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·6. Dezember 2024

Österreich: Frauen-EM 2025 verpasst - steckt der Frauenfußball in einer Krise?

Artikelbild:Österreich: Frauen-EM 2025 verpasst - steckt der Frauenfußball in einer Krise?

"Beste Freunde in einer etwas langweiligen Beziehung" - so nannte die Neue Züricher Zeitung das Verhältnis zwischen der Schweiz und Österreich mal, der Tagesanzeiger konstatierte ein "emotionsloses, aber wohlwollendes Desinteresse" von beiden Seiten. Beide Alpenländer sind sich recht ähnlich, Grund zum Zwist gibt es kaum.

Aber jetzt könnte ein bisschen Eifersucht in der friedlichen Freundschaft aufkommen, zumindest im sportlichen Bereich. Denn die Schweiz richtet die Frauen-EM 2025 aus und brach zuletzt zweimal ihren Zuschauerrekord, während Österreich das Turnier im Nachbarland nur per Fernsehen oder bei gutem Wetter mit Fernglas verfolgen wird.


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Zweimal verloren die Österreicherinnen mit 0:1 gegen Polen, aus die Maus. Das Logistik-Team des ÖFB dürfte sich ärgern, wäre die Reise doch so schön leicht gewesen. Aber auch in anderen Abteilungen dürfte es Unmut geben. Die Gesundheitsabteilung musste den Kreuzbandriss von Eintracht-Spielerin Barbara Dunst verkraften, der Wirtschaftsabteilung entgehen ein paar Einnahmen, und vor allem dürfte sich das Team selbst ärgern.

Denn bei den letzten beiden EMs war Österreich noch sehr gut dabei gewesen. 2017 waren sie sogar die Entdeckung des Turniers, spielten sich bis ins Halbfinale und scheiterten dort erst im Elfmeterschießen. Auch 2022 in England lief es passabel, im Viertelfinale gegen Deutschland war Schluss.

Individuelle Qualität wird nicht genug ausgenutzt

Seitdem aber läuft es nicht mehr so rund. Schon die WM 2023 verpasste Österreich, jetzt sind sie beim zweiten großen Turnier in Folge nicht dabei. Vor der Weltmeisterschaft scheiterte Österreich in den Playoffs an Schottland, jetzt an Polen. Beides eigentlich Teams, die von der individuellen Qualität den Österreicherinnen nicht überlegen sind.

Im Kader von Irene Fuhrmann stehen hauptsächlich Stammspielerinnen in der Bundesliga, einige Leistungsträgerinnen (Zinsberger, Höbinger) kicken auch auf hohem Niveau in England. Österreich hat erfahrene Stützen wie Sarah Zadrazil und junge Talente wie Lilli Purtscheller. Eigentlich müsste mit dem Kader mehr drin sein - oder?

Trainerin Irene Fuhrmann muss sich vorwerfen lassen, gegen gut organisierte Polinnen nicht genug Durchschlagskraft entwickelt zu haben. "Man muss hervorheben, dass unsere Spielerinnen alles versucht haben", sagte Fuhrmann - aber das allein hilft eben nicht.

Ihre Spielerinnen zeigten sich nach der Niederlage emotional: "Pure Leere, Enttäuschung, Traurigkeit, auch ein bisschen Wehmut", fasste Torhüterin Zinsberger nach der Niederlage gegen Polen ihren Gemütszustand zusammen. "Uns kann keiner vorwerfen, dass wir nicht versucht haben, uns den Arsch aufzureißen", sagte sie.

Das stimmt - Österreich warf in der Schlussphase des zweiten Spiels alles nach vorne, aber die klaren Chancen fehlten. "Es war eine kämpferische Leistung, aber das reicht im modernen Fußball nicht mehr", so brachte es Marie Höbinger auf den Punkt.

Spielerinnen fordern Neuanfang

Aber nicht nur die Spiele gegen Polen waren das Problem, schon in den vorherigen Monaten war Österreich selten wirklich überzeugend. Beim 2:3 gegen Deutschland im April spielte Österreich noch stark, mit der Niederlage und dem Unentschieden gegen Island in der Gruppenphase konnte man dagegen kaum zufrieden sein.

Bezeichnend auch, dass Östereich noch im Frühjahr und Sommer zweimal mit 3:1 gegen Polen gewann, und nun an ihnen scheiterte. Die Gegnerinnen haben anscheinend mehr dazugelernt. Die gescheiterte EM-Qualifikation könnte daher im besten Fall Anlass für eine größere Reflexion über die Frage sein, wie man vom EM-Halbfinale 2016 zum Quali-Aus 2024 kam - und was nun zu tun ist.

Höbinger sprach sich offen für einen Neuaufbruch aus: "Jetzt ist es Zeit, dass man viel hinterfragt", sagte sie. Für die nächste Qualifikation forderte sie, besser vorbereitet zu sein, und sagte mit erstaunlich klaren Worten: "Manchmal muss es einmal richtig knallen, damit es wieder besser wird." All das klingt danach, als gäbe es im österreichischen Camp einiges zu bereden.

Zuschauerzahlen sind mau

Verbesserungspotenzial gibt es nicht nur auf dem Platz: Auch beim Geschehen auf den Tribünen gibt es aktuell wohl den ein oder anderen Blick hinüber zum langweiligen Nachbarn Schweiz. Die Zuschauerzahlen in den letzten Monaten waren enttäuschend. Nur 3.200 Zuschauer fanden sich für das entscheidende Rückspiel gegen Polen in der Wiener Generali Arena ein, bei solch einem wichtigen Spiel wäre durchaus mehr zu erhoffen gewesen.

Bei den anderen Heimspielen in den wärmeren Monaten sah es wenig anders aus, nur gegen Deutschland kamen etwas mehr, nämlich 7.500 Fans. Aber kein Vergleich zur Schweiz: Dort wurde gerade zum zweiten Mal in Folge der Zuschauerrekord gebrochen. 17.306 Fans kamen gegen Deutschland, zuvor 14.370 gegen Australien.

Natürlich profitiert die Schweiz schon von der Pre-EM-Euphorie, und auf dem Rasen ist auch nicht alles erste Sahne, wie das 0:6 gegen Deutschland zeigte. Auch in der heimischen Liga gibt es auf beiden Seiten des Rheins noch Baustellen.

Dennoch scheint es in der Schweiz gerade voranzugehen, etwas bewegt sich. Der jüngste Sieg gegen Frankreich und die nur knappe Niederlage gegen England zeigen eine sportliche Entwicklung bei den Eidgenössinnen, auch wenn es Aufs und Abs gibt. In Österreich stagniert die Entwicklung dagegen eher - in einigen Punkten sollten sie sich ein Vorbild am Nachbarn nehmen. Und vielleicht statt des üblichen Desinteresses ein wenig Interesse zeigen, was sie in der Schweiz gerade besser machen.

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