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·7. September 2019
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·7. September 2019
Vorschau | Am 19. September startet die Gruppenphase der UEFA Europa League! 48 Mannschaften haben sich für diesen Wettbewerb qualifiziert, wieder einmal herrscht eine enorme Bandbreite. Große Namen sind ebenso vertreten wie kleinere, unbekannte Teams, die den Reiz dieses Wettbewerbs ausmachen. Wir stellen alle 12 Gruppen detailliert vor!
Gruppe A: FC Sevilla, APOEL, Qarabag, Düdelingen
(Letzte Saison: Achtelfinale EL)
Der FC Sevilla blickt auf eine höchst enttäuschende Saison 2018/19 zurück. In der Liga reichte es, trotz eines furiosen Starts, nur zu Platz sechs und auch in den Pokalwettbewerben wurden nicht die gewünschte Ergebnisse erzielt. In der Copa del Rey scheiterten die Andalusier nach einem 2:0-Hinspiel-Sieg am FC Barcelona weil das Rückspiel krachend mit 1:6 verloren ging. In der Europa League schieden sie im Achtelfinale gegen das vermeintlich kleine Slavia Prag aus, nachdem man bereits Lazio Rom ausschalten konnte. In diesem Jahr soll alles besser werden.
Um in dieser Saison erfolgreicher zu spielen, vollzog Sevilla im Sommer einen kompletten Neuaufbau. Mit Julen Lopetegui, der zuletzt bei Real Madrid nicht mal die Hinrunde überstand, und Monchi, der von der AS Rom zurückkehrte, wurde ein neuer Trainer und ein neuer Sportdirektor verpflichtet. Und auch in der Mannschaft wurden umfangreiche Veränderungen vorgenommen. Insgesamt wurden 13 (!) Spieler für insgesamt knapp 160 Millionen Euro Ablöse verpflichtet und nahezu ebenso viele Spieler für etwas mehr als 100 Millionen Euro abgegeben. Vom FC Sevilla des Vorjahres ist also kaum noch etwas übrig.
Die Defensive wurde mit den beiden Innenverteidigern Diego Carlos und Jules Kounde sowie Linksverteidiger Sergio Reguilon noch am geringfügigsten verändert. Für das Mittelfeld kamen mit Fernando, Oliver Torres, Nemanja Gudelj und Joan Jordan vier, für den Angriff gleich fünf Spieler: Chicharito, Luuk de Jong, Lucas Ocampos, Munas Dabbur und Rony Lopes. Von der alten “Achse” überlebten damit im Grunde nur Torhüter Vaclik, Abwehr-Routinier Carriço, Kapitän Jesus Navas und Spielmacher Ever Banega.
Dieser radikale Umbau birgt aber natürlich auch ein gewisses Risiko. Die Mannschaft wird mit Sicherheit einige Zeit brauchen, um sich wirklich zu finden. Dazu kommt, dass auch Trainer Lopetegui neu ist und sich an den Verein gewöhnen muss, was die Aufgabe nicht gerade erleichtert. Ohnehin muss Lopetegui erst nachweisen, dass er auch im Vereinsfußball erfolgreich arbeiten kann. Bei seinen vorherigen Stationen, Real Madrid und FC Porto, blieb er diesen Nachweis noch schuldig.
Die bisherigen Ergebnisse in La Liga geben aber durchaus Anlass zur Hoffnung. Nach drei Spielen hat Sevilla bereits sieben Punkte auf dem Konto und steht auf einem guten zweiten Platz. Dass das allerdings nicht viel heißen muss, wissen die Andalusier aber bereits aus der vergangenen Saison, als man sogar nach 13 Spielen an der Tabellenspitze stand, nur um in der Rückrunde völlig einzubrechen.
Eine weitere, ganz entscheidende Frage wird sein, wie sich die neu formierte Offensive gestaltet. Mit Wissam Ben Yedder und Pablo Sarabia sind die beiden gefährlichsten Spieler der letzten Jahre gegangen und diese Lücken müssen nun geschlossen werden. Für das Sturmzentrum hat Lopetegui, der seine Mannschaft in der Regel in einem 4-3-3-System spielen lässt, mit Chicharito, Dabbur und Luuk de Jong gleich drei Alternativen im Kader, die allesamt neu gekommen sind. Auf den Flügeln bieten sich vor allem Nolito, Ocampos, Munir El Haddadi, Rony Lopes und Youngster Bryan Gil an. Ein klare Hierarchie konnte sich bisher noch nicht bilden. Von daher empfiehlt es sich, hierauf besonders zu achten, um die Erfolgschancen Sevillas besser einschätzen zu können.
Losgelöst vom Personal, darf man vom FC Sevilla einen sehr attraktiven Fußball erwarten. Lopetegui steht für typisch spanischen Ballbesitzfußball, mit dem Fokus auf kurzen Pässen und dem Aufbau über das Mittelfeldzentrum unter Einbezug inverser Flügelspieler. Sevilla wird in aller Regel versuchen, die Spiele zu dominieren und sich den Gegner möglichst gut zurecht zu legen, was gerade in dieser Gruppe, wo sie haushoher Favorit sind, auch äußerst naheliegend ist.
Der 25-jährige Spanier kam im Sommer für stolze 14 Millionen Euro aus Eibar und ist damit der Rekord-Abgang des kleinen baskischen Vereins. Trotzdem läuft Jordan noch weitestgehend unter dem Radar der meisten Fußball-Fans – zu Unrecht! Der zentrale Mittelfeldspieler ist nämlich ein Komplettpaket. Der 1,85m-große Jordan ist physisch stark, technisch hervorragend ausgebildet und bringt sowohl offensiv, als auch defensiv, viel Qualität mit. Er verfügt über ein exzellentes Passspiel, wobei er vor allem durch starke Verlagerungen auffällt. Er kann der Ball selbst durch das Mittelfeld treiben und Eins-gegen-eins-Situationen in engen Räumen auflösen. Darüber hinaus ist er stabil im Defensiv-Zweikampf und mit guten Fernschüssen auch selbst torgefährlich: Eben ein kompletter “Box-to-Box-Midfielder”.
Wenig überraschend hat er sich auch auf Anhieb einen Stammplatz in Sevillas Dreier-Mittelfeld erkämpft und auch schon sein erstes Ligator für seinen neuen Arbeitgeber erzielt. Auf ihn darf man sich, in seiner ersten Europapokal-Saison überhaupt, mit Sicherheit freuen!
Der FC Sevilla ist in Gruppe A, wie schon erwähnt, der ganz klare Favorit und sollte die Gruppe unter normalen Umständen als Sieger abschließen. Und auch darüber hinaus ist dem Rekord-Sieger der Europa League (Drei Titel: 2014, 2015, 2016) einiges zuzutrauen. Das Erreichen des Viertelfinales dürfte für die Andalusier das Minimalziel sein. Sollte sich die Mannschaft gut und schnell finden und mit Trainer Lopetegui harmonieren, ist der FC Sevilla sogar ein realistischer Titelanwärter. Angesichts der vielen, noch offenen Fragen ist eine seriöse Prognose diesbezüglich allerdings noch nicht möglich.
(Letzte Saison: Nicht qualifiziert)
In der vergangenen Saison hatte APOEL Nikosia bereits zu Beginn mit einer herben Enttäuschung zu kämpfen. Denn: Schon in der ersten Qualifikationsrunde zur Champions League schied man gegen den FK Süduva aus. Für die Zyprer war das eine mittelschwere Katastrophe, die Ansprüche sind deutlich höher. In der Liga hingegen ging alles seinen gewohnten Gang, APOEL dominierte und wurde am Ende in der Meisterrunde Erster vor Larnaka und den Klubs aus Limassol.
Im Sommer gab es allerdings dennoch Veränderungen. Trainer Paolo Tramezzani wurde ersetzt – und zwar durch Thomas Doll. Ja, eben jener Thomas Doll, der zuletzt bei seinen Stationen in Deutschland nicht gerade ausschließlich positiv aufgefallen war. Mit Doll ging es in die Qualifikation zur Champions League, Qarabag wurde in der 3. Runde aus dem Weg geräumt, nachdem APOEL das Hinspiel zuhause mit 1:2 verlor. Thomas Doll sollte dann das Unmögliche möglich machen und die Mannschaft in den Playoff-Spielen gegen Ajax Amsterdam in die Champions League führen.
Und vor heimischer Kulisse auf Zypern zeigte APOEL eine ordentliche Leistung! Ajax’ Offensivmaschinerie wurde kaltgestellt, ein 0:0 erkämpft. Doch im Rückspiel setzten die Niederländer der APOEL-Defensive zu und gewannen mit 2:0. Der Einzug in die Gruppenphase der Europa League war aber dennoch fix – und hier hat APOEL durchaus realistische Chancen. Traditionell verfügen die Mannschaften aus Zypern über eher erfahrene Spieler, auch das Durchschnittsalter bei APOEL ist mit knapp 27 Jahren eher im oberen Bereich anzusiedeln. Dennoch wurden im Sommer auch junge Spieler verpflichtet.
So zum Beispiel der Zyper Christos Sielis (19), der aus England kam und sich APOEL anschloss. Auch Stefanos Mouktaris (24) gehört noch zu den jüngeren Neuzugängen, zudem wurden einige Spieler aus der eigenen Jugend zur ersten Mannschaft befördert. Mit Joaozinho (29, Tondela), Linus Hallenius (30, Sundsvall) und Kevin Lafrance (29, Limassol) wurden aber auch wieder die typischen Muster bedient.
Beim Blick auf den mit mehr als 30 Spielern sehr großen Kader fallen einem einige bekannte Namen ins Auge. So steht Boy Waterman (früher Aachen, PSV) im Torhüterteam, Efstathios Aloneftis (36, früher Cottbus) und Roman Bezjak (30, bis 2017 in Darmstadt) spielen in der Offensive. Thomas Doll ließ seine Mannschaft gegen Ajax zuletzt in einem 4-5-1-System agieren, machte die Räume eng und versuchte eine entsprechende Kompaktheit an den Tag zu legen.
Dies ging allerdings auf Kosten der Offensive, große Torchancen aus dem Spiel heraus waren Mangelware. Doll, der erst im August das Amt des Cheftrainers übernahm, muss eine Mischung aus Dominanz in der Liga und einem alternativen Spielsystem für die teilweise schweren Aufgaben im internationalen Geschäft finden. Der Kader gibt eine solche Mischung zumindest her, vor allem in der Offensive kann viel rotiert werden, hier herrscht sogar teilweise ein Überangebot.
Zum Auftakt wird sich APOEL im Vergleich zur heimischen Liga noch nicht umstellen müssen, denn am 1. Spieltag trifft man auf Düdelingen. Die Luxemburger sind ein unangenehmer Gegner, aber müssen definitiv bezwungen werden, wenn Thomas Doll mit seiner Mannschaft die K.O.-Phase erreichen will. Ansonsten wird viel davon abhängen, wie schnell der deutsche Trainer seine Vorstellungen umsetzen kann. Die Tatsache, dass man mit ihm keine längere Vorbereitung hatte, erschwert die Lage natürlich.
Der jordanische Rechtsaußen Musa Al-Taamari (22) wechselte im Sommer 2018 von Al-Shabab zu APOEL und zeigte in seiner ersten Saison bereits sehr gute Ansätze. Inmitten vieler erfahrener Spieler ist der 1,75m große Offensivspieler ein unbekümmertes, frei aufspielendes Element, das der gesamten Offensive gut tut. In der Qualifikation zur Champions League kam Al-Taamari regelmäßig zum Einsatz, sein Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Ihn sollte man in dieser Saison definitiv im Auge haben, auch einige größere Klubs aus anderen Ligen könnten auf ihn aufmerksam werden, wenn er sein Potenzial ausschöpft.
In der Gruppenphase hat APOEL alle Chancen, um das Weiterkommen auch zu fixieren. Die Mannschaft von Trainer Thomas Doll ist gegen den FC Sevilla natürlich Außenseiter, gegen die anderen Mannschaften in dieser Gruppe ist aber alles möglich. APOEL sollte das Ziel haben Platz 2 zu erreichen.
(Letzte Saison: Gruppenphase EL)
Der Verein aus dem fernen Aserbaidschan ist mittlerweile eine Art Dauergast in Europa und konnte seine Visitenkarte sogar schon in der Champions League abgegeben (Gruppenphase, 2017/18). In dieser Saison geht Qarabag allerdings “nur” in der Europa League an den Start, nachdem sie abermals in der Qualifikation zur “Königsklasse” scheiterten (ironischerweise in der 3. Runde an Gruppengegner APOEL Nikosia, das in den Play-Offs an Ajax Amsterdam scheiterte).
Auch in der letzten Saison mussten sich die Aseris in der 3. Qualifikationsrunde für die Champions League geschlagen geben, um dann in der Gruppenphase der Europa League weiterzumachen. Allerdings gab es auch dort nichts zu holen. In der Gruppe E mussten sie dem FC Arsenal, Sporting und Vorskla Poltava den Vortritt lassen und schieden als Gruppenletzter mit nur drei Punkten aus.
National lief es dagegen wieder mal sehr gut, Qarabag wurde erneut souverän Meister – wie in den fünf Jahren zuvor auch. Daher ist das Ziel für diese Spielzeit klar: Ein besseres Abschneiden in Europa.
Qarabag setzt seit Jahren auf eine kontinuierliche Entwicklung. Konstanz ist dabei vor allem auf der Trainerbank reichlich vorhanden: Trainer Qurban Qurbanov (ja, der heißt wirklich so) ist bereits seit Juli 2008 im Amt und erzielte seitdem einen überragenden Punkteschnitt von 1,94 Zählern pro Spiel. Darüber hinaus half er im Jahr 2018 auch noch als Nationaltrainer Aserbaidschans aus – eine Ehrensache für den Rekordtorschützen seines Landes. Er ist also nicht nur das Gesicht des Vereins, sondern auch für seine Nation eine große Persönlichkeit.
Qurbanov setzt zumeist, gerade auf internationaler Bühne, auf ein 4-2-3-1-System, das auch fließend in ein 4-3-3-System oder ein 4-1-4-1-System umgewandelt werden kann, je nach Anforderungen, die der Gegner stellt. Er ist also durchaus flexibel, was sicherlich auch am großen Spagat zwischen der Favoritenrolle in den nationalen Wettbewerben und der Underdog-Rolle in den internationalen Wettbewerben liegt.
Doch wer annimmt, dass der große Star der Mannschaft auf der Bank sitzt, hat sich getäuscht. Das hat sich mit der Verpflichtung von Asmir Begovic mit Sicherheit geändert. Der bosnische National-Torwart kam am Deadline-Day auf Leih-Basis vom AFC Bournemouth und wird zunächst bis zum Jahresende bleiben. Er steht der Mannschaft also zumindest für die Gruppenphase zur Verfügung. Für ihn wird es im Wesentlichen eine große Chance sein, Spielpraxis zu sammeln, nachdem er seinen Platz bei den “Cherries” an Youngster Aaron Ramsdale verlor.
Doch auch abseits von Begovic hat der Kader den einen oder anderen interessanten Spieler zu bieten. Mit Ismayil Ibrahimli (21) und Mahir Emreli (22) sind zum Beispiel auch zwei große einheimische Talente dabei. Ibrahimli ist ein zentraler Mittelfeldspieler, der auch sehr torgefährlich ist. Nach drei Ligaspielen ist er mit drei selbst erzielten Toren und einem Assists der beste Torjäger der Liga, nachdem er in der letzten Saison kaum eine Rolle gespielt hat. Emreli ist dagegen schon deutlich etablierter. Der 22-jährige Stürmer spielte bereits 15 mal für Aserbaidschan und wusste in der letzten Saison mit 16 Toren und fünf Assists in 27 Ligaspielen zu gefallen. In der bisherigen Spielzeit erzielte er zwar nur ein Tor in drei Ligaspielen, doch die vier Assists sprechen trotzdem deutlich für ihn. Zudem traf er auch zweimal in der Champions League Qualifikation.
Ansonsten dürften Linksverteidiger Ailton, der auf Leihbasis vom VfB-Stuttgart kam, und Stürmer Magaye Gueye, der sich in der Türkei durchaus einen Namen gemacht hat, die bekanntesten Spieler des Teams sein. Der Kopf der Mannschaft ist allerdings nach wie vor Kapitän und Abwehrchef Rashad Sadykov, auch wenn der 37-jährige immer wieder seine Pausen braucht und vor allem in Ligaspielen öfters geschont wird. Mit seinen bisherigen 111 Länderspielen (fünf Tore) ist er nebenbei auch der Rekordnationalspieler Aserbaidschans.
Wie schon erwähnt, ist Begovic natürlich der große Star der Mannschaft. Der 32-jährige Torwart kommt mit der Empfehlung von 62 Länderspielen für Bosnien sowie stolzen 252 Premier-League-Einsätzen nach Aserbaidschan und ist schon deshalb eine Figur, an der sich die Mannschaft aufrichten kann. Er wird mit seiner Erfahrung und seiner Professionalität sicherlich hilfreich sein. Abgesehen davon ist er natürlich auch sportlich eine enorme Hilfe, nicht zuletzt weil die Torhüterposition zuletzt eher zu den Schwachstellen der Mannschaft zählte. In der Europa League wird er voraussichtlich auch einiges an Arbeit vor sich haben, weshalb ein guter Torhüter natürlich von großem Wert ist. Für ihn persönlich dürfte es, neben dem mannschaftlichen Erfolg, aber auch um seine weitere Karriere gehen. Beim AFC Bournemouth hat seine Reputation in der letzten Saison durchaus gelitten.
Für Qarabag Agdam dürfte es wohl leider schwierig sein, die Gruppenphase zu überstehen. Der FC Sevilla ist der große Favorit, an dessen Weiterkommen eigentlich kein Zweifel besteht. Auch APOEL Nikosia ist wahrscheinlich etwas stärker einzuschätzen. In der Champions League Qualifikation scheiterten die Aseris zwar nur knapp an den Zyprioten. Allerdings ist Qarabag auch klar stärker als Düdelingen, weshalb es wohl auf den Kampf um Platz zwei mit APOEL hinauslaufen wird.
Fun Fact: Neben Trainer Qurban Qurbanov hat die Mannschaft auch noch “Sechser” Qara Qarayev zu bieten.