
Rund um den Brustring
·6. Juni 2025
Neu im Brustring: Lorenz Assignon

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·6. Juni 2025
Der erste Neuzugang für die neue Saison kommt mal wieder aus Frankreich. Gleichzeitig will sich der VfB mit Rechtsverteidiger Lorenz Assignon von Stade Rennais auf einer neuralgischen Position verstärken.
Ich weiß nicht, ob sich Lorenz Assignon Ende Januar das Debakel des VfB gegen Paris St. Germain in der Champions League angeschaut hat. Er wird jedenfalls mit seinem zukünftigen (Noch?)Mannschaftskollegen Josha Vagnoman mitgefühlt haben, denn mit Stade Rennais muss er gleich zwei Mal pro Saison gegen Bradley Barcola und PSG antreten — und der traf natürlich auch in beiden Spielen gegen den Verein aus der Bretagne. Auch wenn der DFB-Pokal-Sieger in der kommenden Saison nicht auf den Champions League-Sieger treffen kann, hat Assignon dann die Chance, es gegen andere Gegner etwas besser zu machen als Vagnomen, denn heute hat er beim VfB einen Vertrag bis 2029 unterschrieben. Dem Vernehmen nach für eine Ablöse von etwa 11 Millionen, was ihn mit Ozan Kabak zu einem der teuersten Verteidiger der VfB-Geschichte macht.
Der Bedarf nach Verstärkung auf der rechten Außenbahn besteht beim VfB auf jeden Fall. Mal abgesehen von rechtsfüßigen Innenverteidigern, die zur Not dort aushelfen können, hat der derzeit verletzte Leonidas Stergiou keine starke Konkurrenz: Josha Vagnoman hat immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen und konnte in der abgelaufenen Saison seine Offensivstärke nur zu selten zeigen, während er sich defensiv immer wieder Unkonzentriertheiten leistete. Pascal Stenzel mag ein Fußballgott sein, geht aber wie Vagnoman in sein letztes Vertragsjahr und hätte gegen Barcola oder andere schnelle Außenstürmer noch weniger Land gesehen. Im vergangenen Winter reagierte Fabian Wohlgemuth auf den überraschenden Abgang von Anthony Rouault mit der Verpflichtung von Finn Jeltsch und Luca Jaquez — jetzt legt er auf der rechten Außenbahn nach.
Um mehr über Lorenz Assigon zu erfahren haben wir uns erneut in Rennes bei SRFC-Fan Timéo Richard umgehört. Außerdem sprachen wir mit dem Twitter-Account @TheBurnleyWay — den ich aus Gründen der Lesbarkeit von hier an TBW nennen werde — über Assignons halbjährige Leihe zum damaligen Premier-League-Auf- und späteren wieder Absteiger Burnley FC.
Vater Komlan Assignon beim Africa Cup 2000 für Togo am Ball, ein halbes Jahr vor Lorenz Assignons Geburt. © Ben Radford /Allsport
Lorenz Assignon wurde am 22. Juni 2000 im südfranzösischen Grasse an der Mittelmeerküste geboren, machte aber seine ersten Schritte als Fußballer bei Stade poitevin FC in Poitiers im Westen Frankreichs. Dass hat vermutlich auch damit zu tun, dass sein Vater, Komlan Assignon, neun Jahre lang bis zum Jahr 2000 bei der AS Cannes spielte und wenige Jahre später seine Karriere bei Stade poitevin ausklingen ließ. Komlan Assignon bestritt 20 Länderspiele für Togo, sein Sohn hat sowohl die togolesische, als auch die französische Staatsbürgerschaft. Lorenz Assignon kam mit 15 Jahren dann in den Nachwuchs von Stade Rennais, wo er im Frühjahr 2019 sowohl für die U19, also auch für die zweite Mannschaft in der fünftklassigen National 3 debütierte. Timéo zufolge holte Assignon vor allem in der U18 körperlich gegenüber seinen Mitspielern stark auf. Für die U19 stand er im Finale um die A‑Jugend-Meisterschaft gegen Montpellier 90 Minuten auf dem Platz, als sich Stade Rennais zum U19-Meister krönte. In der Folgesaison kam er bereits auf auf 16 Spiele für Stade Rennais B, bevor die Saison wegen Corona abgebrochen wurde, außerdem sammelte mit der U19 in der Youth League erste internationale Erfahrungen, beim Ausscheiden im Achtelfinale gegen Inter trug er sogar die Kapitänsbinde.
Die U19-Meisterschaft fand in den beiden folgenden Jahren pandemiebedingt nicht statt, Assignon rückte indes in den Ligue 1‑Kader auf, kam aber weder dort, noch in der Champions League, für die sich Rennes als Tabellendritter qualifiziert hatte, zum Einsatz. Timéo erklärt, dass damals Sacha Boey (heute Bayern München) und Brandon Soppy (heute Atalanta) als Backup für Stammspieler Hamari Traoré vor ihm in der Rangordnung standen. Für die zweite Mannschaft lief er immerhin drei Mal als Kapitän auf. Generell hatte Rennes in jener Saison ein namhaftes Team, neben Terrier, Raphinha, Rutter, Camavinga und Jérémy Doku spielte dort damals auch ein gewisser Serhou Guirassy im Sturm. Anfang 2021 wurde Assignon deshalb für die Rückrunde an den Drittligisten SC Bastia verliehen. Auf Korsika wurde er auf Anhieb zum Stammspieler und stieg mit Bastia in die Ligue 2 auf.
Nach seiner Rückkehr nach Rennes war der Platz hinter Kapitän und Führungsspieler Traoré auf der rechten Außenbahn durch die Verkäufe von Soppy und Boey frei geworden, so dass Assignon am fünften Spieltag der Saison 2021/22 bei der 0:2‑Heimniederlage gegen Stade Reims sein Ligue 1‑Debüt feierte. Während Traoré Anfang 2022 als Kapitän der malischen Nationalmannschaft mit unter anderem El Bilal Touré beim Africa Cup weilte, kam Assignon auch zu Startelfeinsätzen, abgesehen davon kam er in dieser Saison, die Rennes als Vierter beendete, meistens spät in die Partie. Außerdem kam er drei Mal in der Conference League zum Einsatz, in der der Verein im Achtelfinale gegen Leicester City rausflog.
Ähnlich überschaubar blieben seine Einsätze zunächst in der Spielzeit 2022/2023, wobei er in der Gruppenphase der Europa League häufiger in der Startelf stand und gegen Larnaka auch ein sehenswertes Tor erzielte:
🏅 Lorenz Assignon's acrobatic finish is your #UEL Goal of the Tournament ⚽️👏 #UELGOTT || @Heineken–
Dass er diesem nicht weitere folgen lassen konnte, war nicht nur der Tatsache geschuldet, dass Rennes in der Zwischenrunde nach Elfmeterschießen gegen Donezk ausschied, sondern auch, dass er sich beim Pokalaus in Marseille Ende Januar 2023 das Kreuzband riss und drei Monate ausfiel. Nach eigener Aussage spürte er direkt nach seiner Einwechslung in der 78. Minute einen Stich im Knie, kurz darauf riss das Band bei einem Sturz aufs Knie — Assignon spielte die Partie dennoch zu Ende. Laut Timéo kam die Verletzung zur Unzeit, weil Assignon gerade besser in Form gekommen war. Im Saionendspurt schob sich Stade Rennais, auch mit einigen Kurzeinsätzen von Assignon, erneut auf Platz 4.
Nach dem Abgang von Hamari Traoré zu San Sebastian avancierte Assignon zum Stammspieler auf der rechten Seite. Zumindest bis im November Julian Stéphan nach Rennes zurückkehrte, der den Verein bereits von 2018 bis 2021 trainiert hatte und während Assignons Leihe nach Bastia verlassen hatte. Assignon und Stéphan verstanden sich nicht. Zudem gelang, wie Timéo erklärt, Guéla Doué, dem Bruder von PSG-Star Désiré, zu diesem Zeitpunkt der Durchbruch. Zudem verpflichtete der Verein Anfang 2024 Alidu Seidu für elf Millionen Euro von Clermont Foot. Angesichts dessen ließ sich Assignon ein zweites Mal ausleihen, dieses Mal zum Burnley FC, der nach dem Aufstieg im Sommer zuvor nun um den Klassenerhalt in der Premier League kämpfte. Glücklich waren die Rennes-Fans nicht darüber, erklärt uns Timéo, auch weil die Leihe eine Kaufoption beinhaltete.
Assignon bei Burnley. © Matt McNulty/Getty Images
In Burnley war man zunächst skeptisch, weil die Clarets eigentlich einen Linksverteidiger viel dringender benötigt hätten. Burnley musste im Abstiegskampf jedoch seine Abwehr stabilisieren und lieh neben Assigin noch Maxime Estève aus Montpellier aus. Nach einem Assist im ersten Spiel, einem 2:2 gegen Fulham, sei man aber schnell von ihm überzeugt gewesen, erklärt TBW. Für Burnley ging es am Saisonende trotzdem wieder runter in die Championship, Assignon bestritt aber bis auf eine gelb-rot-Sperre jedes Spiel und erzielte beim 4:1 beim Tabellennachbarn und späteren Mitabsteiger Sheffield United sogar ein Tor und bereitete eins vor. Auch abseits davon habe er der Mannschaft mehr Stabilität und Balance verliehen, erklärt unser Burnley-Experte, weil sich Linksverteidiger Charlie Taylor, der zuvor Probleme hatte, sich an die Premier League anzupassen, nun mehr auf die Defensive konzentrieren konnte, während Assignon offensiver agierte. Assignon, so TWB, habe neben den anderen Winterneuzugängen die Mannschaft deutlich verbessert und sei einer der kreativsten Spieler in dieser Phase gewesen.
In Burnley traf Assignon unter Trainer Vincent Kompany übrigens auch auf, ihr werdet es erraten haben, Ameen Al-Dakhil und Jacob Bruun Larsen, seine neuen Teamkollegen beim VfB. TBW schätzt ihn als stärker ein als die beiden, wobei Al-Dakhil in der zweiten Liga besser performt habe. Die von Rennes-Fans gefürchtete Kaufoption lag allerdings bei acht Millionen Euro, was Burnley angesichts des Abstiegs ähnlich wie bei Bruun Larsen zu viel Geld war. TWB meint allerdings, im Nachhinein fände er, dass Burnley die Kaufoption hätte ziehen sollen. Zu Beginn der vergangenen Saison kehrte er jedoch nach Frankreich zurück.
Assignon in Rennes © Tony Marshall/Getty Images
Rennes hatte die Spielzeit während seiner Abwesenheit auf Platz 10 beendet, in dieser Saison steckte der Verein auch lange im Abstiegskampf, was den Wechsel Anthony Rouaults für viele VfB-Fans umso verwunderlicher machte. Timéo führt das auf verschiedene Trainerwechsel zurück — seit Stéphan hatte der Verein drei weitere Trainer — sowie auf eine falsche Transferpolitik, weg von einem Ausbildungsverein, hin zu einem Kader mit teuren Verträgen ohne die entsprechenden Leistungen. Assignon etablierte sich aber in der letzten Spielzeit endgültig als Stammspieler auf der rechten Außenbahn, auch wenn er unter dem aktuellen Trainer Habib Beye in der Rückrunde als Wingback vor einer Dreierkette auflief und damit laut Timéo leichte Probleme hatte. Vor einem Rechtsverteidiger Anthony Rouault übrigens, der Timéo zufolge zwar die Mannschaft in der Rückrunde stabilisiert habe, für eine endgültige Bewertung will unser Experte aber noch die kommende Spielzeit abwarten.
Timéo sieht ihn auch nicht unbedingt als Wingback, aber dennoch als offensiven Außenverteidiger, während TBW ihn, zumindest als er in Burnley spielte, als klassischen Wingback bezeichnet. Dementsprechend sehen unsere Experten seine Stärken auch und vor allem in der Offensive: Assignon sei schnell und explosiv und trage den Ball häufig über Dribblings von der Seite in die gegnerische Hälfte. Timéo hebt auch dessen Einsatzbereitschaft hervor. Unser Burnley-Experte lobt seine Flanken, während er in Rennes dort noch Verbesserungspotenzial zeigte. Defensiv sei er in Burnley solide gewesen, ohne größere Probleme im eins-gegen-eins, Timéo hingegen führt noch sein Stellungsspiel als Schwäche an. Das kann er aber, darin sind sich beide Experten einig, über sein Tempo wettmachen. Gerade als offensiv orientierter Außenbahnspieler war er häufiger in solchen Situationen, ohne das dies zu Gegentoren geführt habe. TBW erwähnt noch sein etwas hitziges Temperament, welches ihm in Burnley drei gelbe und eine gelb-rote Karte einbrachte und mehrere Elfmeter verursachte.
Seine Stärken in der Offensive und inbesondere im Ballbesitz werden auch anhand des Vergleichs mit anderen Außenverteidigern auf fbref.com deutlich. Besonders eindrücklich finde ich übrigens die “progressiven” Pässe und Läufe mit Ball, also jene, die wirklich tief gehen und das Spiel in des Gegners Hälfte tragen. Timéo zufolge habe er sich in Rennes auch durch die Leihen von einem manchmal naiven und ungestümen Außenverteidiger zu einem zuverlässigen Spieler entwickelt, der mit dem Ball am Fuß den Unterschied machen könne und in der gegnerischen Abwehr für Unordnung sorgt, auch wenn er noch ein bisschen bei der Konzentration zulegen könne. Ein Wechsel würde den Rennes-Fans zwar weh tun, man sei sich aber einig, dass nun der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt gekommen sei — wie schon bei so vielen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs vor ihm.
Beide Experten sehen ihn, angesichts der Ablöse auch wenig überraschend, als Stammspieler in der Bundesliga, gerade mit Verweis auf seine Erfahrungen in der Premier League. Außerhalb des Platzes, so Timéo, sei er ein eher ruhigerer Spieler, habe aber ein Kämpferherz, was man auch an seinem Comeback nach dem Kreuzbandriss haben sehen können. Nicht nur das, auch das Spielerprofil klingt erstmal vielversprechend, zumindest offensiv. Weder Fabian Rieder, der mit Assignon die Vereine tauscht, noch Jamie Leweling konnten auf der rechten Außenbahn offensiven Druck entfachen, gleichzeitig war die rechte Abwehrseite auch immer wieder ein Einfalltor für gegnerische Angriffe. Assignon könnte sich sowohl ein Duell mit Stergiou um den Posten des Rechtsverteidigers liefern, als auch eine Position weiter vorne für Konkurenz sorgen.
Der VfB backt auf jeden Fall transfertechnisch keine kleinen Brötchen mehr. Galten die 7,5 beziehungsweise 8 Millionen für Fernando Meira und Zdravko Kuzmanovic respektive lange Zeit als Transferrekorde beim VfB, gehören Ablösesummen um die 10 Millionen Euro mittlerweile zur Normalität. Damit gilt auch gleichzeitig, dass Neuzugänge wie eben Assignon weniger Zeit zur Eingewöhnung haben. Finn Jeltsch bewies sofort, was er dem VfB im Winter wert war, Ameen Al-Dakhil hingegen muss seine Ablöse, auch verletzungsbedingt, noch rechtfertigen. Auch Assignon wird sofort funktionieren müssen. Wenn das der Fall ist, hat der VfB zumindest eine Kaderbaustelle für die kommende Saison schon einmal abgeschlossen. Zu Josha Vagnoman und Pascal Stenzel sollte Assignon jeden Falls eine Verbesserung darstellen.
Titelbild: © Tony Marshall/Getty Images