Florian Klein über Roger Schmidt: „Immer Richtung 180!“ | OneFootball

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·18. September 2023

Florian Klein über Roger Schmidt: „Immer Richtung 180!“

Artikelbild:Florian Klein über Roger Schmidt:  „Immer Richtung 180!“

Florian Klein über Roger Schmidt: „Immer Richtung 180!“

18. September 2023 in ADMIRAL Bundesliga

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Florian Klein hat von 2012 bis 2014 zwei Saisonen bei Red Bull Salzburg unter Roger Schmidt gespielt. Vor dem Champions-League-Duell der „Bullen“ bei Benfica Lissabon am Mittwoch erklärt der Experte des übertragenden Senders Servus TV (auch Sky überträgt live aus Lissabon), warum der heutige Star-Trainer sein bester Coach war und wie es ihm gelang, die Salzburger Fußball-Revolution zu moderieren – und dabei sogar eine titellose Saison „überlebte“.


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Du und Roger Schmidt kamt beide im Sommer 2012 zu Red Bull Salzburg. Hat er dich geholt oder noch sein Vorgänger?

(lacht) Eigentlich sein Vorvorgänger… Ich habe noch mit Ricardo Moniz gesprochen, der ist aber nach der Saison zurückgetreten. Dann war Niko Kovac interimistisch Trainer, unter ihm habe ich meine ersten Einheiten absolviert. Erst dann kamen Ralf Rangnick als Sportdirektor und in weiterer Folge Roger Schmidt als Trainer zum Verein.

Schmidt kam damals aus Paderborn und war nur Insidern ein Begriff. Wie hast du ihn zu Beginn wahrgenommen?

Bei seiner ersten Ansprache meinte er: „Das ist gut für jeden! Ihr kennt mich nicht, ich kenne euch nicht, es ist für alle ein echter Neuanfang!“ Er war jung, wirkte modern, wir haben uns auf ihn eingelassen. Er hatte von Beginn an ein sicheres Auftreten, wirkte souverän, hatte eine klare Ansprache. Und er war zugänglich für Themen neben dem Platz, wollte wissen, wie es privat läuft, was die Familie macht. Am Platz war er dagegen immer extrem klar, auch oft hart, mit einer Vision. Das Gute war: Roger und die Mannschaft konnten sich gemeinsam entwickeln.

Die erste Saison war wenig erfolgreich, es gab keinen Titel, dazu das Qualifikations-Desaster gegen Düdelingen. Hat ihn das erschüttert oder hat er es cool wegmoderiert?

Mit diesem Schock wurden wir alle kalt erwischt. Schmidts Ankunft war ja der Startschuss für die große Umstellung auf das, was heute als Red-Bull-Fußball bezeichnet wird. Das war für jeden Beteiligten etwas komplett Neues, das gab es vorher noch nie. Ich behaupte mal: Hätte es diese Umstellung nicht gegeben, wären wir über Düdelingen drübergekommen. So mussten wir uns erst einmal hineinfinden. Roger hat die titellose Saison „überlebt“, weil er extrem stark war darin, wie er uns den neuen Stil vermittelt hat. Die späteren Erfolge haben das auch bestätigt.

Gegenpressing, dynamischer Tempofußball, das war für alle Neuland. Wie kompliziert war es für euch Spieler, diese neue Art des Kickens zu lernen?

Ich kam von der Austria, war geprägt von Karl Daxbacher und später Ivo Vastic, die für Ballbesitz und technisch guten Fußball standen. Damals galt ich als moderner Außenverteidiger, der extrem offensiv gedacht hat, immer mit nach vorne ging und sich nach Ballverlust wieder zurückgezogen hat. Ich dachte: Das kann ich in Salzburg noch besser umsetzen, weil die Qualität dort nochmal höher ist. Dann kam Roger und es hieß immer: Spiel gegen den Ball mit hohem Pressing. Nach dem ersten Match meinte Roger: „Wenn du so spielst, wirst du es schwer haben. Du gehst in keinen offensiven Zweikampf, lässt dich nach hinten fallen, attackierst nicht nach vorne.“ Ich war damals ja auch schon 24, hab viel gesehen im Fußball, und musste mich komplett umstellen, das war ein Wahnsinn. Zu Beginn wirkte es hart, aber es ging jedem so und alle wussten immer, woran sie waren.

Für Medien war Schmidt ein dankbarer Typ, der sich auf Wortduelle mit anderen Trainern oder Schiedsrichtern einließ, gerne auch mal angeeckt ist. Nach innen schaffte er aber eine Art Burgfrieden, was das Team extrem zusammengeschweißt hat. Wie hast du das erlebt?

Das war sicher eine seiner großen Stärken. Er schaffte eine Einheit nach dem Motto: Wir gegen die anderen! Wir bekamen das Gefühl vermittelt, dass wir nur uns selbst vertrauen können und dass immer alle gegen uns sind. (lacht) Und er hat wirklich oft angeeckt. Wenn das Spiel kam, war er sehr impulsiv, immer Richtung 180. Da kam sein ausgeprägter Siegeswille zum Vorschein. Man hat extrem gemerkt: Er kann nicht verlieren.

Du hattest in deiner Karriere eine Schar illustrer Trainertypen, von Armin Veh bis Karl Daxbacher, von Huub Stevens bis Thorsten Fink. Wo rangiert da Roger Schmidt?

Ganz oben, an erster Stelle! Wie er es geschafft hat, ein ganzes Team auf dieses komplett neue Level zu bringen, sodass jeder wusste, was er zu tun hat… Grandios! Und das, obwohl er teilweise so besessen war, dass es auch ungut werden konnte. Es lief ja nicht immer alles friedlich ab, bei manchen Entscheidungen ging es richtig hart her.

Ihr habt beide 2014 Salzburg verlassen, du nach Stuttgart, Schmidt nach Leverkusen, ehe es für ihn über China und Eindhoven zu Benfica Lissabon ging. Lässt er dort immer noch das gnadenlose Pressing von damals spielen oder hat er seinen Stil weiterentwickelt?

Schmidt wollte mich damals übrigens nach Leverkusen mitnehmen, aber ich hatte schon beim VfB unterschrieben… Er hat sich auf jeden Fall weiterentwickelt. Bei Leverkusen hat er es noch genauso durchgezogen wie bei uns. In seinem allerersten Spiel hat Karim Bellarabi nach neun Sekunden das schnellste Tor der Bundesliga-Geschichte erzielt, da dachte ich: Typisch, er macht genauso weiter. In China musste er sich dann etwas umstellen, in Lissabon hat er Spieler mit extrem hohen technischen Qualitäten, das hat er natürlich in seinen Stil integriert. Aber die Grundelemente des Gegenpressings sind immer noch vorhanden, wenn auch nicht mehr ganz so krass.

In Leverkusen gab es die Szene, als Schiedsrichter Zwayer ihn auf die Tribüne schicken wollte, er sich aber geweigert hat und das Spiel für knapp zehn Minuten unterbrochen wurde…

Ich kann mich gut erinnern. Das war auch bei uns so: Manchmal ist er so stur und lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. Auch das ist ein Merkmal von ihm.

Salzburg hatte wieder mal einen riesigen Umbruch, dominiert die Liga aber trotzdem. Ist die Favoritenrolle vor dem Match gegen Benfica klar verteilt?

Für mich ist Benfica der klare Favorit, das ist den Salzburgern aber auch ganz recht, denke ich. Durch die enorme Qualität hat Salzburg aber auch eine Mannschaft, die immer überraschen kann, das ist auch klar.

Wie siehst du in der Gruppe, in der auch noch Inter Mailand und Real Sociedad San Sebastian sind, die Salzburger Aufstiegschancen?

Sie haben auf alle Fälle eine Chance. Vor der Saison denken immer alle: Der Umbruch ist so groß, das können sie nicht schaffen. Und dann wird schnell klar: Von der Aktivität, der Schnelligkeit, dem Biss, das ist wieder genau das, was wir in den letzten Jahren gesehen haben. Und gerade in der Champions League will sich jeder beweisen und zeigen, was er draufhat. Deswegen traue ich ihnen auch in dieser Gruppe viel zu.

Fotos: GEPA pictures

Redakteur: Markus Geisler

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