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·5. September 2025
Illertissens Erfolgstrainer Bachthaler im db24-Interview: „Diese Löwen-Mannschaft hat eine realistische Chance, in die Zweite Liga aufzusteigen“

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·5. September 2025
Holger Bachthaler ist auf Amateur-Ebene eine Koryphäe: Der 50-jährige Fußball-Lehrer macht aus wenig viel. Mit dem Regionalligisten FV Illertissen hat die Klub-Legende in den letzten vier Jahren dreimal den Toto-Pokal gewonnen – und das ist unter sein vorherrschenden Voraussetzungen eine Kunst. Jetzt plant er den nächsten großen Wurf – im Toto-Pokal-Achtelfinale gegen 1860 München (Samstag, 14 Uhr, db24-Ticker). Der Amateurklub rechnet mit einem Zuschauer-Aufkommen von bis zu 4.500 Fans für das Volksfest gegen die Löwen. Das db24-Interview:
db24: Herr Bachthaler, der FC St. Pauli hatte nach einem Triumph über den FC Bayern einst T-Shirts drucken lassen mit dem Titel „Weltpokalsiegerbesieger“- hat die FV Illertissen mittlerweile „Bayerischer Pokalschreck“ auf seinem Briefkopf?
HOLGER BACHTHALER: Das ist eine gute Idee (lacht). Das muss ich mal unserer Marketingabteilung weitergeben, aber die ist leider spärlich besetzt. Wir sind ein kleiner Verein. Aber ich bin grundsätzlich kein Freund, große Töne zu spucken. Die Realität holt einen sehr schnell ein. Wir sind doch das beste Beispiel: Nach unserem Triumph im DFB-Pokal gegen Nürnberg haben wir in der Regionalliga gegen Unterhaching und Burghausen verloren. Gut, gegen Haching war’s unglücklich, dafür gegen Burghausen sehr deutlich. Fußball ist immer Tagesgeschäft. Das wissen wir.
db24: Gegen die Löwen können Sie wieder für ein Ausrufezeichen sorgen!
Die Vorfreude auf dieses Spiel ist riesengroß. Nach der Auslosung wussten wir, dass 1860 die anspruchsvollste Aufgabe wird. Wir freuen uns auf das nächste große Fußballfest. Wir haben schon bewiesen, dass wir gerade in solchen Spielen über uns hinauswachsen können. Die Pokalhistorie spricht für uns, deswegen werden wir selbstbewusst in diese Partie gehen – und trotzdem sind wir als klarer Außenseiter in dieses Spiel, denn 1860 wird nach unserem Sieg gegen Nürnberg gewarnt und viel fokussierter sein. Ich gehe davon aus, dass die Löwen im Vergleich zum 1:1 gegen Stuttgart II durchwechseln werden.
db24: Motivieren brauchen Sie ihr Team aber nicht mehr, wenn der Löwe kommt…
Absolut richtig. Motivieren brauche ich meine Jungs nicht mehr. In diesem Bereich ist das ein Selbstläufer. Sportlich ist 1860 vom ganzen Teilnehmerfeld mit Sicherheit die größte Herausforderung, aber genau das macht es so reizvoll. Ich war am vergangenen Wochenende gegen Stuttgart II im Grünwalder Stadion: Man spürt, wie groß die Euphorie in diesem Verein ist. 1860 hat mit seinen Transfers im Sommer nicht nur in München, sondern national für Aufsehen gesorgt. Diese Löwen-Mannschaft hat eine realistische Chance, in die Zweite Liga aufzusteigen. Wichtig wird sein, dass wir im eigenen Ballbesitz mutig bleiben. Uns ist aber auch bewusst: Wir können über unsere eigenen Grenzen gehen – und trotzdem als Verlierer den Platz verlassen. Das ist uns bewusst.
db24: Illertissen könnte in die Karten spielen, dass 1860 die Art dieses Stadions eher nicht kennt…
Das kann in jedem Fall eine Rolle spielen, wenn man gewohnt ist, in einem größeren Stadion zu spielen. Da kann bei der Gast-Mannschaft schon das ein oder andere Prozent fehlen. Aber wir brauchen uns nichts vorzumachen: 1860 ist individuell besser besetzt als wir. Wir können das nur mit mannschaftlicher Geschlossenheit auffangen. Und ja, das Quäntchen Glück brauchen wir auch…
db24: Und vielleicht die besseren Elfmeter-Schützen. Hand aufs Herz: Wurde diese Disziplin schon trainiert?
In der Vergangenheit haben wir vor jedem Toto-Pokal-Spiel Elferschießen trainiert – vor dem Sieg gegen Nürnberg haben wir jedoch darauf verzichtet. Da waren wir nicht so vermessen. Aber heute Abend im Abschlusstraining gehe ich schon davon aus, dass sich jeder mal den Ball nimmt und zwei Versuche startet, um im Fall der Fälle ein besseres Gefühl zu haben.
db24: Wie bewerten Sie die Qualität der Löwen?
Eigentlich haben die Sechzger gerade dasselbe Thema wie wir: Sie sind noch nicht da, wo sie hinwollen und sich selber sehen. Nach so einem Umbruch greift noch nicht jedes Rädchen, aber das ist völlig normal. Ich wünsche Christian Werner und dem Umfeld, dass 1860 in die Zweite Liga aufsteigt. Dass die Mannschaft aber sich auch gegen Widerstände wehren kann, hat sie gegen Stuttgart gezeigt. Die Wucht in der zweiten Hälfte war schon beeindruckend.
db24: Sie standen vor einigen Jahren auch mal kurzzeitig im Fokus als möglicher Löwen-Trainer: Wie groß war Ihr Wunsch, bei 1860 einzusteigen?
Grundsätzlich ist es auch für mich erstrebenswert, bei so einem tollen Verein zu arbeiten. Ja, mein Ziel ist es, auf diesem Niveau zu arbeiten. Aber es gehören immer viele Faktoren dazu, das kann man nicht immer selbst beeinflussen. Was ich sagen kann, es fanden Gespräche mit 1860 statt. Aber jetzt trainiert Patrick Glöckner 1860 und ich Illertissen. Alles ist gut. Mehr will ich dazu nicht sagen.
db24: Sie arbeiteten auch schon für Red Bull Salzburg als U18-Trainer und beim SSV Ulm in der Regionalliga. Juckt es Sie nicht, in den großen Fußball zu klettern oder legen Sie den Schwerpunkt wieder auf den Beruf?
Ich arbeite jetzt auch wieder neben dem Fußball – ich bin im öffentlichen Dienst und Leiter der Verkehrsüberwachung im Zweckverband Illertissen. In Ulm hatte ich damals Aufbauarbeit geleistet, wir haben im DFB-Pokal mit Siegen über Eintracht Frankfurt und Erzgebirge Aue zweimal die zweite Runde erreicht. Ich habe mit Julian Nagelsmann, Alexander Blessin oder Domingo Tedesco die Fußball-Lehrer-Prüfung gemacht. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde: „Nein, mich juckt es nicht, nach oben zu gehen!“ Ich bin jetzt 50. Wer weiß, was noch kommt…
db24: Wie wird der Fußball in Illertissen eigentlich betrieben: Professionell oder auf Feierabend-Kicker-Niveau?
Weder noch: Wir betreiben das semi-professionell. Viermal Training pro Woche jeweils um 18 Uhr plus eine Vormittagseinheit für diejenigen, die nicht arbeiten. Es gibt ja viele Vereine in der Regionalliga, die unter Profibedingungen arbeiten: Bayern, Würzburg, Unterhaching oder Burghausen. Wir sagen uns: Wir müssen in der wenigen Zeit noch intensiver arbeiten. Deswegen ist es nicht hoch genug einzuschätzen, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten leisten. Wir haben nicht die Infrastruktur und Gegebenheiten, um in die Dritte Liga aufzusteigen. Als wir im vergangenen Winter Zweiter waren, haben wir die Drittliga-Lizenz nicht beantragt. Das hatte zur Folge, dass wir Spieler verloren haben und in der Rückrunde gefühlt kein Spiel mehr gewonnen haben. Das macht für mich als Trainer die Aufgabe natürlich nicht einfacher. Aber ich will nicht klagen.
db24: Und dennoch haben bei FV Illertissen die Talente die Möglichkeit, sich auf dieser Ebene zu präsentieren. Wie macht sich eigentlich Ex-Löwe Milos Cocic?
Wir sind sehr froh, dass wir Milos Cocic bei uns haben. Er ist ein sehr spielstarker Spieler. Trotzdem hat er noch das ein oder andere Thema. Die Widerstandsfähigkeit auf dem Platz ist so ein Thema. Er muss sich noch entwickeln und dann schauen, ob es reicht, in die Dritte Liga oder höher zu wechseln. Er ist jedenfalls noch nicht am Ende seiner Entwicklung. Milos hat gegen Burghausen nicht gespielt, aber morgen wird er beginnen – das kann ich schon verraten.
db24: In der Diskussion ist in Deutschland auch immer wieder, dass der Regionalliga-Meister direkt aufsteigen soll. Dadurch könnte aber die Regionalliga Bayern wackeln. Was haben Sie für eine Meinung zu diesem Thema?
Prinzipiell: Es gibt keine zwei Meinungen, der Meister muss immer aufsteigen. Wenn ich allein an Lok Leipzig denke: Die werden souverän Meister im Nordosten und scheitern dann in der Relegation. Das ist nicht fair.Ich hoffe, dass der Verband eine Regelung findet.