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·23. Juni 2024
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·23. Juni 2024
Vor Kurzem gab es wieder eine neue Weltrangliste im Frauenfußball. Sie zeigte vor allem die üblichen Kandidaten: Weltmeister Spanien, gefolgt von Frankreich, Europameister England, Deutschland, den USA, Schweden. Und dann, einige Plätze weiter unten, gerade wieder in die Top 10 hereingerutscht: Nordkorea. Noch vor den Niederlanden, Australien oder Italien rangiert das Team.
In den 2000er-Jahren war Nordkorea sogar noch weiter oben, stand lange auf Platz 5. Dass sie auch heute wieder in den Top 10 sind, hat mit zwei Dingen zu tun: Einmal mit der eigenartigen Funktionsweise der Weltrangliste - aber auch mit einer besonderen Geschichte, die wenig bekannt ist.
Während der Covid-Pandemie und danach trug Nordkorea vier Jahre lang keine Spiele aus, fiel zwischendurch aus dem Ranking - inzwischen sind sie aber zurückgekehrt und konnten ihre alte Punktezahl wieder aufnehmen. Was in Nordkorea im Frauenfußball passiert, ist schwer zu durchschauen: Wie die Diktatur ihr Team aufbaut, was hinter den Kulissen passiert, welche Gründe die Machthaber wohl dafür haben, all das bleibt im Dunkeln. Es ist die perfekte Black Box.
Zwei Anhaltspunkte gibt es dennoch: Die Ergebnisse - und die kleinen Spuren der Dokumentation, die ab und an aufblitzen. Selbst die Ergebnisse sind nicht immer leicht zu finden: Das Datenportal Soccerdonna listet etwa Nordkoreas Spiele vom Februar dieses Jahres nicht. Dabei sind es bemerkenswerte Ergebnisse: Nordkorea duellierte sich über zwei Spiele mit Japan um einen Platz bei den Olympischen Spielen.
Das Qualifikationsspiel erreichten sie unter anderem durch den Erfolg beim letzten Asien-Cup, bei dem sie etwa Nachbarn Südkorea mit 4:1 besiegten. Und Japan, eins der aktuell spielstärksten Teams im Frauenfußball, hatte seine liebe Mühe. Auf ein 0:0 im Hinspiel folgte ein knappes 2:1 für den Favoriten. Nicht viel hätte gefehlt, und Nordkorea wäre in Paris dabeigewesen. Und wohl noch mehr Fans hätten sich gefragt: Wie kann das sein?
Wie gut die nordkoreanischen Spielerinnen sind, das ist kaum einzuschätzen. Ohne Ausnahme spielen sie in der heimischen Liga, der DPR Korea Women's Premier League. Die stärksten Klubs, "April 25 Sports Club" und "Amnokgang", gehören je zu dem Verteidigungsministerium und dem Innenministerium, Sportlerinnen des April 25 Sports Clubs haben offiziell den Rang als Offiziere. Sport als staatlich organisierte Waffe, das ist hier mehr als ein sprachliches Bild.
Auch der Spielstil von Nordkoreas Frauenteam ist von militärischen Prinzipien geleitet - Disziplin und Physis, wie einer der wenigen Experten, Alex Bishop, schreibt. Der Frauenfußball ist ein staatliches Programm, von jungem Alter auf werden die besten Talente zusammen gedrillt. Im Frauenfußball, erkannte der frühere Diktator Kim Jong-Il, konnte mit vergleichbar wenigen Mitteln viel erreicht werden.
Ein Unterstützer des Frauenfußballs: Kim Jong-Il / Sasha Mordovets/GettyImages
Das Regime war längst nicht das erste, das sportlichen Erfolg als exzellenten sozialen Kleber erkannte, der Risse in der Bevölkerung kitten sollte, Zweifel an der Regierung zerstreuen und die alltäglichen Sorgen in einem unterentwickelten Land vergessen machen. Ab den 1990er-Jahren wurde die Sportförderung zum Staatsprinzip.
Dreimal gewann Nordkorea daraufhin den Asien-Cup, die Entwicklung erreichte Mitte der 2000er-Jahre ihren Höhepunkt. Sieg bei der U20-WM 2006, Viertelfinale bei der WM 2007: Nordkorea war in der Mitte der großen Frauenfußball-Nationen angekommen.
Mit welchen Mitteln, das fragte sich die Welt wenige Jahre später: Bei der WM 2011 wurden bei fünf nordkoreanischen Spielerinnen positive Dopingproben gefunden. Die Folge: Eine Strafe von 400 000 Dollar und die Disqualifikation für die nächste WM. Für den Erfolg wurde alles getan. Ein kleiner Blick in die Black Box.
Den bietet auch ein neuer Film: "Ned, tassot, yossot", heißt er: vier, fünf, sechs auf Deutsch. Er ist der Nachfolger von "Hana, dul, sed", der 2011, kurz vor dem Dopingskandal, von dem Aufstieg Nordkoreas im Frauenfußball erzählte: Von den Privilegien der Spielerinnen - Reisen ins Ausland, Orden, Anerkennung, eigene Wohnungen -, von der geopolitischen Bedeutung des Sportprojekts, gezeigt etwa durch einen Crashkurs der Ideologie für die Spielerinnen vor einer Begegnung gegen die USA.
Der Film begleitet vier Spielerinnen und erzählt dabei von einem rapiden Aufstieg und einem rasanten Abstieg: Nach der missglückten Qualifikation für Olympia 2004 müssen die vier Protagonistinnen plötzlich ihre Fußballkarriere begraben, der Kader wird radikal umstrukturiert. Der Erfolg ist nun mal alles. Ob es einigen Spielerinnen nach der jüngst erneut missglückten Olympia-Qualifikation wohl genauso gehen wird? Das weiß die Welt wohl erst bei den nächsten Freundschaftsspielen, dem nächsten Schlitz in der Black Box.
Mehr als zehn Jahre nach "Hana, dul, sed" später zeigt Regisseurin Brigitte Weich in ihrer neuen Dokumentation, wie es den vier Spielerinnen seitdem ergangen ist - ein "besonderer Film", wie der Standard schreibt.
Immer wieder werden Szenen von der staatlichen Serie "Unser Frauenfußball-Team" gezeigt, die zwischen Soap-Opera und Nationalismus-Folklore changiert. In Österreich ist er jetzt zu sehen, zeigt weitere Puzzleteile eines großen Rätsels. Der Fall Nordkorea zeigt: Manchmal liegt die Wahrheit doch nicht nur auf dem Rasen.
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