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·26. Oktober 2024
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Am Samstagabend steigt zum 258. Mal „El Clásico“, Real Madrid empfängt den FC Barcelona im Estadio Santiago Bernabéu. Beide Teams kommen mit Rückenwind aus der Champions-League-Woche, Barca siegte spektakulär mit 4:1 gegen Bayern München und Real schlug den BVB mit 5:2. Trotzdem ist die Stimmung in Barcelona deutlich positiver als in Madrid. Vor der Saison war dies allerdings so nicht unbedingt zu erwarten.
In der Sommerpause hätten die Schlagzeilen in Bezug auf die beiden spanischen Giganten unterschiedlicher kaum sein können. Auf Seiten Reals dominierte hauptsächlich eine Story die Nachrichten, der Wechsel von Kylian Mbappé zu Real Madrid und seine Folgen für den spanischen Fußball waren in aller Munde. Die Königlichen waren gerade mit zehn Punkten Vorsprung Meister geworden und gewannen zum sechsten Mal in den letzten elf Jahren die Champions League. Mit Mbappé fügte das Team von Trainer Carlo Ancelotti den nächsten Weltklassespieler zu den bereits vorhandenen Stars hinzu. Außerdem holten die Madrilenen mit Endrick das nächste brasilianische Supertalent. Nicht nur in Barcelona, sondern in ganz Europa fragte man sich, wer dieses Real in den nächsten Jahren überhaupt noch besiegen sollte.
Ganz anders sah die Situation beim Dauerrivalen Barcelona aus. In der Liga abgeschlagener Zweiter geworden, in der Königsklasse nur einmal in den vergangenen neun Jahren das Halbfinale erreicht. Dazu kamen seit Jahren große finanzielle Probleme, damit verbundene Einschränkungen auf dem Transfermarkt und Probleme beim Registrieren neuer Spieler. Auch in der Sommerpause waren diese Themen in Barcelona omnipräsent. Beispielsweise konnte der einzige namhafte Neuzugang Dani Olmo erst registriert werden, nachdem Ilkay Gündogan nach nur einem Jahr im Verein ablösefrei wieder abgegeben wurde.
Ansonsten tat sich im Kader der Katalanen wenig, einige Spieler wurden abgegeben, unter anderem wechselte Vitor Roque auf Leihbasis zu Real Betis. Der Brasilianer stand für viele symbolisch für vieles, was in den letzten Jahren bei Barca falsch gelaufen ist. Für 40 Millionen wurde Vitor Roque aus Brasilien verpflichtet. Die Fans erhofften sich, dass man es damit Real gleichtun könne, die Madrilenen hatten mit Vinicius Junior, Rodrygo und Endrick schließlich höchst erfolgreich junge, hochtalentierte Offensivspieler aus Brasilien verpflichtet. Bis zum heutigen Zeitpunkt scheint der Transfer von Vitor Roque jedoch ein einziges Missverständnis zu sein und ein dauerhafter Abgang nach nur 16 Einsätzen in der letzten Rückrunde scheint nicht ausgeschlossen zu sein.
Auch die direkten Duelle zwischen Real und Barcelona verliefen in letzter Zeit meist ernüchternd für die Katalanen. Der letzte Clásico-Sieg Barcas datiert aus dem März 2023, seitdem gingen alle vier Aufeinandertreffen an das Team aus der spanischen Hauptstadt.
Die Stimmungslage vor Beginn der aktuellen Saison war also ziemlich eindeutig. Real hatte seinen ohnehin schon brutal starken Kader nochmals aufgerüstet. Barcelona änderte kaum etwas am Kader und entließ zudem mit Xavi Hernandez den Trainer, den man erst kurz vorher dazu überredet hatte doch länger zu bleiben. Wie sollte die scheinbar riesige Lücke zu Real also geschlossen werden? Ob der neue Coach Hansi Flick die Lösung aller Probleme sein könnte, schien mindestens fraglich.
Hansi Flick hat seine Zweifler spätestens mit dem Sieg gegen Bayern vorerst verstummen lassen. (Photo by David Ramos/Getty Images)
Ende Oktober sieht die Welt allerdings plötzlich ganz anders aus. Barcelona thront mit 27 Punkten nach zehn Spielen an der Tabellenspitze in La Liga. Gerade die Offensive performt herausragend, 33 Tore hat Flicks Team bereits erzielt, ganze zwölf Tore mehr als Ancelottis Real. Während Real sich Woche für Woche müht, schon dreimal Unentschieden gespielt hat und meist nur knapp gewinnt, hat Barca schon sechsmal vier oder mehr Tore in einem Spiel erzielt.
Der 36-jährige Robert Lewandowski, der letzte Saison so spielte, als hätte er seinen Zenit hinter sich gelassen, blüht wieder auf. In 13 Spielen hat der Pole wettbewerbsübergreifend bereits 15-mal getroffen und knüpft damit an seine besten Zeiten an (Statistiken von fotmob.com). Supertalent Lamine Yamal macht nahtlos da weiter, wo er bei der EURO 2024 für Spanien aufgehört hat, unter anderem verbuchte er bereits zwölf Scorerpunkte.
Eine geradezu unglaubliche Transformation hat Raphinha hinter sich. Vor zwei Jahren von Leeds United zu Barcelona gewechselt, wurde der Brasilianer zuvor meist auf dem rechten Flügel eingesetzt. Flick stellt Raphinha diese Saison ausschließlich auf dem linken Flügel oder auf der Zehn auf und gibt ihm praktisch alle Freiheiten. Und Raphinha zahlt zurück, der Hattrick unter der Woche gegen Bayern ist nur die Kirsche auf seinem fantastischen Start in die Saison. Im Sommer noch als Verkaufskandidat gehandelt, ist Raphinha inzwischen zum Ersatz-Kapitän aufgestiegen und sammelte in 13 Spielen bislang 15 Scorerpunkte. In zentralerer Rolle übernimmt der Brasilianer Verantwortung und glänzt gleichermaßen mit Kreativität, Dribbelstärke und Torgefahr.
Flick gelingt es außerdem hervorragend die zahlreichen Ausfälle von Schlüsselspielern zu kompensieren. Gerade im Mittelfeld fielen bereits Pedri, Gavi, Frenkie de Jong oder auch Dani Olmo für längere Zeit aus. Konsequent setzt Flick bisher auf den eigenen Nachwuchs aus La Masia um die entstehenden Lücken zu schließen. Yamal und Pau Cubarsi, die letztes Jahr schon ins Team integriert wurden, sind unumstrittene Stammspieler. Dazu kommen mit dem defensiven Mittelfeldspieler Marc Casadó, Linksverteidiger Gerard Martín oder, den beiden von Girona zurückgekehrten Offensivspielern, Pablo Torre und Pau Víctor junge Spieler, die vor der Saison weitestgehend unbekannt waren und sich inzwischen zu wertvollen Optionen entwickelt haben.
Taktisch hat Flick das Spiel Barcelonas durchaus verändert. Zwar haben die Katalanen mit knapp 68% weiterhin mit Abstand den meisten Ballbesitz in La Liga. Jedoch wird unter Flick auch immer wieder deutlich direkter der Weg zum Tor gesucht als in früheren Zeiten. Kein Team in den europäischen Top-5-Ligen hat bisher mehr Steilpässe gespielt als Barcelona (fbref.com). Gerade Raphinhas Gespür dafür, im richtigen Moment hinter die gegnerische Abwehrkette in den freien Raum zu starten, nutzt Flick konsequent aus. Auch die anderen Angreifer, wie Yamal und Lewandowski profitieren von Barcas erhöhter Risikobereitschaft in der Offensive.
Doch auch defensiv geht Flick mit seinem Team ins Risiko. Gegen Bayern war es immer wieder klar zu sehen, Barcelonas Viererkette steht extrem hoch und spielt eine hochriskante, aber sehr effektive Abseitsfalle. Kein Team in Europa lässt die gegnerischen Angreifer so oft ins Abseits laufen, wie die Katalanen. Insgesamt macht diese erhöhte Risikobereitschaft Barcelona unter Flick zu einem extrem attraktiven, aber bisher auch extrem erfolgreichen Team.
Raphinha spielt bisher eine herausragende Saison und steht sinnbildlich für Barcelonas Entwicklung. (Photo by David Ramos/Getty Images)
Ganz anders sieht die Stimmung in Madrid aus. Das vielumjubelte Comeback nach 0:2-Pausenrückstand gegen Borussia Dortmund kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei den Madrilenen noch nicht rund läuft. Carlo Ancelotti hat auch öffentlich darüber gesprochen, dass die einzelnen Bestandteile seiner Mannschaft noch besser zueinander finden müssen. Bisher gelang es Ancelotti nicht eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive zu finden. In Verbindung mit zahlreichen verletzungsbedingten Ausfällen ergeben sich Probleme in praktisch allen Mannschaftsteilen.
Im Tor fehlt Thibaut Courtois wieder mal verletzt. In der Abwehr ist die Personaldecke sehr dünn, durch den Ausfall von Kapitän Dani Carvajal stellt sich die Viererkette praktisch von selbst auf und es gibt kaum Raum für Rotation. Im Mittelfeld fehlt Toni Kroos deutlich mehr als es viele nach seinem Karrierrende im Sommer erwartet hätten. Jude Bellingham läuft seit Monaten seiner Form aus der Hinrunde 2023/24 hinterher und sucht seine optimale Position im Team. Eduardo Camavinga verpasste den Saisonstart verletzt und sein französischer Landsmann Aurélien Tchouaméni muss immer wieder in der Abwehr aushelfen. Die einzige Konstante im Zentrum ist neben Luka Modric, der mit seinen 39 Jahren nicht jünger wird, bisher Federico Valverde.
Trotz seiner acht Saisontore wirkt es so, als sei Kylian Mbappé noch nicht richtig angekommen in Madrid. (Photo by David Ramos/Getty Images)
In der Angriffsreihe wirkt Kylian Mbappé auch Ende Oktober oft wie ein Fremdkörper im Team. Das Zusammenspiel zwischen Vinicius Junior, der als einer der wenigen Madrilenen in herausragender Form ist, und Mbappé sieht in Ansätzen durchaus vielversprechend aus. Über 90 Minuten bleibt aber bisher oft das Gefühl, dass die beiden sich in ihrer Spielweise zu sehr ähneln. Unter der Woche wurde zudem bekannt, dass Rodrygo im Clásico verletzt fehlen wird. In der Liga musste Real aufgrund der vielen Probleme bisher oft auf Einzelleistungen, späte Tore und Strafstöße vertrauen, um Siege einzufahren.
Unterm Strich geht Barcelona für viele Beobachter als leichter Favorit ins Gipfeltreffen am Samstagabend. Die Stimmung bei den Katalanen ist, ob des tollen Saisonstarts, herausragend. Hansi Flick hat in kürzester Zeit seine Kritiker verstummen lassen und eine Mannschaft geformt, die mitreißenden und erfolgreichen Fußball spielt. Beim Rivalen Real Madrid steht Trainer Ancelotti momentan vor vielen Fragezeichen, was die Komposition seiner Mannschaft angeht und muss zudem auf wichtige Stützen verzichten. Es wird somit spannend zu sehen, wer nach dem Wochenende positiver gestimmt ist und ob sich die veränderte Stimmungslage langfristig manifestieren kann.
(Photo by David Ramos/Getty Images)
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