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·4. Februar 2025

Kommentar zur Frohms-Degradierung in Wolfsburg: Ein Beigeschmack bleibt

Artikelbild:Kommentar zur Frohms-Degradierung in Wolfsburg: Ein Beigeschmack bleibt

"Nullkommanull", sagte Tommy Stroot, habe die Degradierung von Merle Frohms zur Wolfsburger Nummer Zwei im Tor, mit ihrem zuletzt publik gewordenen Abschied im Sommer 2025 zu tun. Nullkommanull, nicht mal ein kleines Prozentchen, keine mickrige Nachkommastelle, nein, gar kein Zusammenhang.

Tommy Stroot betonte die Nullkommanull nicht aus besonderem mathematischem Interesse an der wichtigsten Zahl überhaupt, sondern aus einer reinen Notwendigkeit heraus. Denn der Zufall, das wird wohl auch der Wolfsburger Trainer zugeben, ist kein kleiner. In der Winterpause entscheidet sich Merle Frohms zu einem Wechsel, der Klub muss zähneknirschend ihren Abgang hinnehmen. Und jetzt findet sie sich im ersten Spiel der Frauen-Bundesliga seit dieser Ankündigung, gegen Jena, auf der Bank wieder. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Falls Frohms nicht noch im Winter wechselt, scheint eine bestimmte Erklärung nahezuliegen.


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Nun hatte Stroot natürlich einige gute Argumente für den Wechsel dabei, und lobte die neue Nummer Eins, Anneke Borbe: "Mit ihrer Art und Weise wie sie auftritt, ihrer Körpergröße und ihrem Verhalten bei Flanken hat sie die Nase vorn." Die Strafraumbeherrschung war tatsächlich ein Punkt, bei dem Merle Frohms nicht immer brillieren konnte.

Und doch wirkt der plötzliche Wechsel im Kasten kurios, vor allem wegen der fehlenden Notwendigkeit. Frohms gab in der Hinrunde keinen Anlass, sie zu ersetzen. Sie ließ keineswegs reihenweise Bälle durch ihre Handschuhe flutschen, sie zeigte sich weiter souverän mit dem Ball am Fuß. Frohms fiel nicht mit den größten Heldentaten auf. Aber wechselt man deshalb wirklich die Torhüterin?

Natürlich besteht kein Zweifel an dem Potenzial von Borbe: Während ihrer Jahre in Bremen etablierte sie sich als eine der interessantesten jungen Torhüterinnen, fischte mit ihren langen Armen so einige Bälle aus dem Winkel. Nicht wenige erwarteten bei ihrem Wechsel, dass sie Frohms ernsthafte Konkurrenz machen würde. Ganz unplausibel wäre es also nicht, dass sie ihrer Kollegin den Rang abläuft.

Bizarr wirkt der Wechsel aber, weil Anneke Borbe bisher nicht mal die Nummer Zwei im Tor des VfL war. Gleich zwei Ränge galoppierte sie in der internen Rangordnung nach vorne: Bisher war es Lisa Schmitz, die 32-jährige Routinierin, die Frohms bei Krankheit vertrat - und das auch ordentlich tat. Borbe lief erst zweimal für das erste Team der Wölfinnen auf, und keine Äußerung von Stroot ließ bisher darauf schließen, dass ein Konkurrenzkampf eröffnet wurde.

Vielleicht fand Borbe im Winter-Trainingslager so richtig zu sich, vielleicht blühte sie unter der portugiesischen Luft so richtig auf. Zuzutrauen wäre es ihr durchaus. Aber ein Geschmäckle bleibt doch: Ist dieser Wechsel wirklich nur sportlich bedingt? Gerade für Borbe selbst ist es ärgerlich, dass sie sich nun mit dem impliziten Vorwurf herumschlagen muss, sie habe sich ihren Platz nicht richtig erkämpft. Das wünscht sich keine Torhüterin.

So ist die Entscheidung des VfL Wolfsburg zum Torhüterinnen-Wechsel mindestens unglücklich und vielleicht sogar kindisch. Wenn Borbe tatsächlich das Trainerteam so sehr überzeugen konnte, dann fehlte es schlicht an Transparenz. So schnell passiert eine Leistungsexplosion doch selten, und wenigstens der Platz auf der Bank in einigen Bundesligaspielen - den stattdessen Lisa Schmitz innehatte - wäre dann logisch gewesen. Das Timing des Wechsels führt nun zu Diskussionen, die sich keine der Beteiligten wünschen kann.

Falls hinter der neuen Hierarchie im Tor aber andere Motive stehen, dann wirkt das nicht nur unglücklich, sondern sogar etwas kindisch. Neu ist das zwar im Fußballkosmos nicht, dass ein Wechsel mit einem Bankplatz quittiert wird, aber sinnvoll auch nicht. Wenn du weg willst, na gut, aber dann spiel ich nicht mehr mit dir! Ein bisschen klingt das nach Kindergarten-Logik.

Und wofür? Wenn Frohms den Klub noch bis zum Sommer hingehalten hätte, dann wäre sie in diesem Szenario noch Stammspielerin. Der VfL hätte dann wohl alles getan, um sie zu halten, Platz im Tor inklusive. Wäre sie dann im Sommer gewechselt, dann stände der Verein noch schlechter da, wegen Zeitdruck bei der Suche nach einer Nachfolgerin. In dem Sinne müsste der Verein eigentlich dankbar sein, dass die Zukunft von Frohms geklärt ist.

Dass tatsächlich andere Beweggründe als nur sportliche eine Rolle gespielt haben, ist keineswegs sicher. Aber Frohms wird sich über die Kommunikation nicht nur ein bisschen ärgern - denn falls sie bisher keinen neuen Klub gefunden hat, steht sie nun nicht besser da.

Wieder einmal gibt der VfL kein Bild dabei ab, wenn es darum geht, seine Spielerinnen öffentlich gut zu präsentieren. Schon die öffentliche Kritik von Sportdirektor Ralf Kellermann an Jule Brand im Jahr 2023 gab das Bild eines Klubs ab, der seine Spielerinnen nicht mit Samthandschuhen anfasst. Wolfsburg betont gerne den Leistungsgedanken, und natürlich darf ein Klub von seinen Mitarbeiterinnen fordern, alles zu geben.

Aber eine Wohlfühlatmosphäre wird durch solche Aktionen nicht zwangsläufig vermittelt. Und das ist ein Punkt, der Spielerinnen bei der Wahl von Vereinen sicher nicht unwichtig ist. Viele von ihnen werden sicherlich die Ohren spitzen, falls Frohms in einiger Zeit mal die Vorgänge in Wolfsburg im Winter 2025 Revue passieren lässt.

In jedem Fall ist auch Borbe nun in einer schwierigen Situation: Sie muss sich jetzt beweisen. Falls die 24-Jährige sich in der Rückrunde Patzer leistet, dann wird die Debatte wieder hochkochen: Warum genau steht Frohms nicht mehr im Tor? Dass das passieren würde, ist sehr sicher. Hundert Komma Null Prozent sicher sogar.

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