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Philipp Overhoff·27. Juli 2025
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Philipp Overhoff·27. Juli 2025
Der Fußball lebt seit jeher von Geschichten, die größer sind als das Spiel selbst. Geschichten, in denen aus einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke wird. Eine solche schreibt gerade Hannah Hampton.
Sie ist die Nummer eins im englischen Tor und steht heute im EM-Finale. Und das obwohl sie ein Handicap besitzt, das für ihre Position eigentlich ein K.o.-Kriterium sein sollte.
Denn: Sie kann keine Entfernungen einschätzen. Die 24-Jährige kam mit einer angeborenen Sehschwäche zur Welt, wurde dreimal an den Augen operiert und hat bis heute darunter zu leiden.
Für eine Torhüterin ist das in etwa so, als würde man von einer Stürmerin fordern, sie solle das Tor doch einfach mit verbundenen Augen treffen.
Die Prognosen der Ärzte waren früh eindeutig: Profisport sei für sie unmöglich. Doch Hampton wollte das nicht akzeptieren. Statt sich zurückzuziehen, entwickelte sie einen ganz eigenen Torwartstil – einen, der auf Gefühl, Timing und unbändigem Willen basiert. "Ich habe im Grunde keine Tiefenwahrnehmung", sagte sie einst im Podcast von Ex-Keeper Ben Foster. "Daher kann ich keine Entfernungen einschätzen."
Was wie ein Nachteil klingt, machte sie zu einer Ausnahmeerscheinung. Hampton musste ihren Körper neu programmieren: Sie kassierte unzählige Treffer im Gesicht, brach sich Finger, bekam blutige Nasen – und lernte daraus. „Ich musste meine Position anpassen, damit meine Hände dort sind, wo der Ball ist“, erzählte sie.
Selbst im Alltag spürt sie die Auswirkungen bis heute. Ein einfaches Glas Wasser einzuschenken wird zur Herausforderung – "wenn ich es nicht festhalte, verfehle ich es".
Doch im Kasten des englischen Meisters FC Chelsea und der Nationalmannschaft steht sie inzwischen wie eine Wand. In 22 Ligapartien spielte Hampton satte 13 Mal zu null. Wer sie beobachtet, der würde nie auf die Idee kommen, dass hier jemand mit einer angeborenen Sehschwäche zwischen den Pfosten steht.
"Es ist eine wirklich bemerkenswerte Geschichte", findet auch der ehemalige Profi-Keeper Matt Pyzdrowski. "Auf diesem Niveau geht alles so schnell. Und sie hält da einfach mit."
Bei der aktuell laufenden Europameisterschaft in der Schweiz ist Hampton zum ersten Mal Stammkeeperin bei einem großen Turnier. Mit beeindruckender Ruhe, starken Reflexen und einer Ausstrahlung, die ihrem Team Sicherheit gibt, führte sie die Lionesses direkt ins Finale.
Die Frau aus Birmingham besitzt dabei einen echten Case für die beste Torhüterin dieser EM. Nicht zuletzt im Viertelfinale gegen Schweden mauserte sie sich im Elfmeterschießen zur Heldin.
Am Sonntagabend kann Hampton ihre märchenhafte Story krönen. In der Neuauflage des WM-Finals von 2023 will sie auch die hochbegabten Spanierinnen zur Weißglut treiben und dem Mutterland des Fußballs so zum zweiten EM-Titel in Folge nach 2022 verhelfen.
Man muss also nicht perfekt sehen können, um eine ganz große Karriere hinzulegen und heute im Finale der Frauen-EM zu stehen.
📸 MIGUEL MEDINA - AFP or licensors
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