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Dominik Berger·17. Juli 2020

Kommentar: Schürrles Rücktritt ist eine Warnung ans Fußballgeschäft

Artikelbild:Kommentar: Schürrles Rücktritt ist eine Warnung ans Fußballgeschäft

Am heutigen Freitag machte die Nachricht schnell die Runde: Andre Schürrle beendet seine Karriere mit sofortiger Wirkung, mit 29. Wie sich im Nachhinein herausstellt, vielleicht im für ihn genau richtigen Moment.

113. Minute am 13. Juli 2014. Verlängerung im WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien. Der 23-jährige Andre Schürrle setzt zum Sprint an, wird von seinen Füßen bis kurz vor die Grundlinie getragen und tritt eine Flanke. Über viele, mittlerweile sehr leergepumpte argentinische Köpfe fliegt der goldene Ball hinweg und landet auf der Brust von Mario Götze. Der Rest ist vielfach erzählte deutsche WM-Geschichte.


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„Man muss ja immer eine gewisse Rolle spielen, um in dem Business zu überleben, sonst verlierst du deinen Job und bekommst auch keinen neuen mehr“, sagte der Weltmeister von 2014 im ‚Spiegel‘-Interview. Erst am Mittwoch löste Borussia Dortmund den Vertrag mit dem Spieler im „gemeinsamen Einvernehmen“ auf, wie es so schön heißt. Für den BVB war es das endgültige Eingeständnis eines Fehlkaufs, für Schürrle muss dieser Schritt einer Erlösung gleichgekommen sein.

„Wenn es im Verein nicht gut läuft, und du spielst einen Riesenmist, dann traust du dich nicht, durch die Stadt zu laufen“, gibt Schürrle über seine Profizeit Auskunft. Dass es nach einer schlechten Leistung auch mal Kritik gibt, sollte ihm als Fußballprofi klar gewesen sein. Doch was sagt das über „die Stadt“ aus, wenn es auf einen Einzelnen dermaßen einprasselt, dass sich dieser in einer stetigen Abwärtsspirale befindet und letztendlich nur noch froh ist, aus dem Fußballgeschäft aussteigen zu können?

Den lächelnden Sonnyboy Andre Schürrle bekam die Öffentlichkeit seit dem WM-Triumph immer seltener zu sehen. Ähnlich wie beim anderen WM-Helden Mario Götze wurde der Erfolg in diesem vergleichsweise frühen Karrierestadium auf Sicht eher zu einem Fluch. Aber was soll fußballerisch nach dem Gewinn einer Weltmeisterschaft auch noch kommen? So gesehen müssen die alten Recken um Philipp Lahm oder Per Mertesacker regelrecht froh gewesen sein, zur richtigen Zeit abtreten zu können.

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Schürrles Karriere war oft ein einziges Versprechen. Einer, der mit seinem Antritt ganze Abwehrreihen durcheinander wirbeln konnte – an guten Tagen. An schlechten Tagen aber auch mit der Mannschaft gemeinsam unterging, kein Lautsprecher nach außen war oder einer, an dem sich die anderen Mitspieler hochziehen konnten. Der FC Chelsea sah in Schürrle 2013 dennoch eine Menge Potenzial und lotste ihn an die Stamford Bridge. Zum endgültigen Stammspieler sollte es nicht reichen. Es wurde zur Blaupause seiner Karriere.

Denn auch bei den folgenden Stationen wie dem VfL Wolfsburg, Borussia Dortmund, dem FC Fulham und selbst am Ende Spartak Moskau blieb Schürrle vor allem eins: ein Versprechen. Einer, der es doch eigentlich konnte. Der mit dem BVB gegen Real Madrid mit dem schwachen Fuß zum 2:2 per Lattenknaller ausgleicht. Aber auch derjenige, der gemeinsam mit der Mannschaft zuhause in der Europa League sang- und klanglos gegen den Underdog aus Salzburg untergeht.

So wurde auch Andre Schürrle in einer schwierigen Phase beim BVB zum Gesicht der Dortmunder Krise unter Peter Bosz. Passend dazu hatte der BVB auch noch Mario Götze zurückgeholt, der genau wie Schürrle ein Versprechen bleiben sollte. Waren es diese Zeiten, in denen sich Schürrle nicht mehr auf die Straße traute? Aus Angst vor noch mehr Kritik, die nicht nur im Internet, sondern auch auf offener Straße auf ihn wartete? Manches bleibt unausgesprochen, die gewährten Einblicke sind dennoch aufschlussreich.

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Schürrles Seelenleben hatte wenig mit der oft glorifizierten Parallelwelt eines verwöhnten Fußballmillionärs gemein, der sich innerhalb seiner Fußballblase pro Monat eine weitere Million auf sein Bankkonto scheffelt und mit teurem Sportwagen von Training zum Spiel und wieder zurück gondelt. Hier scheint einer zu sprechen, der den unwahrscheinlichen Druck eines Geschäfts nicht mehr mitmachen wollte und es leid war, sich nicht mehr frei fühlen zu können.

Es sind zum Teil erschreckende Aussagen, wenn selbst einer, der in der Fußballwelt zwischenzeitlich ganz oben angekommen war, davon berichtet, wie seine Persönlichkeit, wie der Mensch Andre Schürrle hinter der Fassade des Profifußballers Andre Schürrle mehr und mehr verkümmerte. „Ich habe mich wirklich sehr lange nur als Fußballer gesehen“, so Schürrle im ‚Spiegel‘.

Solche Aussagen erinnern an andere tragische Geschichten, die sich im deutschen Profifußball bereits zugetragen haben und als Warnung an uns Fußballfans verstanden werden sollten. Am Ende des Tages ist Fußball nur ein Spiel.