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·12. Oktober 2025
Nagelsmanns WM-Mission: Zwischen Aufbruch und Titanic-Gefahr

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·12. Oktober 2025
Das „Oktoberfest“ in Belfast wirbt mit bayerischem Bier und freiem Eintritt für Gäste in Lederhosen oder „Heidi Dress“, doch Julian Nagelsmann hat keine Zeit für Heimatgefühle. „Wir müssen das Spiel gewinnen“, sagte der Bundestrainer, „das steht über allem.“ Nicht auszudenken, wenn die deutsche Nationalmannschaft an der Wiege der Titanic den nächsten Schiffbruch erleidet.
Dort, warnte Nagelsmann, warte am Montag (20.45 Uhr/RTL) in der WM-Qualifikation gegen Nordirland „eine andere Hausnummer“ als beim befreienden 4:0 (2:0) gegen Luxemburg. Nämlich ein von Nagelsmann höchstpersönlich, wenn auch unfreiwillig heiß gemachter Gegner, der nach dem Sieg gegen den DFB-Schreck Slowakei (2:0) vom „Wunder vom Windsor Park“ träumt.
Doch nach dem überzeugenden Pflichtsieg mit „Gier und Galligkeit“ sowie den „Super-Bayern“ Joshua Kimmich und Serge Gnabry als echten Anführern reiste die DFB-Auswahl voller Zuversicht auf die grüne Insel. Tabellenführung in der Gruppe A, zufriedene Fans – Nagelsmann hatte dafür gute Gründe. Also zurücklehnen auf dem Flug mit der U21-Auswahl ab Nürnberg? Von wegen! Dass Nagelsmann bei manchen Themen etwas dünnhäutig reagierte, verriet seine Anspannung.
Kein Wunder: Ein weiterer Patzer gegen die „Boys in Green & White“ nach der Blamage von Bratislava (0:2) genügt, und das direkte WM-Ticket wäre aus eigener Kraft nicht mehr zu holen. Das Horrorszenario, dass Deutschland eine Endrunde erstmals sportlich verpasst, stünde plötzlich wieder wie ein Menetekel am Horizont – auch wenn der „Notausgang“ über die Play-offs offen bliebe.
Und so steht Nagelsmann vor der Frage, wie sich die vielfach zitierte „Herangehensweise“ vom vergangenen Freitag konservieren lässt. Zunächst verbot er seinen Stars den Blick auf die Tabelle, in der die DFB-Elf mit sechs Punkten gleichauf mit den Nordiren und Slowaken auf Rang eins liegt. Da hinzuschauen sei „nicht immer ratsam“. Das lenke nur ab.
Stattdessen forderte Nagelsmann für das Gastspiel vor „frenetischen“ Nordiren: „Da müssen wir auf jeden Fall eine Schippe drauflegen und die Lust auf Gegenpressing mitnehmen, aufs gemeinschaftliche Verteidigen.“
Ein Anfang wurde in Sinsheim gemacht – auch, weil Nagelsmann an den richtigen Schrauben drehte. Als „Führungsperson“ müsse er Entscheidungen treffen, sagte der Bundestrainer, „das habe ich gemacht“. So zog er Kapitän Joshua Kimmich wieder nach rechts hinten – auf die Gefahr hin, dass ihm das als „Rolle rückwärts von der Rolle rückwärts“ ausgelegt werden würde.
In der hybriden Rolle als „rechter Sechser“, der immer wieder in die Mitte zog, zeigte Kimmich eines seiner besten Länderspiele – erster Doppelpack inklusive. Dabei liege seine beste Position doch „im Tor“, scherzte der Münchner. Tatsächlich sei es ihm „komplett egal“, wo Nagelsmann ihn hinstelle. Wo das künftig sein wird? Der Bundestrainer will sich da nicht mehr festlegen.
Das tut er in Abwesenheit vieler Stammkräfte auf anderen Planstellen. Mit Oliver Baumann im Tor, trotz der nervigen Dauerdebatte um eine mögliche Rückkehr von Manuel Neuer. Beim linken „Energiegeber“ David Raum. Mit dem eleganten ersten Spielgestalter Nico Schlotterbeck im Abwehrzentrum. Auf ein harmonierendes Münchner Sechser-Duo mit Aleksandar Pavlovic und Leon Goretzka. Und auf eine Vierer-Offensive mit „Vorbildspieler“ Gnabry.
Die unliebsamen Diskussionen über Florian Wirtz und Nick Woltemade moderierte Nagelsmann schroff ab. Sein „Doppel-W“ müsse „dran bleiben“, dann platze der Knoten.
Überhaupt gelte: Wenn die „Prinzipien“ Wille und Einsatzbereitschaft stimmten, sei der Gegner „egal“. Ob Luxemburg oder Nordirland, ob Spanien oder Argentinien.
„Es ist sehr wichtig, dass wir innerhalb der Truppe verstehen, dass wir eine Mannschaft sind“, sagte Kimmich und betonte: „Das muss unser Trumpf sein!“