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·15. November 2025

Pro Palästina und Irvine: FC St. Pauli zeigt, wie Fußball zur politischen Bühne wird

Artikelbild:Pro Palästina und Irvine: FC St. Pauli zeigt, wie Fußball zur politischen Bühne wird

Wenn der FC St. Pauli am Samstag seine Mitgliederversammlung abhält, wird Oke Göttlich routiniert in seine vierte und letzte Amtszeit gewählt. Doch die eigentliche Nachricht liegt woanders: Ein Bundesligist debattiert über Antisemitismusdefinitionen, während sein Kapitän und ein Aufsichtsrat sich über Instagram zoffen. Das ist mehr als nur Vereinspolitik. Es ist ein Lehrstück darüber, wie moderne Fußballvereine zu Austragungsorten gesellschaftlicher Grundsatzkonflikte werden.

Der Nahost-Konflikt hat den Verein gespalten und sorgt für innere Spannungen, die weit über normale Meinungsverschiedenheiten hinausgehen. Jackson Irvines pro-palästinensische Haltung und René Borns darauffolgende Social-Media-Entgleisung sind keine isolierten Vorfälle. Sie zeigen, wie internationale Konflikte lokale Strukturen durchdringen. St. Pauli, traditionell stolz auf seine politische Positionierung, erlebt gerade, was passiert, wenn abstrakte Bekenntnisse zu Toleranz und Weltoffenheit auf konkrete geopolitische Realitäten treffen. Die Sanktionierung Borns durch den Verein war richtig, löst aber das Grundproblem nicht: Wie viel Politik verträgt ein Fußballverein, bevor er seine eigentliche Funktion verliert?


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St. Pauli: Druck auf Vereinsführung

Parallel dazu erhöhen sportliche Misserfolge und der Relegationsplatz den Druck auf die Vereinsführung. Sieben Niederlagen in Serie sind mehr als eine Formkrise. Sie sind das Resultat einer Überforderung auf allen Ebenen. Während andere Aufsteiger ihre Energie in Trainingsplatz und Transfermarkt stecken, verzettelt sich St. Pauli in Grundsatzdebatten. Der Absturz auf Platz 16 ist auch eine Quittung für mangelnde Fokussierung. Göttlichs letzte Amtszeit beginnt mit der schwersten sportlichen Krise seit Jahren – ausgerechnet jetzt, wo der Verein eigentlich Geschlossenheit bräuchte.

Die Debatte um die Antisemitismusdefinition zeigt dabei die gesellschaftspolitische Verantwortung von Fußballvereinen in ihrer ganzen Komplexität. Dass ein Bundesligist über solche Fragen abstimmt, ist bemerkenswert und notwendig zugleich. Vereine sind längst mehr als Sportanbieter; sie sind soziale Institutionen mit enormer Reichweite. St. Pauli stellt sich dieser Verantwortung, riskiert dabei aber seine Handlungsfähigkeit. Die Frage ist nicht, ob Fußballvereine Position beziehen sollen, sondern wie sie das tun, ohne sich selbst zu paralysieren.

St. Paulis Mitgliederversammlung wird zum Spiegelbild einer Gesellschaft, die zwischen moralischen Ansprüchen und praktischen Zwängen navigiert. Der Verein, der sich immer als anders definiert hat, muss nun beweisen, dass Anderssein auch funktionieren kann. Die wahre Herausforderung liegt nicht in der Präsidentenwahl, sondern darin, einen Weg zu finden, der politisches Engagement und sportlichen Erfolg nicht als Gegensätze begreift. Gelingt das nicht, wird St. Pauli zum Menetekel für alle, die glauben, Fußball könne unpolitisch sein – oder müsse hochpolitisch werden.

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