Miasanrot
·20. November 2024
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Keine Position im Fußball ist so wichtig und kompliziert zugleich wie die des Torhüters. Beim FC Bayern hat man mit Manuel Neuer den einst weltbesten Torhüter im Kader. Eine kommentierte Analyse des Bayern-Kaders.
Was haben Marcus Thuram, Christopher Nkunku, Lois Openda und Leandro Trossard gemeinsam? Alle vier Offensivspieler spielten in den vergangenen Tagen mit ihren Nationalmannschaften gegen Israel und Bayern-Torhüter Daniel Peretz. Und alle blieben torlos.
Israel, Absteiger aus der Nations-League-Gruppe A2, sorgte mit einem 0:0 über Frankreich und einem 1:0-Sieg über Belgien für faustdicke Überraschungen. Und Daniel Peretz konnte sich das ein oder andere Mal auszeichnen. Eine herbeigesehnte aber doch seltene Situation für den 24-Jährigen Torhüter.
Beim FC Bayern München ist Peretz, im Sommer 2023 von Maccabi Tel Aviv verpflichtet, nur die dritte Kraft zwischen den Pfosten. Hinter Stammtorwart Manuel Neuer darf sich Langzeit-Ersatz Sven Ulreich auf die Bank setzen.
Diese sportliche Hierarchie muss dabei nicht als grundsätzliches Votum gegen Peretz verstanden werden. Welcher Torhüter schafft es denn aktuell schon einen, zugegebenermaßen zuletzt etwas schwächelnden, Neuer vom Thron zu stoßen?
Und welcher Torhüter ist erfahren genug und hat schon interimsweise als Nummer 1 in der Champions League und Bundesliga zu überzeugen gewusst? Richtig, auch Ulreichs Standing im Verein ist auf Grund der Leistungen der letzten Jahre folgerichtig.
Doch langfristige Lösungen stellen weder Neuer noch Ulreich dar. Neuers Zukunft in München wird eng an die von Alexander Nübel geknüpft – und andersherum. Der 38-jährige Weltmeister steht noch bis Sommer 2025 beim FC Bayern unter Vertrag und sein zwei Jahre jüngerer Ersatzmann Ulreich ebenfalls.
Nübel hingegen, der wie Peretz in der Nations League auf sich aufmerksam machen konnte, ist nicht nur zehn Jahre jünger als Neuer, sondern noch bis 2029 an den deutschen Rekordmeister gebunden und bis zum Sommer 2026 an den VfB Stuttgart ausgeliehen. So weit die Fakten.
Die Frage, die sich nun stellt: Wie sieht das Torhütergespann des FC Bayern in der Zukunft aus? Eine einfache Antwort darauf scheint es aktuell nicht zu geben. Das hat folgende Gründe:
Zum einen stellt sich die Frage nach der grundsätzlichen Nummer 1. Soll diese, wann auch immer Neuer abtritt, Nübel heißen? Ist der VfB-Schlussmann schon weit genug, in die riesigen Fußstapfen von Neuer zu treten? Oder hat sich Nübel vielleicht sogar verwechselt und zu lange auf seine Chance in München gewartet?
Wenn Neuer seinen Vertrag nochmals um ein Jahr verlängert, wonach es momentan aussieht, und Nübel seinen Leihvertrag in Stuttgart erfüllt, stünde der gebürtige Paderborner bei Amtsübernahme in München bereits kurz vor seinem 30. Geburtstag. Ein relativ hohes Alter für eine Nummer 1 in München.
Die Bayern-Verantwortlichen müssen sich also fragen: Wollen sie weiter auf Nübel warten (und Neuer einen Platz im Kader zugestehen) oder müsste eine andere Option als Neuer-Nachfolger an die Isar gelockt werden? Mit Noah Atubolu macht gerade in weiteres, deutsches Torhüter-Talent auf sich aufmerksam…
Und Peretz? Aktuell ist es schwierig, sein sportliches Niveau einzuschätzen. Der Israeli durfte bis dato lediglich eine Handvoll Spiele im rot-weißen Dress absolvieren, zuletzt debütierte der in Tel Aviv geborene Schlussmann in der Regionalliga Bayern beim 3:0-Heimsieg gegen den TSV 1847 Schwaben Augsburg.
Man muss kein Prophet sein, um festzustellen, dass die Rolle als Nummer 3 für Peretz auf Dauer nicht zufriedenstellend ist. Und auch der FC Bayern wird Interesse daran haben, seinem Spieler (Vertrag bis 2028) entsprechende Spielpraxis geben zu können. Ein Leihgeschäft im Winter ist allerdings keine Option, würde man sich damit nur selbst eine weitere Baustelle im Kader eröffnen.
Der FC Bayern steht vor einem gewissen Dilemma: Neuer, seine Verdienste sind unumstritten, blockiert gewissermaßen die Entwicklungen seiner Kollegen, seines eigenen Nachfolgers. Nübel hat klar formuliert, dass er nicht nach München kommt, so lange Neuer noch im Kader steht.
Der Grund ist klar: Neuer spielt immer. Und wenn er nicht gerade auf Grund einer Verletzung ausfällt, wird im Tor eben nicht rotiert. Eine verständliche Haltung der Trainer, eine schwierige Situation für die jeweilige Nummer 2. Selbst so etwas wie ein „Pokaltorhüter“ war mit Neuer nie eine Option. Vielleicht müsste der FCB hier umdenken?
Max Eberl und Christoph Freund müssen den Dialog mit Neuer suchen und ihm klarmachen, dass er bei einer Vertragsverlängerung keine 50+ Saisonspiele garantiert bekommt. Neuer muss den Umbruch im Tor aktiv mitgestalten und in gewissen Spielen den Platz zwischen den Pfosten räumen – vielleicht sogar dauerhaft, wenn die Leistungen der Ersatzttorhüter besser sind.
Nur so kann sich ein Nübel, ein Peretz oder ein anderer talentierter Torwart (weiter) entwickeln. Neuer hat beim FC Bayern eine Ära geprägt. Nun sollte er, zum Wohle des Vereins, seinen Nachfolgekandidaten dieselbe Möglichkeit einräumen. Und wenn er nicht bereit ist, das aktiv zu tun, muss man sich eben gegen eine Verlängerung entscheiden.