranlasste auch United-Anteilseigner Sir Jim Ratcliffe nicht unbedingt zu großartigen Zuspruch für den Trainer. Auf die Frage der 'BBC' nach der Zukunft von ten Hag reagierte der 71-Jährige vielsagend: "Ich mag Erik, Ich denke er ist ein sehr guter Trainer, aber am Ende des Tages ist es nicht meine Entscheidung. Das Management von Manchester United muss entscheiden, was das Beste für die Mannschaft und den Verein ist."

Dem Vernehmen nach hängt das Schicksal von Erik ten Hag bei United nun also am heutigen Auftritt im Villa Park. Kann sich der Entfesselungskünstler aus der Region Twente ein weiteres Mal befreien oder gehen ihm jetzt doch die Tricks aus?