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·30. August 2019

Rouven Schröder exklusiv: „Wir wollen unsere Spieler zu Profis entwickeln, die auf dem Markt gefragt sind!“

Artikelbild:Rouven Schröder exklusiv: „Wir wollen unsere Spieler zu Profis entwickeln, die auf dem Markt gefragt sind!“

Von fussball.news-Reporter Christopher Michel

Sportvorstand Rouven Schröder äußert sich vor dem Duell des FSV Mainz 05 beim FC Bayern München (Samstag, 15.30 Uhr) im Exklusiv-Interview mit fussball.news ausführlich zum kommenden Gegner, über die Scoutingarbeit bei den Rheinhessen, die eigene berufliche Zukunft und die Zusammenarbeit mit Trainer Sandro Schwarz. Außerdem verrät der 43-Jährige, weshalb ihn die Arbeit als Trainer reizen würde.


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fussball.news: Herr Schröder, als Bundesligaprofi haben Sie ihren Teamkollegen der Überlieferung nach gerne lustige Spitznamen verliehen, zum Beispiel tauften Sie Keeper Michael Esser „Bruno“. Nun sind Sie seit sieben Jahren im Managementbereich tätig, seit 2016 arbeiten Sie für Mainz 05. Darf man auch als Manager oder Sportvorstand noch „Kumpeltyp“ zu den Spielern sein?

Rouven Schröder: Dass sich der Spitzname noch hält – das überrascht mich! Michael ist jedenfalls ein überragender Typ und ein sehr guter Torhüter. Um auf den zweiten Teil Ihrer Frage einzugehen: In meiner Funktion als Sportvorstand bei Mainz 05 ist mir eines besonders wichtig: respektvoller Umgang. Respekt gegenüber den Spielern zu wahren, ganz gleich, in welcher Situation sie sich befinden. Ob jemand Stammspieler ist, auf der Bank sitzt oder nicht im Kader steht – jeder Spieler ist ein wertvoller Bestandteil der Mannschaft und soll von uns allen im Verein Respekt und große Wertschätzung erfahren. Natürlich erwarte ich auch Respekt von den Spielern. Ich will mir dabei durchaus eine Kumpeltyp-Ebene mit den Spielern bewahren, auch wenn klar ist, dass ich als Sportvorstand gelegentlich unangenehme Entscheidungen treffen muss. Ich bin einer der Vorgesetzten der Spieler, aber trotzdem will ich keine zu große Distanz zu ihnen aufkommen lassen, sondern für sie und ihre Anliegen zugänglich bleiben. So folgt in der Kabine durchaus mal ein lockerer Spruch von mir, denn das Leben ist einmalig und ernst genug. Wenn wir Führungskräfte nur mit der Peitsche unterwegs sind, dann wird es im Verhältnis zu den Spielern auf Dauer schwierig. Das ist jedenfalls meine Überzeugung.

fussball.news: Als Sie 2016 von Werder Bremen nach Mainz kamen, um beim FSV das große Erbe von Manager-Legende Christian Heidel anzutreten, schlug Ihnen von vielen Fans, Experten und Berichterstattern große Skepsis entgegen. Schließlich standen Sie bis dato im Funktionärsbereich bei einem Bundesligaklub noch nicht in der ersten Reihe. Haben Sie zum Start auch Zweifel geplagt, dass Sie an der Herausforderung Mainz 05 scheitern könnten?

Schröder: Ich habe es mir vorher gut überlegt, als die Anfrage aus Mainz kam, zu 05 zu wechseln. Mir war bewusst, dass der Schritt aus der 1-B-Reihe bei Werder Bremen, wo Thomas Eichin als Geschäftsführer mein direkter Vorgesetzter war, zum FSV als Nachfolger von Christian Heidel eine große Herausforderung darstellt. Schließlich war Christian Heidel ungemein erfolgreich mit Mainz 05 und sehr verwurzelt im Verein. Auch mein Umfeld hat mich im Vorfeld auf diese Tatsache aufmerksam gemacht und Bedenken geäußert. Aber ich habe gesagt, dass ich diese Herausforderung lieber annehme, als sie auszuschlagen.

fussball.news: Zugespitzt gefragt: Besaßen Sie keine Angst beim FSV zu versagen?

Schröder: Ich besaß ein gutes Gefühl für die neue Aufgabe und war überzeugt, die Herausforderung meistern zu können. In der Bundesliga darfst Du ohnehin keine Angst vor dem Scheitern haben. Wenn du zweifelst, dann strahlst du das unsichere Gefühl auch auf dein Umfeld aus. Die Mitarbeiter denken dann: ‚Wenn der schon wackelt, dann muss ich doch auch wackeln.‘ Ich war absolut davon überzeugt, diesen Schritt zu gehen und mir durch harte Arbeit meine Sporen in Mainz zu verdienen. Als Führungskraft und zum Beispiel als Sportvorstand muss man erfolgreich abliefern, den Karren ziehen und den Vereinrepräsentieren und seinen Mann stehen – und zwar nicht nur wenn die Sonne scheint, sondern auch wenn es regnet oder schneit. Die Aufgaben bereiten mir große Freude.

Artikelbild:Rouven Schröder exklusiv: „Wir wollen unsere Spieler zu Profis entwickeln, die auf dem Markt gefragt sind!“

fussball.news: Nun, drei Jahre später, ist festzustellen, dass Sie eine sehr erfolgreiche Arbeit für Mainz 05 leisten. Sie haben den Umbruch im Team eingeleitet, hohe Transfererlöse erzielt, an Trainer Sandro Schwarz auch in Krisenphasen festgehalten und mit Mainz zweimal die Klasse am 33. Spieltag gesichert – und in der Saison 2018/19 war der Abstiegskampf für den FSV gar kein Thema mehr. Allerdings gab es nun einen denkbar schlechten Saisonstart: Mainz ist im DFB-Pokal ausgeschieden und hat die ersten beiden Spiele in der Bundesliga verloren. Welche Zielsetzung hat der FSV für die Spielzeit 2019/20 nun?

Schröder: Wir haben die ersten drei Pflichtspiele verloren. Das ist sicherlich kein Start, wie wir ihn uns gewünscht haben. Wir haben in der letzten Saison erfolgreich gespielt und nun Erwartungen geschürt. Aber: Der FSV ist nicht so strukturiert, dass er lauthals verkünden kann: ‚Wir gewinnen sowieso.‘ Jeder Sieg ist harte Arbeit. Deshalb haben wir schon vor der Saison betont: Das erste Etappenziel ist der Klassenerhalt. Das klingt vielleicht für manchen Experten langweilig, aber wir müssen einschätzen: Wie ist unser Budget? Wie sind unsere Möglichkeiten? Wir müssen uns alles hart erarbeiten und unsere Transferausgaben durch Einnahmen generieren. Mainz hat keinen Investor, der sagt: ‚Kauft euch doch mal den Topspieler XY.‘ Deshalb kann Mainz erst dann ein neues Saisonziel ausrufen, wenn der Klassenerhalt frühzeitig feststeht. Der Klassenerhalt hat für uns oberste Priorität.

„Andere Vereine aus der näheren Umgebung wären froh, überhaupt Bundesliga spielen zu dürfen!“

fussball.news: Besteht ein Zusammenhang zwischen dem schwachen Saisonstart und dem Verletzungspech, das Mainz 05 derzeit besitzt?

Schröder: Wir haben uns viel vorgenommen, aber einen schwierigen Saisonstart erlebt und mit Verletzungspech zu kämpfen. Das Verletzungspech wollen wir aber nicht als Ausrede anführen, wenngleich für Mainz 05 gewisse Spieler einfach nicht zu ersetzen sind. Es ist von großer Bedeutung, nun rational zu handeln und ruhig zu bleiben, um wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden. Dass das Umfeld auch in einer schwierigen Phase sich relativ ruhig verhält, ist elementar für den Verbleib von Mainz 05 in der Bundesliga. Es gibt andere Klubs und Regionen, wo das Umfeld hektischer ist. Dieser Unterschied ist meiner Meinung nach auch ein Standortvorteil von Mainz 05 gegenüber der direkten Konkurrenz.

fussball.news: Dennoch stellt sich die Frage: Ist die Zielsetzung Klassenerhalt auf Dauer wirklich attraktiv genug für Fans und Sponsoren?

Schröder: Andere Vereine aus der näheren Umgebung wären froh, wenn sie überhaupt Bundesliga spielen dürften. Deshalb dürfen wir auch nicht zu locker und arrogant mit unserem Status als etablierter Bundesligaklub umgehen und sagen: ‚Hey, es ist klar, dass wir die nächsten 15 Jahre Bundesliga spielen.‘ Es ist in jeder Spielzeit eine große Herausforderung, zunächst das Ziel Klassenerhalt zu erreichen.

fussball.news: Am kommenden Wochenende steht für den FSV die wohl schwerste Partie der Saison bei Rekordmeister Bayern München an. Bei den vergangenen beiden Gastspielen stellte Ihr Team eher einen Aufbaugegner für die damals jeweils krisengebeutelten Münchner dar (0:6; 0:4; Anm. d. Red.). Erwarten Sie dieses Mal von Ihrer Mannschaft ein anderes Auftreten?

Schröder: Das Duell gegen den FC Bayern München ist speziell. Sie haben eine Topmannschaft und sich in den vergangenen Wochen personell noch weiter verstärkt. Uns ist bewusst, wie schwer diese Aufgabe ist. Wir haben uns schon letzte Saison viel in München vorgenommen, aber nach dem frühen Gegentor hat kaum mehr etwas funktioniert. Dennoch nehmen wir uns immer das Beste vor. Diesmal rechnet keiner mit uns: Wir treten beim FC Bayern an und haben eine schwierige Phase zu meistern. Das ist aber die beste Ausgangssituation, die du vor so einem Topspiel haben kannst. Die Mannschaft kann frei aufspielen, kämpfen und fußballerische Akzente setzen. Eigentlich ist es ein ‚leichteres‘ Spiel für uns in München.

fussball.news: FC-Bayern-Coach Niko Kovac sagte, dass die gesamte Bundesliga sich über einen Neuzugang wie Coutinho freuen dürfe. Wie bewerten Sie diesen Transfercoup, für den die Münchner am Ende des Tages womöglich 120 Millionen Euro an Ablöse bezahlen?

Schröder: Philippe Coutinho ist ein herausragender Spieler. Zuletzt wurde oft kritisiert, dass die Bundesliga nicht attraktiv genug sei und Stars ins Ausland abwandern. Mit Coutinho ist ein Topstar von Spanien nach Deutschland gekommen. Das ist auch ein Zeichen nach außen. Dieser Transfer, auch wenn es vorerst nur ein Leihgeschäft ist, hebt die immer noch große Bedeutung der Bundesliga im internationalen Fußball hervor. Unabhängig davon, welchem Verein man die Daumen drückt, begrüße ich deshalb diesen Transfer sehr und freue mich, Coutinho in der Bundesliga spielen zu sehen.

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Die Karriere von Rouven Schröder

Geboren am 18. Oktober 1975 in Arnsberg

Werdegang als Spieler:

Start der Profikarriere 1999 beim VfL Bochum II, wo Rouven Schröder bis 2002 geblieben ist

Von 2002 bis 2004 beim MSV Duisburg

2004 bis 2007 beim VfB Lübeck

2007 bis 2009 beim VfL Bochum II

2010 beim VfB Lübeck

2011 beim NTSV Strand 08

Werdegang als Trainer:

2009 bis 2010 Spielertrainer beim VfL Bochum II

2010 Spielertrainer beim NTSV Strand 08

2013 Co-Trainer bei SpVgg Greuther Fürth

Werdegang als Funktionär:

Von 2014 bis 2016 bei Werder Bremen als Direktor Fußball und Scouting

Seit 2016 beim FSV Mainz 05 tätig: Erst als Sportdirektor, seit Juli 2017 als Sportvorstand

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fussball.news: In Sachen Transfers haben Sie in der Saison 2018/19 für ein Mainzer Rekordjahr gesorgt: Sie verkauften Spieler im Wert von über 50 Millionen Euro. Der größte Coup war der Transfer von Abdou Diallo zu Borussia Dortmund, der dem FSV dem Vernehmen nach 28 Millionen Euro in die Kasse gespült hat. In diesem Sommer folgte der Verkauf von Jean-Philippe Gbamin für 25 Millionen Euro an den FC Everton. Ist es für Sie ein Anreiz, auch bald mit einem Spielerverkauf die 30-Millionen-Marke zu knacken?

Schröder: Wir machen uns frei von der Höhe von Ablösesummen, das wird der Sache nämlich nicht gerecht. Über allem steht, das Beste für den Verein herauszuholen. Aber es gibt immer bestimmte Parameter und Nuancen, die einen Transfer nach oben oder nach unten bewegen: Gibt es mehrere Interessenten für den Spieler – oder nur einen Klub? Wie ist die Beratersituation oder der Kontakt zum Verein? Davon hängt vieles ab. Uns tangiert nicht, ob wir den neuen ‚Super-Super-Transfer‘ gelandet haben. Nur weil zum Beispiel Diallo uns etwas mehr Geld eingebracht hat, heißt das nicht, dass Gbamin automatisch mehr kosten muss. Es geht darum, das Bestmögliche zu erreichen – aber nicht unter der Maxime, einen neuen Topverkauf präsentieren zu müssen.

„Verein wirbt damit, ein Sprungbrett für junge Spieler zu sein“

fussball.news: In Ihrer Amtszeit in Mainz haben Sie sich nahezu keinen Fehleinkauf geleistet. Nahezu jeder neue Spieler steigerte seinen Marktwert und brachte sich wertvoll ins Team ein. Können Sie uns das Geheimnis verraten, warum der FSV in diesem Bereich deutlich effizienter und erfolgreicher als viele andere Bundesligaklubs arbeitet?

Schröder: Wir äußern uns nie dazu, wie andere Vereine arbeiten, außer natürlich im positiven Falle. Ich kann nur für Mainz 05 sprechen. Bei uns gilt: Wir müssen weiter hart arbeiten, versuchen schneller zu sein als die Konkurrenz und uns zügig bei Transfers entscheiden – auch in dem Moment, in dem noch Restprozente Zweifel bleiben, weil es sich zum Beispiel um den Transfer eines jungen Spielers handelt. Es geht um elementare Fragen: Wie integrieren sich neue Spieler? Wie gehen sie mit der Sprache um? Wie gehen sie mit schlechteren Spielen um? Fühlen sie sich in der Stadt wohl? Kommt die Familie mit? Es sind so viele Punkte, die es zu bedenken gibt. Wir haben einen Markt für uns entwickelt: Mainz 05 ist in europäischen Nachbarländern wie zum Beispiel Frankreich durchaus ein Klub mit einem attraktiven Profil. Inzwischen können auch wir bei Transfers auch wirtschaftlich in höhere Regale greifen und sind mutig genug, höhere Ablösen zu bezahlen.

fussball.news: Die hohen Transfererlöse lassen auf den ersten Blick vermuten, dass sie eine große Scoutingabteilung besitzen. Wie geht Mainz 05 bei der Spielerbeobachtung vor?

Schröder: Wir nehmen eine inhaltliche Bewertung von Spielern durch Beobachtung von Livespielen, Scouting und Gespräche vor. Unser Ziel ist es, sich bestmöglich aufzustellen und den Kader zu verstärken. Wir folgen dabei gewissen Kriterien, die eng mit dem Cheftrainer abgesprochen sind. Mir ist wichtig, dass ich dafür ein kleines Scoutingteam habe. So können Entscheidungen schneller getroffen werden. Du kannst nicht die ganze Welt bereisen und jeden einzelnen Spieler scouten. Wichtig ist, die richtigen Spieler mit dem passenden Profil zu scouten. Mainz hat drei hauptamtliche Mitarbeiter und vier Honorarkräfte. Die machen einen tollen Job.

fussball.news: Vor allem der französische Markt ist dabei in den Mittelpunkt gerückt.

Schröder: Daran hängen sich die Bewertungen auf, da haben wir die größten Schritte gemacht. Gbamin war der erste Spieler, den wir aus einer französischen Liga nach Mainz geholt haben, wobei Abdou Diallo der erste Profi war, der dann für eine hohe Ablösesumme zu einem Top-Klub gewechselt ist. Wir konnten dadurch abbilden, dass sich Spieler aus Frankreich bei Mainz 05 wohlfühlen, sich entwickeln und ein neues Level erreichen können. Diallo ist dabei nicht nur zu einer Zwischenstation, sondern mit Borussia Dortmund gleich zu einem Spitzenklub gewechselt. Das war auch ein Zeichen auf dem Transfermarkt. Wir schauen uns zwar zuerst in Deutschland nach potenziellen Neuzugängen um, aber ein solcher Transfer ist finanziell oft schwerer abzubilden. Der unter anderem französische Markt ist dagegen zum Teil noch finanzierbar für Mainz. Die Spieler der Ligue 1 finden die Bundesliga auch in Sachen Infrastruktur zumeist sehr attraktiv. Deshalb sind wir häufig der richtige Schritt für diese Spieler auf ihrem weiteren Karriereweg.

fussball.news: Könnte es jedoch sein, dass wenn Sie zu oft auf eine kurze Verweildauer von Profis setzen, es zu einer gewissen Entfremdung zwischen Fans und Mannschaft kommt? Ein Teil der Supporter befürchtet, dass es womöglich bald Identifikationsfiguren wie Bell, Bungert oder Noveski beim FSV nicht mehr geben wird. Können Sie die Fans beruhigen?

Schröder: Aus Sicht des Fans ist diese Sichtweise klar, aber der Transfermarkt wird immer dynamischer. Mainz hat schon immer von dieser Vorgehensweise auf dem Markt gelebt, das hat bereits Christian Heidel sehr gut vorgemacht. Das Modell wird es bei uns auch weiterhin geben, Mainz ist ein Aus- und Weiterbildungsverein. Die neuen Spieler wissen, dass sie ihre Karriere in Mainz wohl nicht beenden werden. Von diesem Modell lebt der Verein auch. Der Verkauf von Diallo etwa war ein wirtschaftlich toller Transfer, ein echtes Brett für uns! Er kam für fünf Millionen Euro – und ist dann für ein Vielfaches gewechselt. Wenn dann Fans enttäuscht sind, weil sie ein Trikot von Diallo gekauft haben und er ein Jahr später bereits weg ist, dann verstehe ich das total. Aber Identifikationsfiguren sind das eine, die Leute wollen aber auf der anderen Seite auch Leistung und Erfolge sehen. Wir versuchen die Mannschaft so gut zusammenzustellen, wie es nur geht und die richtige Mischung zu finden.

fussball.news: Mit Jean-Philippe Mateta, Moussa Niakhate, Jean-Paul Boetius oder Aaron Martin stehen die nächsten Spieler auf den Listen von größeren Klubs. Können Sie sich Stück für Stück vielleicht doch vom Status eines Ausbildungsvereins lösen und diese Spieler möglicherweise langfristig an den Verein binden?

Schröder: Prinzipiell gilt für Mainz: Es muss darstellbar sein. Das heißt, wir müssen auf alle Situationen vorbereitet sein, aber natürlich dürfen wir keinen Ausverkauf der Mannschaft zulassen. Der Verein wirbt auch damit, dass er jungen Profis als Sprungbrett zu einer noch größeren Karriere dient. Bei Gbamin konnten wir im Sommer 2018 noch nein sagen und Angebote ablehnen. Sein Verkauf wäre sonst in die gleiche Periode wie der Transfer von Diallo gefallen. Mainz konnte im letzten Jahr nicht zwei Leistungsträger auf einmal abgeben. Deshalb ist Gbamin erst in diesem Sommer gewechselt. Wir wissen nicht, wie es sich jetzt bei den von Ihnen genannten Spielern entwickelt, aber ich betone: Wir wollen unsere Spieler zu Profis entwickeln, die auf dem Markt gefragt sind! Wenn ein Scout eines anderen Klubs behaupten würde, dass er bei uns nichts zu gucken hat, dann haben wir etwas falsch gemacht.

fussball.news: Der Begriff „Sprungbrett“ ist somit kein Problem?

Schröder: Nein. Das Problem ist doch: Wenn du einem Spieler sagst, dass du ihn für fünf Jahre holst und ihm dann für vier Jahre die Handschellen anlegst, dann glaube ich nicht, dass er sich für dich entscheidet, weil du eben nicht das höchste Budget hast. Der Spieler kommt ja auch, weil er weiß, dass er den nächsten Schritt bei uns machen kann.

Zuschauerschwund? „Ehrlich gesagt: Ich kann das nicht mehr hören!“

fussball.news: Die vergangenen Jahre haben Zuschauer-technisch jedenfalls Spuren hinterlassen. Zwischen den Saisons 2011/12 und 2015/16 lag der Schnitt stets bei über 30.000 Besuchern pro Partie. Nun wurde drei Jahre in Folge die 30.000-Marke verfehlt. Obwohl Sie viel probieren – Stichwort Slogan oder auch Fanabende – schlägt sich das offenbar noch nicht in Sachen Zuschauerzahlen nieder. Das Stadion war zuletzt nur zweimal ausverkauft – gegen den BVB und den FC Bayern. Wie erklären Sie sich in der Tendenz den Zuschauerrückgang?

Schröder: Ehrlich gesagt: Ich kann das nicht mehr hören. Gefühlt gilt in mancher Berichterstattung die Gleichung: Mainz 05 bedeutet gleich Zuschauerschwund. Allerdings verzeichnen zahlreiche Klubs tendenziell einen leichten Zuschauerrückgang. Das Thema ist nicht speziell auf Mainz 05 zu münzen, es betrifft zahlreiche Vereine. Ich weiß nicht, warum es ausgerechnet gerne bei Mainz 05 zu einem großen Thema gemacht wird. Wir haben im Schnitt über 26.000 Zuschauer pro Partie und eine Auslastung von rund 80 Prozent. Das ist für den Standort Mainz sehr gut, zumal Mainz mit rund 200.000 Einwohnern zu den kleinsten Städten in der Bundesliga zählt. Man sollte auch nicht vergessen, dass sich das Freizeitverhalten der Menschen verändert und nicht jeder Verein im nach Fußball endverrückten Ruhrpott beheimatet sein kann. Trotzdem befinden sich die Zuschauerzahlen von Mainz 05 auf einem guten Niveau – und ich versichere: Wir hören uns die Wünsche der Fans an und kämpfen um jeden Zuschauer mehr in der Opel-Arena.

fussball.news: Innerhalb des Teams wirkt die Stimmung dennoch harmonisch. Die Chemie zwischen Ihnen und Trainer Sandro Schwarz scheint besonders gut zu sein. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht in der heutigen Zeit, dass Manager/Sportvorstand und Trainer an einem Strang ziehen?

Schröder: Ich finde das Wort ‚harmonisch‘ nicht gut. Das heißt ja, dass wir uns nur in den Armen liegen würden. Sandro Schwarz und ich sind überzeugt von der gemeinsamen Arbeit. Wenn es aber nur harmonisch zugeht, dann klingt das ja wie in einer Traum-Ehe. Natürlich gibt es auch Momente, in denen wir die Dinge unterschiedlich sehen. Diese Reibung ist nötig, aber am Ende ist Geschlossenheit elementar wichtig. Man kann sich kritisch unterhalten, aber wenn wir das Gesprächszimmer verlassen haben, dann muss ein Konsens vorherrschen – auch in schwierigen Phasen. Wenn ich von einem Trainer überzeugt bin, dann gehe ich auch gemeinsam mit ihm durch dick und dünn. Sandro und ich haben eine sehr gute Zusammenarbeit. Wir können in manchen Situationen kontrovers diskutieren und uns fetzen, aber dann geht es wieder als verschworene Einheit in die nächste Partie. Ganz wichtig ist, dass niemand nachtragend ist. Man muss nicht tagelang sauer sein, wenn es mal kritisch zuging. Wir wollen erfolgreich arbeiten und wie mein Vater früher schon sagte: ‚Da, wo gehobelt wird, fallen auch Späne.‘ Mit dem Begriff Harmonie kann ich aber nichts anfangen, weil das heißen würde, dass wir alles toll und rosig sehen und nichts hinterfragen.

fussball.news: Aber erschwert ein schwacher Saisonstart nicht die Zusammenarbeit zwischen Sandro Schwarz und Ihnen?

Schröder: Wir sind sturm- und kampferprobt. Im ersten Jahr von Sandro war es auch schwierig und in der vergangenen Saison gab es auch eine Phase, wo die Mannschaft einige Spiele verloren hat. Wir bewerten die sehr gute Zusammenarbeit mit Sandro sicherlich nicht anhand von einer Negativserie. Wichtig ist uns die tagtägliche Arbeit – und die ist seit über zwei Jahren sehr gut.

fussball.news: Sie haben in einem Interview verraten, dass auch Sie gerne im Besitz einer Trainerlizenz wären. Gemäß dem Fall, Sie würden eine Ausbildung machen: Welche Qualitäten und Eigenschaften würden Sie sich gerne von Sandro Schwarz aneignen?

Schröder: Ich werde hoffentlich irgendwann meine Trainerlizenz machen. Das ist ein großer Wunsch von mir, weil mir die Zusammenarbeit mit Menschen Spaß macht und zudem es eine tolle Fortbildung wäre. Am wichtigsten ist die Authentizität, ein respektvoller Umgang und Disziplin. Menschlichkeit steht in dieser Position ganz oben. Jeder ist mal hektisch, aber am Ende des Tages soll der wahre Kern wiedererkannt werden. Wenn man diesen Charakter hat, dann sollte man sich auch in der Krise nicht verändern. Das schätze ich so an Sandro Schwarz: Dass er auch nach Tiefschlägen so bleibt, wie er ist. So dient er auch in schwierigen Phasen als Vorbild für die Spieler.

fussball.news: Fachlich betrachtet: Würden Sie sich mehr auf die Seite von Taktikfreak Guardiola oder auf die Seite von Power-Fußball a la Klopp einordnen?

Schröder: Ich komme aus dem Scouting-Bereich, aus der Spielanalyse. Wo genau ich mich einordnen würde, kann ich so genau nicht sagen. Jürgen Klopp ist fachlich top, er ist medial herausragend und er baut eine besondere Beziehung zu seinen Spielern auf, die dann für ihn durchs Feuer gehen. Gleichzeitig ist Klopp ein Kämpfer, der alles für den Verein gibt. Pep Guardiola ist hingegen ein echter ‚Taktikfreak‘. Klopp und Guardiola – die beiden sind momentan sicherlich die außergewöhnlichsten Trainer in der Fußballwelt.

„Bin total dankbar, für diesen Klub arbeiten zu dürfen“

fussball.news: Wenn wir nochmal das Thema Transfers aufgreifen: Sie selbst haben in den letzten 15 Monaten Wechselangebote von mindestens zwei großen Traditionsklubs (HSV, Gladbach) erhalten. Aller Erfahrung nach dürften Sie demnächst wieder Offerten von größer einzustufenden Klubs erhalten. Offen gefragt: Bis zu welchem (Zeit-)Punkt halten Sie Mainz 05 die Treue?

Schröder: Der FSV Mainz 05 ist ein wunderbarer Verein und ich bin total dankbar, für diesen Klub arbeiten zu dürfen. Ich fühle mich wohl, habe einen langfristigen Vertrag und spüre das Vertrauen der Vereinsführung und der Klubgremien. Ich glaube auch, die Mainzer haben bereits mitbekommen, dass ich nicht bei der ersten Gelegenheit den Klub verlasse. Angebote anderer Klubs sind aber für mich auch eine Art Anerkennung für unsere Arbeit im Verein. Das ist besser als ein Klub, der vor sich hindümpelt und für dessen Spieler und Funktionäre sich niemand interessiert. Ich gebe aber auch zu bedenken: Man geht oftmals von einer weiteren Topentwicklung des Klubs aus, doch was ist, wenn der Verein im Dezember in einer tiefen Krise steckt und die Klubgremien nicht mehr zufrieden mit meiner Arbeit sind? Dieses Worst-Case-Szenario sollte man sich auch vor Augen halten. Ob ich also noch zehn Jahre dem Verein erhalten bleibe, dass kann jetzt keiner vorhersagen und ist auch nicht so wichtig. Ohnehin geht es nicht um meine Person. Wir wollen als Team insgesamt beim FSV einen guten Job abliefern und den Klub weiter in der Bundesliga etablieren.

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