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·17. April 2025

Pro und Contra: Braucht die Frauen-Bundesliga den VAR?

Artikelbild:Pro und Contra: Braucht die Frauen-Bundesliga den VAR?

"Langsam bin ich für eine Debatte über VAR in der Frauen-Bundesliga, ich bin ehrlich", äußerte sich die Eintracht-Spielerin Laura Freigang in einer Instagram-Story am vergangenen Wochenende. Na dann wollen wir die Diskussion doch mal eröffnen. Auslöser von Freigangs Forderung war eine strittige Szene im Spitzenspiel gegen die Bayern-Frauen. Dort entschied das Schiedsrichtergespann nach einem Tor von Klara Bühl zunächst auf eine Abseitsstellung der Passgeberin Pernille Harder, revidierte diese Entscheidung dann aber und ließ den Treffer zählen. Es war der 2:0 Führungstreffer der amtierenden Meisterinnen - ein entscheidender Moment im Spiel also. Die Art und Weise wie die Schiedsrichterinnen bei dieser Situation verfuhren, sorgte bei Fans und Experten für viel Kritik. Neben Freigang bezog auch Abwehrspielerin Pia-Sophie Wolter Stellung zu der kuriosen Situation und fasste das zusammen, was sich viele wohl vor dem Endgerät dachten: "Erst war es Tor, dann kein Tor, dann wurde diskutiert, dann war es doch wieder ein Tor. Ich habe es auch gar nicht verstanden". Es ist nicht das erste Mal, dass solche (Fehl-)Entscheidungen in der Frauen-Bundesliga ein Spiel entscheiden. Dort gibt es nämlich keinen Video Assistant Referee (kurz VAR), also auch keine Möglichkeit für die Schiedsrichterinnen ihre Beschlüsse zu überprüfen. Doch wie zeitgemäß ist das noch? Braucht die Frauen-Bundesliga auch einen VAR?

Contra VAR: Zwischen Technikfrust und Kostenfrage

In der Frauen-Bundesliga gibt es sie noch: Die pure Freude, wenn der Ball im Kasten des gegnerischen Teams einschlägt. Diese instinktive Freude geht bei so manchen Fans des Männerfußballs immer mehr verloren. Grund hierfür ist der VAR. Denn aufgrund der möglichen Überprüfung kann man sich nie sicher sein, ob der Treffer zählen wird oder nicht. Dadurch geht das eigentliche Flair verloren. Einige argumentieren auch, dass der Fußball seine traditionelle Spontaneität und emotionale Komponente verlieren könnte, wenn eben zu viele Entscheidungen von der Technologie abhängen. Zudem führt der Einsatz des Assistenzsystems häufig zu längeren Unterbrechungen, was den Spielfluss und die Dynamik des Spiels beeinträchtigen könnte. Besonders der Frauenfußball ist für seine wenigen Pausen im Spiel bekannt und wird dafür geschätzt.


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Das Standing der Schiedsrichterinnen ist auch bei den Spielerinnen selbst nicht das Beste. Die ständige Überprüfung durch den VAR könnte das Selbstvertrauen der Schiedsrichter beeinträchtigen und ihre Autorität auf dem Platz untergraben. Der größte Contra-Punkt ist aber, dass die Einführung und der Betrieb des Systems erhebliche Investitionen in Technologie, Infrastruktur und Schulung der Schiedsrichterinnen erfordert. Das kann sich schlichtweg nicht jeder Verein der Liga leisten. Auch viele der Stadien sind für einen Betrieb des Systems überhaupt nicht ausgelegt. Die Kosten für das VAR-System sind riesig - würden sich diese Ausgaben für die Folgen überhaupt rentieren? Eine kurzfristige Umsetzung ist in jedem Fall noch Zukunftsmusik.

Pro VAR: Mehr Gerechtigkeit auf dem Platz

VAR im Frauenfußball gibt es derzeit bei internationalen Turnieren, im DFB-Pokal-Finale sowie ab dem Viertelfinale der Champions League. Negative Erfahrungen und Berichte wurden dabei nicht wirklich gemacht. "Ich glaube, dass sich die Bedingungen in der Frauen-Bundesliga nicht so schnell entwickeln, wie sich unser Spiel entwickelt. Unser Spiel ist verdammt schnell geworden und qualitativ superhochwertig, da kann man mittlerweile nicht mehr alles mit dem bloßen Auge sehen", erklärte SGE-Spielerin Sophia Kleinherne nach der Niederlage gegen die Bayern. Der VAR würde auch die Schiedsrichterinnen selbst schützen. Aktuell stehen diese ja aufgrund der Fehlentscheidungen heftig in der Kritik. Mit der Möglichkeit, ihre eigenen Urteile zu überprüfen, könnten sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen und wären nicht mehr die Sündenböcke bei spielentscheidenden Szenen. Denn eines sollte jedem Fan bewusst sein: Fehlentscheidungen passieren und sind trotz alledem menschlich. Der VAR hilft dabei, offensichtliche Fehltritte der Unparteiischen zu korrigieren und trägt somit zu faireren Spielen bei.

Der Einsatz des VAR in der Frauen Bundesliga würde für eine stärkere Angleichung an internationale Wettbewerbe sorgen, in denen die Technologie bereits etabliert ist – wie bei Weltmeisterschaften oder in anderen Wettbewerben. Spielerinnen und Schiedsrichterinnen könnten so unter denselben Bedingungen agieren wie auf internationaler Bühne, was besonders in Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Vorbereitung auf große Turniere von Vorteil ist. Durch den Einsatz von VAR werden Schiedsrichterentscheidungen für alle Beteiligten – Spielerinnen, Trainer und Fans – transparenter. Die Möglichkeit, strittige Szenen noch einmal zu überprüfen und zu erklären, erhöht das Verständnis für Entscheidungen und kann Diskussionen über Fehlentscheidungen reduzieren.

Die Schiedsrichterinnen in Deutschlands höchster Spielklasse der Frauen stehen schon seit geraumer Zeit in der Kritik. Vor einem Jahr machte der Sportdirektor der Club-Frauen seinen Ärger mittels einer Pressemitteilung Luft: "Wir sind an einem Punkt, in der die jetzige Situation im Schiedsrichterinnen-Bereich nicht mehr hinzunehmen ist und an dem wir bewusst öffentlich auf qualitative Missstände und strukturelle Defizite beim DFB hinweisen müssen und möchten. Wir sprechen hier von einer vereinsübergreifenden, ligaweiten Problematik. Alarmierend empfinden wir sowohl die Qualität als auch die Quantität der Fehler". Der Verband reagierte und führte zur aktuell laufenden Saison eine Neuerung ein: Seitdem werden nämlich ausschließlich spezialisierte Assistentinnen und Assistenten eingesetzt - darunter auch vier männliche Kollegen. Dennoch bricht die Kritik an den leitenden Unparteiischen nicht ab. Auch im Topspiel zwischen Bayern und Wolfsburg kam es zu mehreren strittigen Entscheidungen. Es seien "Situationen, wo man denkt: 'Hui, schwierig'. Aber wie man das jetzt verändern kann? Ich weiß es nicht, keine Ahnung", sagte Alexandra Popp nach Spielende. Sie selbst habe das Gefühl, "dass da manchmal dieses Verständnis ein bisschen fehlt". Für die Attraktivität der Liga ist auch die Qualität der Unparteiischen entscheidend. Wenn sich sogar schon Spielerinnen selbst öffentlich über diese beschweren, gibt das nach außen hin kein gutes Bild ab. Durch den VAR könnte diese Situation vermieden werden und die Frauen-Bundesliga durch einen höheren Grad an Professionalität attraktiver werden. Dies könnte eine Kettenreaktion in Gang setzen, die dem Frauenfußball in Deutschland guttun würde. Ein schöner Nebeneffekt ist natürlich auch, dass die Teams vermehrt in den größeren Stadien spielen müssten.

Kompromiss: Football Video Support?

Auch wenn auf dem Papier klar ist, dass die Frauen-Bundesliga den VAR vertragen könnte, machen es die Kosten und Infrastruktur in naher Zukunft unmöglich, das System einzuführen. Ein Kompromiss hierbei könnte der sogenannte Football Video Support (kurz FVS) sein. Diesen stellte die FIFA im vergangenen Jahr vor, nachdem zahlreiche Anfragen von Mitgliedsverbänden eingingen, die den VAR aufgrund begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen nicht installieren können. Beim FVS haben die Trainer der Teams die Möglichkeit, pro Spiel insgesamt zwei strittige Szenen vom Schiedsrichtergespann nochmals überprüfen zu lassen. Wenn die Überprüfung durch den Schiedsrichter dazu führt, dass die ursprüngliche Entscheidung geändert wird, behält das Team diesen Überprüfungsantrag und verliert ihn nicht. Das ist aber nur im Falle eines klaren und offensichtlichen Fehlers oder eines schwerwiegenden übersehenen Vorfalls anwendbar (z.B bei Toren, Elfmeter oder rote Karten).

Die spanischen Frauen-Liga F wird zur kommenden Saison als erste Liga in Europa den Video Support einführen. Laut dem spanischen Fußballverband ist die Entscheidung zur Einführung von FVS der erste Schritt zur vollständigen Implementierung von VAR in der Liga F.FVS wird als „kostengünstige Alternative zum VAR“ angepriesen und wurde beim Blue Stars/FIFA Youth Cup im Mai und bei der U20-Frauen-Weltmeisterschaft im September getestet. Vielleicht wäre das ja auch für den Deutschen-Fußball-Bund eine Überlegung wert.

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