MillernTon
·30. Oktober 2024
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In der zweiten Runde des DFB-Pokals scheidet der FC St. Pauli nach einem wilden Spiel gegen Leipzig aus. Ein katastrophaler Start konnte nicht mehr wettgemacht werden.(Titelfoto: Maja Hitij/Getty Images/via OneFootball)
Der FC St. Pauli bot in Leipzig großen Kampf, zeitweise richtig guten Fußball, viel Mut, aber auch haarsträubende individuelle Fehler. Am Ende steht eine Leistung, für die man sich wieder auf die Schultern klopfen kann. Aber eben auch erneut eine Niederlage und für den FCSP damit das Ende dieser Saison im DFB-Pokal.
Zwei personelle Wechsel gab es beim FCSP: Robert Wagner und Dapo Afolayan kamen anstelle von Carlo Boukhalfa und Danel Sinani in die Startelf. Wagner ist die defensivere Variante auf der Sechserposition als Boukhalfa. Alexander Blessin hatte vor der Partie erklärt, dass Boukhalfa eventuell eine Pause guttun würde, da er ja aus einer Verletzung zurückgekehrt ist.
Diese personellen Wechsel führten nicht zu einer Veränderung der Formation, der FCSP agierte also weiter in einem nominellen 5-2-3. Eine weitere Veränderung gab es im Kader: Scott Banks fehlte auf der Bank. Für ihn rückte Erik Ahlstrand in den Kader auf, der auch direkt in der Nachspielzeit sein Debüt für die erste Mannschaft des FC St. Pauli feierte. Mögen noch viele weitere Spiele folgen.
Viel mehr Veränderungen gab es bei RaBa Leipzig. Die hatte Trainer Marco Rose bereits vor dem Spiel angekündigt. Auf insgesamt sechs Positionen veränderte sich die Startelf der Leipziger: Vandevoort, Vermeeren, Silva, Poulsen, Bitshiabu und Klostermann kamen für Gulacsi, Lukeba, Haidara, Nusa, Openda und Sesko rein.In der Formation, auch das veränderte sich, war das eine Art 3-4-2-1. Im Spiel vor ein paar Wochen am Millerntor war es noch ein 4-2-2-2, in dem die Leipziger zu Spielbeginn starteten.
Dieses 4-2-2-2, welches man am Millerntor von Leipzig zu sehen bekam, beinhaltete eine Menge Rotationen. Die Sechser ließen sich auf die Innenverteidiger-Positionen fallen, die Innenverteidiger bewegten sich nach außen, die Außenverteidiger schoben vor (entweder nach ganz vorne oder in den offensiven Halbraum), die Mittelfeldspieler schoben auf die Außenbahn. Von solchen Rotationen war am Dienstagabend in Leipzig nichts zu sehen. Und in der zweiten Halbzeit damals am Millerntor auch nicht mehr, RaBa-Trainer Rose hatte damals angepasst und hielt daran fest. Die einzige Änderung im Vergleich zur nominellen Formation war das Hochschieben der Außenverteidiger, wodurch sich bei Leipziger Ballbesitz eine Art 3-2-4-1 ergab.
Diese Fomation der Leipziger bedingte eine natürliche Spiegelung, wenn der FC St. Pauli sich zu einem 5-2-3 in defensiver Grundordnung zusammenfand. Allerdings waren die Spiegel irgendwie versetzt. Der FCSP stand defensiv tiefer als die Leipziger im Aufbauspiel. Als der FCSP beide Formationen auf die gleiche Ebene brachte, wurde er richtig gut. Da stand es allerdings bereits 0:2.
Diese Zwischenüberschrift hatte ich kurzfristig auch als Titel des Spielberichts in Erwägung gezogen. Aber in diesen Worten fehlt der Mut und die gute Phase des FC St. Pauli. Für eine Beschreibung der ersten Phase des Pokalspiels reicht es aber allemal. Zwölf Minuten lang war gar nichts los. Leipzig wollte sich organisiert nach vorne spielen, der FC St. Pauli erwartete den Gegner, wie im Spiel vor ein paar Wochen, tief. Entweder wollte Leipzig noch kein Risiko eingehen oder hatte einfach überhaupt keine Ahnung, wie sie gegen das 5-2-3 des FCSP spielen sollten. Trainer Rose hatte vor der Partie betont, dass man geduldig sein müsse. Das spricht für eine eher vorsichtige Haltung zu Spielbeginn. Aber die Leipziger zeigten auch in späteren Spielphasen keinen guten Fußball. Es war, trotz vier Toren, eine eher dürftige Vorstellung.
Zweimal gelang dem FC St. Pauli im Pokalspiel gegen Leipzig der Anschlusstreffer. Am Ende ging dem Team aber etwas die Puste aus. // (c) Maja Hitij/Getty Images
Nach müdem Beginn segelte in der 12. Minute ein eigentlich ungefährlicher hoher Ball in den Strafraum. Eric Smith wollte diesen per Kopf klären, ließ ihn vorher einmal aufditschen (was man nie, nie, nie machen darf – ich habe dabei die Worte meines Jugendtrainers im Ohr). Yussuf Poulsen, der smarte Hund, schob etwas mit dem Ellenbogen gegen Smith, als dieser zum Kopfball hochsprang. Die Folge: Smith kam nicht richtig hoch, der Ball fiel Poulsen vor die Füße – 0:1. Scheiße.Pfeift Scheidsrichter Felix Zwayer in dieser Situation Foul, weil Poulsen klar mit dem linken Ellenbogen schiebt, dann kann sich niemand beschweren. Aber dass es nicht gepfiffen wird, ist auch völlig ok – Smith muss das anders, viel klarer, konsequenter und damit besser verteidigen.
Ein einziges Mal in der gesamten Partie zeigte RaBa Leipzig, wie gut sie als Team kombinieren können. Es war bei der Situation, die zum 0:2 aus FCSP-Sicht führte. Das Tempo war extrem hoch, fast immer wurde mit nur einem Kontakt gespielt, immer waren die Spieler des FC St. Pauli zu spät in dieser Situation. Hier wurde es ein Problem, dass die Spiegelung der Formationen etwas versetzt stattfand. Die RaBa-Spieler hatten einfach etwas zu viel Platz. Weil sie sich nach hinten absetzten, gab es vom FC St. Pauli nur wenig Druck auf den Ball. Ob man diesen Angriff aber verteidigt bekommen hätte, wenn man direkt an den Gegenspielern dran gewesen wäre, völlig unklar. Denn es war auch einfach ein richtig gut gespielter Angriff.
Keine Ahnung, ob Blessin nun direkt auf dieses Gegentor reagierte oder aber allgemein etwas verändern wollte, weil man es in den ersten 20 Minuten dauerhaft zu sehen bekam, aber: Kurz nach dem zweiten Gegentreffer passte der FC St. Pauli sein Spiel an. Erst leicht, später dann deutlicher. Da die Leipziger nicht in den Positionen rotierten, konnte der FCSP auch direkter pressen, ohne Gefahr zu laufen, dass der Gegner andere Spielfeldzonen überlud. Wagner und Irvine schoben gegen den Ball nun viel höher und erhöhten so den Druck auf die zuvor freien Sechser der Leipziger. Auch die offensive Dreierkette des FCSP agierte nun höher im Pressing und schob meist direkt auf die Innenverteidiger drauf. Wenn auch nicht ganz konsequent durchgespielt, war es dann doch eine recht deutliche, und nicht mehr versetzte, Spiegelung der Leipziger Formation. Und die zeigte Wirkung.
Denn von dem einfallslosen, aber zumindest geordneten Spielaufbau der Leipziger war nun überhaupt nichts mehr zu sehen. Der FC St. Pauli hatte nun, vermutlich auch ein bisschen mit dem Mut der Verzweiflung (stand ja 0:2 bzw. 1:3, als man noch mutiger wurde), den Hut in den Ring geworfen und setzte alles auf eine Karte. Das dadurch vorhandene Risiko, weil man nun relativ hoch gegen eine schnelle Leipziger Offensive agierte, wurde in Kauf genommen. Was will man auch einen Zwei-Tore-Rückstand verteidigen?! Ein hoher Ballgewinn des FC St. Pauli brachte den Anschlusstreffer. Über Wagner und Afolayan gelangte der Ball zu Eggestein, der zum Dribbling ansetzte und per Pass Guilavogui fand. Der FCSP-Neuzugang traf unter gütiger Mithilfe des Leipziger Torwarts zum 1:2. Sein erster Treffer im Trikot des FC St. Pauli. Auch bei diesem Debüt gilt: Mögen noch viele folgen.
Wie nahe Himmel und Hölle beieinander liegen, zeigte sich dann zwei Minuten später, als Guilavogui einen völlig unnötigen Hackenpass zum Gegner spielte und damit eine Kontersituation einleitete. Diese spielten die Leipziger eigentlich nicht gut aus, doch die Klärung von Smith endete am Oberkörper eines Gegenspielers, von dem der Ball dann wieder zu einem Leipziger sprang. Die daraus entstandene 2-1-Überzahl nutzte Poulsen eiskalt zum dritten Treffer. Kannste dir nicht ausdenken.
Der FC St. Pauli blieb zwar weiterhin voll im Spiel, hatte im ersten Abschnitt aber eine viel zu hohe Fehlerquote bei eigenem Passspiel, um dauerhaft Gefahr zu erzeugen (und zog das veränderte Pressingverhalten noch nicht voll durch). Doch auch Leipzig war nicht fehlerlos. Vor allem Sechser Vermeeren offenbarte einige Probleme. Dadurch wurde dieses Spiel aus objektiver Sicht ein sehr munterer Kick. Bei dem aber auch fast jeder Abschluss saß: Zur Halbzeit lag das Torschussverhältnis bei 5-2 und es stand bereits 3-1.
Leipzigs Antonio Nusa setzt zum Dribbling an und lässt Robert Wagner und Eric Smith ziemlich alt aussehen. Das 2:4 war der Knockout für den FC St. Pauli im Pokalspiel gegen Leipzig. // (c) (Maja Hitij/Getty Images/via OneFootball)
In den zweiten Abschnitt startete der FC St. Pauli mit einem noch konsequenteren hohen Pressing. Das sorgte für eine bemerkenswerte Druckphase des FCSP. Mittendrin, in der 58. Minute, gelang Smith der Anschlusstreffer, als eine Flanke von ihm leicht abgefälscht im langen Eck des Leipziger Tores einschlug. Der erneute Anschlusstreffer war hochverdient und es ging auch in den Minuten danach munter weiter, der FC St. Pauli war klar besser. Zehn Torschüsse erarbeitete sich das Team von Alexander Blessin zwischen der 52. und 69. Spielminute. Leipzig keinen einzigen.
Doch das Risiko, welches man mit dem konsequent hohen Pressing einging, war allgegenwärtig. Leipzig gelang es selten, aber immer mal wieder, Kontersituationen zu erzeugen. Diese wurden zwar meist schlecht ausgespielt, aber es zeigte sich doch die Gefahr, die im mutigen FCSP-Spiel drin war. Das Team stand einfach extrem hoch, um Leipzig unter Druck zu setzen. Das gelang oft, aber mit der Zeit geht bei so einem Spielstil auch einfach die Kraft aus. Denn Ruhephasen gönnte sich der FC St. Pauli eigentlich nur, wenn er selbst im Ballbesitz war.
Und hier zeigt sich dann vielleicht der große Unterschied, den es zwischen RaBa Leipzig und dem FC St. Pauli aus sportlicher Sicht gibt (abseits des Platzes könnten beide unterschiedlicher kaum sein). Denn die Leipziger wechselten in der 69. Minute dreifach, brachten mit Lukeba, Haidara und Nusa unfassbar hohe individuelle Qualität und drei nominelle Stammspieler in die Partie. Das druckvolle Spiel des FCSP kam langsam aber sicher zum Erliegen, während Leipzig durch Konter nun gefährlicher wurde. In der 80. Minute war es dann der eingewechselte Nusa, der sich gegen Wagner und Smith im Dribbling durchsetzte und zur Entscheidung traf. Klar, das war viel zu billig verteidigt, vor allem von Smith, aber die Qualität von Nusa ist auch brutal hoch.
Der FC St. Pauli konnte, mit Verlaub, mit diesen personellen Wechsel nicht mithalten. Sinani, Albers und Ahlstrand standen am Ende als offensive Dreierreihe auf dem Platz. Zwar erzeugte man bis zur letzten Sekunde Druck auf die Leipziger und hatte noch gute Gelegenheiten. Aber um diese Partie zu gewinnen, hätte man in einigen Momenten einfach fehlerärmer spielen müssen. Und damit ist dieses Mal nicht die Offensive des FCSP (und auch nicht Smith allein) gemeint.
Somit scheidet der FC St. Pauli bei RaBa Leipzig im DFB-Pokal aus. Angesichts der Qualitäten in den jeweiligen Kadern ist das alles andere als eine Überraschung. Gemessen am Spielverlauf muss man sich auf Seiten des FCSP aber schon darüber ärgern, dass man früh mit 0:2 hinten lag und diesem Rückstand die ganze restliche Partie über hinterherlaufen musste. Der große Kampf wurde wieder nicht belohnt. So bleibt erneutes Schulterklopfen für eine gute Leistung, aber eben auch nichts Zählbares und die Pokalsaison ist beendet. Der FC St. Pauli kann sich also voll und ganz auf den Klassenerhalt in der Bundesliga konzentrieren. Dort gibt es bereits in wenigen Tagen ein wichtiges Spiel in Hoffenheim. Hoffentlich mit ähnlicher Power in der Offensive, aber einer etwas weniger wackeligen Defensive.
Immer weiter vor!// Tim
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