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·28. Januar 2025

Sócrates: Der Rebell mit der magischen Hacke

Artikelbild:Sócrates: Der Rebell mit der magischen Hacke

Er rauchte wie ein Schlot, soff wie ein Loch und spielte Fußball wie ein Gott. Dr. Sócrates, Brasiliens Fußball-Philosoph, revolutionierte den Fußball und Brasiliens Gesellschaft auf unkonventionelle Art.

Er rauchte wie ein Schlot, soff wie ein Loch und spielte Fußball wie ein Gott. Dr. Sócrates, Brasiliens Fußball-Philosoph und Revoluzzer, war alles andere als ein typischer Athlet. Doch was ihm an Muskeln fehlte, machte er mit Intelligenz, Technik und einer Portion Coolness mehr als wett. Er revolutionierte nicht nur den Fußball, sondern auch die brasilianische Gesellschaft – auf seine ganz eigene, unkonventionelle Art.


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Die Geburt eines Andersdenkenden

Er war einer der größten Fußballer seiner Zeit, aber auch viel mehr als das. Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira, kurz Dr. Sócrates. Benannt nach dem griechischen Philosophen Sokrates, wuchs der spätere Superstar als Sohn einer privilegierten Mittelschichtsfamilie auf. Sein Vater legte ihm Weltliteratur ans Herz, prägte damit seinen kritischen Geist und vermittelte ihm die Liebe zur Bildung. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen begann Sócrates seine Profikarriere nicht als Teenager, sondern erst nach dem Abschluss seines Medizinstudiums mit 24 Jahren.

Doch was er an Zeit im Fußball verlor, machte er schnell wett – und wie. Sócrates erinnerte sich bei ESPN: „Mein Vater hat mich nach einem Philosophen benannt, aber Fußball war meine wahre Sprache. Es war die Kunst, mit der ich sprechen konnte.“ Dieser künstlerische Ansatz spiegelte sich in seiner Art zu spielen wider. Er war spindeldürr, Krafttraining war ihm zuwider. Seine athletischen Defizite glich der 1,92-m-Schlaks mit Spielintelligenz aus. Und er war technisch brillant.

Der schönste Fußball der Welt

Sócrates’ Spielstil war eine Klasse für sich. Nicht er lief, er ließ den Ball laufen, erfand den One Touch Football. Seine Hackenpässe wurden legendär, sein kühles Auftreten am Elfmeterpunkt unvergesslich, sein Strafstoß gegen Polen bei der WM 1986, den er fast aus dem Stand verwandelte, Sinnbild für seine Eleganz und Coolness.In den 1980er Jahren war Sócrates die Schaltzentrale einer brasilianischen Nationalmannschaft, die als eine der talentiertesten aller Zeiten gilt. Stars wie Zico, Falcão und Eder zauberten auf dem Rasen. Die Krönung hätte die Weltmeisterschaft 1982 in Spanien werden sollen. Brasiliens Offensivspiel begeisterte die Welt – bis Italien im Viertelfinale mit pragmatischem Defensivfußball einen Strich durch die Rechnung machte.

Doch trotz aller Genialität auf dem Platz blieb Brasiliens schönster Fußball titellos. „Wir sind in Schönheit gestorben“, sagte Sócrates später über das tragische Ausscheiden gegen Italien, fügte aber an: „Wir spielten, um die Menschen zu begeistern. Vielleicht hätten wir mehr gewinnen können, wenn wir anders gespielt hätten, aber das war nicht unsere Mission.“ Seine Mission war das „Jogo Bonito“, das schöne Fußballspiel.

Der Kampf gegen die Diktatur

Und Sócrates hatte noch eine Mission: die Demokratie. Zu einer Zeit, als Brasilien von einer brutalen Militärdiktatur beherrscht wurde, wurde er zum Gesicht des Widerstands. Bei Corinthians, seinem Club in São Paulo, revolutionierte er den Alltag. Er war Teil der von seinem Sportdirektor Adilson Monteiro Alves ins Leben gerufenen „Democracia Corinthiana“. Bei den Corinthinas wurde alles demokratisch entschieden – das ging von Taktikfragen bis zu den Essenszeiten. Für Sócrates war dies mehr als nur ein Experiment im Sport: “Wir wollten den Menschen zeigen, dass Demokratie funktioniert – nicht nur auf dem Spielfeld, sondern im ganzen Leben“““, erklärte Sócrates bei SportTV.

Es war sein Beitrag für den Kampf gegen autoritäre Strukturen. Bei einer großen Kundgebung gegen das Regime 1984 erklärte er vor 1,5 Millionen Menschen: „Wenn die Direktwahl des Präsidenten durchgesetzt wird, bleibe ich in Brasilien.“ Doch der Antrag scheiterte. „Es war meine größte Niederlage, nicht als Spieler, sondern als Mensch. Ich hatte wirklich gedacht, wir könnten etwas verändern“, gestand er später. Frustriert wechselte er zur Fiorentina nach Italien.

Zwischen Genie und Selbstzerstörung

Dort wurde er aber nicht heimisch. Der taktisch geprägte europäische Fußball und die Disziplin, die sein Trainer forderte, waren nicht nach seinem Geschmack. Nach nur einer Saison kehrte er nach Brasilien zurück, wo er seine Karriere austrudeln ließ. Danach geriet sein Leben aber mehr und mehr aus den Fugen. Socrates verfiel immer mehr dem Alkohol – auch weil er außerhalb des Fußballs keine Stabilität fand. Mehrere Ehen scheiterten ebenso wie verschiedene Berufsprojekte.

Am 4. Dezember 2011 verstarb Dr. Sócrates im Alter von nur 57 Jahren an den Folgen seines Alkoholmissbrauchs. “Ich rauche, trinke und denke – aber irgendwann hat der Körper genug”, hatte er wenige vor seinem Tod bei Sky Sports erklärt. Dass gerade er, ein ausgebildeter Mediziner, die zerstörerischen Folgen des Alkohols ignorierte, zeigt die Widersprüchlichkeit, die ihn zeitlebens prägte. Er wusste, was ihm schadete – und machte trotzdem weiter, bis zum bitteren Ende.

Sócrates starb übrigens genau so, wie er sich das schon 1983, in der Blüte seines Lebens gewünscht hatte. Damals hatte er in einem Interview gesagt: “An einem Sonntag und die Corinthians sollen brasilianischer Meister werden”. Und genauso kam es. Erst starb Socrates, dann gewann sein Herzensclub den Titel. Ein passendes Ende für diesen in jeder Hinsicht weitsichtigen Mann, der stets für das Schöne im Leben und im Sport stand. Seine Ideale und seine Eleganz auf und neben dem Platz machen ihn zu einer unvergesslichen Figur, einer Legende für die Ewigkeit.

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