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·3. Juli 2024

João Palhinha wechselt wohl zum FC Bayern: Die Erlösung im Mittelfeld?

Artikelbild:João Palhinha wechselt wohl zum FC Bayern: Die Erlösung im Mittelfeld?

João Palhinha wechselt wohl zum FC Bayern München. Was sind seine Stärken und Schwächen und passt er zum Rekordmeister? Eine Analyse.

Ein verspätetes Fax, keine Spielgenehmigung, gescheiterte Medizinchecks – es gab schon viele Transfers, die aus unterschiedlich kuriosen Gründen in letzter Sekunde geplatzt sind. Darunter auch João Palhinha, der nun laut übereinstimmenden Medienberichten mit einem Jahr Verzögerung zum FC Bayern München wechselt.


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Der Portugiese hatte im Sommer 2023 seinen Medizincheck bereits absolviert, um kurz darauf zu erfahren, dass es keine Freigabe vom FC Fulham gibt. Knapp 60 Millionen Euro soll man damals bereit gewesen sein zu zahlen, hinzu wären noch knapp 10 Millionen Euro an potenziellen Bonuszahlungen gekommen. Ein teures Paket.

Auch im Jahr 2024 bezahlen die Bayern viel Geld – aber weniger als sie 2023 ausgegeben hätten. Laut Sky überweisen die Bayern 46 Millionen Euro Ablösesumme nach Fulham, die durch Bonuszahlungen noch ansteigen kann. Was der potenzielle finale Betrag ist, geht aus dem Bericht nicht hervor. Fabrizio Romano schreibt von 50 Millionen Euro und fünf Millionen Euro Boni.

Doch wie gut ist Palhinha wirklich? Wo liegen seine Stärken und Schwächen? Und ist er die erhoffte Lösung für die Mittelfeldprobleme des FCB? Miasanrot analysiert den Transfer im Detail.

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João Palhinha: Was sind seine Stärken?

Der häufigste Vergleich, der in Bezug auf Palhinha gemacht wurde und wird, ist der zu Javi Martínez. Und es gibt Gründe, warum dieser Vergleich gezogen wird. Palhinha kann sehr weiträumig und zuverlässig im Sechserraum verteidigen.

Er ist ein hervorragender Balleroberer. Unter den Mittelfeldspielern der Premier League hatte Palhinha in der Saison 2023/24 laut Scoutingstats die vierthöchste Zweikampfquote – hinter Lokonga, Lo Celso und Onana. Zweikampfquoten werden zu Recht kritisch gesehen, weil sie nicht zeigen, ob Palhinha überwiegend wichtige Zweikämpfe gewinnt, oder ob er andersherum viele Duelle verliert, die zu einem Tor führen.

Allerdings zeigt der klassische „Eye test“, dass der Mittelfeldmann sehr viele wichtige Zweikämpfe gewinnt. Quelle: Trust me bro. Aber im Ernst: Gerade bei dieser Europameisterschaft lässt sich wunderbar beobachten, wie Palhinha vor der eigenen Abwehr aufräumen kann. Immer wieder erobert er Bälle in direkten Duellen, vor allem fängt er aber auch Pässe aufmerksam ab.

Der im Rahmen des letzten Transfersommers bekannter gewordene Begriff „Holding Six“ trifft hier zu. Palhinha hält seine Position und stabilisiert das Spiel seines Teams mit Zweikämpfen, Interceptions und Klärungsaktionen. Dafür hat ihn der FC Bayern verpflichtet. Im aktuellen Kader gibt es niemanden, der das so zuverlässig spielen kann – weil es im Kader ausschließlich Achter mit mehr oder weniger Offensivambitionen und keinen einzigen Sechser gibt.

Und gerade weil dieser Artikel sehr ausführlich auf seine Schwächen eingehen wird, sei an dieser Stelle noch betont: Die Stärken gegen den Ball sind herausragend. In Sachen Zweikampfverhalten, Positionierung, Aggressivität, Balleroberung und Entscheidungsfindung beim nach vorn verteidigen macht Palhinha auf der Welt aktuell kaum ein Sechser etwas vor.

João Palhinha: Was sind seine Schwächen?

Es ist nicht oft so, dass die Rechnung bei Spielern aufgeht, dass sie gegen den Ball robust, physisch stark und zweikampfstark sind und mit dem Ball dann eher durchschnittliches Niveau zeigen. Meist entstammen solche Bewertungen aus Klischees.

Bei Palhinha muss man allerdings konstatieren, dass seine Qualitäten mit dem Ball am Fuß eher überschaubar sind. Das beginnt damit, dass er im Freilaufverhalten nicht wirklich aktiv ist. Weder nimmt er Tempo auf, um sich von seinen Gegenspielern zu lösen, noch ist er darum bemüht, seinen Mitspielern möglichst oft eine weitere Anspielstation zu bieten.

Vermutlich hat das auch damit zu tun, dass die Trainer ihn bewusst überspielen lassen. Beim FC Fulham ist das kaum tragisch. Die Engländer hatten in der Premier League durchschnittlich 50,3 Prozent Ballbesitz, fokussieren sich nicht allzu sehr auf kleinteilige Spielgestaltung im Mittelfeld. Etwas anders ist das bei Portugal. Die Portugiesen haben bei der EM 2024 mit 68,5 Prozent den mit Abstand höchsten Ballbesitzwert.

Man sollte meinen, dass sie mit Spielern wie Vitinha, Bernardo Silva, Bruno Fernandes oder João Cancelo gut genug aufgestellt sind, um den Ball sinnvoll in das zweite und in das letzte Drittel zu bekommen. Und doch gibt es vereinzelt Situationen, in denen Palhinha die Vorwärtsbewegung eher ausbremst, weil er eine falsche Entscheidung trifft oder er sich gar nicht erst anbietet.

EM 2024 zeigt Palhinhas Schwächen

Ein Beispiel vom Achtelfinale der Portugiesen gegen Slowenien: Portugal baut das Spiel recht gemächlich auf. Palhinha bietet allerdings auch keine Option an, das Tempo zu erhöhen. Während der Ball durch die Dreierkette läuft, bleibt der Sechser stets im Deckungsschatten. Portugal verlagert das Spiel langsam und behäbig auf die rechte Seite, verliert dort den Ball, kann ihn aber sofort zurückerobern und baut wieder neu auf.

Artikelbild:João Palhinha wechselt wohl zum FC Bayern: Die Erlösung im Mittelfeld?

Palhinha trabt weiter über den Platz, bietet sich nicht an und Portugal verlagert kleinteilig auf den linken Flügel. Kein Ballverlust, aber auch kein Durchkommen. Wieder baut man neu auf, bis Pepe die Geduld verliert und einen langen Diagonalball spielt. Seitenaus. Slowenien hat Einwurf. Über 30 Sekunden Spielaufbau und der Sechser hat sich weder durch Aufziehen von Räumen, noch durch aktives Angebot oder auch nur einen Ballkontakt beteiligt.

Taktisch kann ein solcher Spieler auch in einem ballbesitzorientierten Team gut eingebunden werden, ohne zu viel Verantwortung im Spielaufbau zu übernehmen. Dann geht es eher darum, sich schon in Ballbesitz so zu positionieren, dass er sofort eine gute Defensivaktion bei einem Ballverlust hat – auch wenn er dadurch nicht anspielbar ist. Nur gelingt das auch bei den Bayern?

FC Bayern München: Wie gut passt João Palhinha rein?

Anhand der skizzierten Schwächen lässt sich auch der Unterschied zu Martínez erklären. Der Baske war einst ein passabler Aufbauspieler, hat sich nicht versteckt und konnte kleine Problemstellungen im Zentrum clever lösen. Kein Taktgeber, aber auch keiner, der das Spiel ausgebremst hat.

Ob Palhinha in diese Kategorie aufsteigen kann, ist fraglich. Am 9. Juli wird er 29, die wenigsten Spieler machen in diesem Alter noch große Sprünge. Und doch ist der Wechsel zum FC Bayern seine große Chance, an den Schwächen zu arbeiten und mit besseren Mitspielern eventuell noch einen kleinen Satz nach oben zu machen.

Das Problem in München ist aber, dass es bereits an technischer Qualität im Spielaufbau mangelt. Sei es in der Innenverteidigung oder im zentralen Mittelfeld, die Bayern hatten immer Probleme, wenn ein Gegner das Zentrum clever zugestellt hat oder es sich gar erlaubte, den großen FCB mit hohem Pressing unter Druck zu setzen.

Hier könnte Palhinha mehr Problem als Lösung sein. Denn um auf einen Mittelfeldspieler im Aufbau verzichten zu können braucht man im Idealfall mindestens einen herausragenden Aufbauspieler in der Innenverteidigung und einen neben dem Abräumer auf der Sechs oder Acht.

Pavlović, Kimmich, Ito – wer entlastet Palhinha?

Bei den Bayern gibt es durchaus Spieler im Mittelfeld, die das auf dem Papier leisten könnten. Aleksandar Pavlović hat bewiesen, dass er ein guter Taktgeber sein kann. Seine Spielweise ähnelt etwas der von Toni Kroos, der aktuell beim DFB-Team zeigt, dass er neben einem Abräumer wie Robert Andrich sehr wichtig ist.

Pavlović ist aber erst 20. Die Erwartungshaltung an ihn ist riesig und es war für ihn fast schon einfach, in einer nicht optimal funktionierenden Bayern-Mannschaft herauszuragen. Das in einer zweiten Saison zu bestätigen und die notwendige Leistungssteigerung oben drauf zu legen, wird nicht leicht. Junge Spieler fallen dann gern mal in ein kurzzeitiges Loch.

Joshua Kimmich kassierte viel Kritik, ist aber nach wie vor der beste Mittelfeldspieler des FC Bayern, wenn es um Spielgestaltung und Passspiel geht. Er wäre die aktuell beste Lösung neben Palhinha. Gleichwohl läuft sein Vertrag 2025 aus und nachdem er sich in einer ZDF-Doku kritisch über die Rückendeckung des Clubs geäußert hatte, ist ein Wechsel nicht mehr undenkbar.

In der Innenverteidigung ist die Situation noch schwieriger. Dort ist Dayot Upamecano der beste Aufbauspieler. Der Franzose hat aber Probleme damit, seine Leistungen konstant zu zeigen, könnte deshalb entweder als Bankspieler in die neue Saison gehen oder gar noch verkauft werden. Neuzugang Hiroki Ito ist ein guter Aufbauspieler. Aber auch sehr gut? Der Schritt zum FC Bayern ist ein großer.

Jonathan Tah, den die Bayern laut Gerüchten verpflichten wollen, ist hingegen gar keine Option für eine Rolle mit riskantem Spielaufbau. Der Leverkusener spielt nahezu alle seine Pässe quer, zurück oder auf kurzer Distanz zurückhaltend nach vorn. Seine Qualitäten liegen woanders.

João Palhinha: Die Herausforderung der Einbindung beim FC Bayern

Es wird also eine Herausforderung für Vincent Kompany, Palhinha beim FC Bayern gewinnbringend einzubinden. Schaut man auf seine defensiven Fähigkeiten, wird schnell klar, warum die Münchner ihn verpflichtet haben. Seine Schwächen in Ballbesitz lösen jedoch Zweifel aus, ob er genug ist, um alle Probleme lösen zu können.

Nichtsdestotrotz ist es die richtige Entscheidung des FC Bayern, einen Spieler zu verpflichten, der dem Kader eine andere Note gibt. Einen, der der Offensive Rückendeckung geben kann. Preislich ist das Risiko zwar gesunken, aber nicht gänzlich. 50 Millionen Euro sind viel Geld für einen Spieler, der zwar ein sehr klares Profil mitbringt, aber keine Komplettlösung darstellt. Im Kontext des berühmten Festgeldkontos ist es dennoch keine Summe, die den Druck ins Unermessliche steigen lässt.

Und wer weiß? Vielleicht findet Kompany gemeinsam mit seinem Trainerteam eine Lösung, um Palhinha so einzubinden, dass seine Schwächen nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. Viel mehr überrascht da schon, dass die neue sportliche Leitung um Christoph Freund und Max Eberl einen Spieler holt, der demnächst 29 wird. Vor dem Hintergrund, dass mit Tah ein 28-Jähriger kommen soll und viel von einer Verjüngung des Kaders geschrieben und erzielt wurde, ist das verwunderlich.

Palhinhas Weg beim FC Bayern ist nicht vorgezeichnet. Dennoch ist es ihm zuzutrauen, dass er seinen Platz im Mittelfeld findet. Ohnehin wird viel mehr davon abhängen, ob Kompany die richtigen Puzzleteile findet, um dem FCB wieder eine Identität zu verleihen. Es gibt Szenarien, in denen Palhinha da eine entscheidende Rolle spielen kann.

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