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Philipp Overhoff·7. Dezember 2025
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Philipp Overhoff·7. Dezember 2025
Wenn man nur den Blick auf die Tabelle richtet, könnte man meinen, im kühlen Norden Deutschlands herrsche halbwegs solide Normalität: Der HSV steht als Aufsteiger auf einem ordentlichen dreizehnten Platz, Werder Bremen nach turbulenter Sommerpause auf Rang neun.
Natürlich, es gab auch Zeiten, in denen ein Nordderby unter glamouröseren Vorzeichen stattfand. Zum Beispiel als Rothosen und Grün-Weiße Mitte der 2000er um den Status als zweite Bundesliga-Kraft hinter dem FC Bayern kämpften. Es gab aber auch schlechtere. Stichwort Zweitliga-Derbys zu Corona-Zeiten.
Doch wer genauer hinschaut, erkennt ein seltenes Phänomen. Die verhassten Rivalen teilen aktuell vermutlich mehr Gemeinsamkeiten, als ihnen lieb ist. Um die Dinge mal typisch norddeutsch auf den Punkt zu bringen: Beide Sturmreihen sind in dieser Saison so harmlos wie eine Möwe auf Fischbrötchen-Diät.
Vor dem ersten Bundesliga-Nordderby seit 2018 steht daher die Frage im Raum: Welche Raute findet zuerst den Weg aus der Flaute?
Denn beide Traditionsklubs leiden unter dem gleichen Problem: Sie haben Angreifer, die kaum oder gar nicht treffen. Beim HSV stehen in dieser Saison ganze zwei Tore durch klassische Neuner zu Buche. Ransford Königsdörffer hat eines beigesteuert, Robert Glatzel das andere.
Bei Werder sieht es noch düsterer aus: Keke Topp und Victor Boniface warten noch immer auf ihre erste Bude. Bezeichnend: Bremens gefährlichster Schütze ist Mittelfeldmotor Jens Stage mit vier Treffern. Kein Wunder also, dass in beiden Fanlagern über keine andere Position derart viel diskutiert wird.
Dabei waren die Nordlichter jeweils mit einem kühnen Plan in die Saison gegangen. Sowohl der HSV als auch Werder verpflichteten einen Stürmer, der unter normalen Umständen vermutlich nicht in ihre Preisklasse gehört hätte. Der eine heißt Yussuf Poulsen, der andere Victor Boniface.

Es sind zwei große Namen, zwei große Hoffnungen, zwei zumindest ähnliche Geschichten. Beide waren nur deshalb verfügbar, weil Verletzungen sie ausgebremst hatten. Beide wollten ihre Karriere in neuer Umgebung wieder in Schwung bringen. Und trotzdem stehen beide noch immer bei null Toren.
Besonders beim HSV ist die Lage frustrierend: Poulsen kommt weiterhin kaum in Fahrt, verletzte sich seit seiner Ankunft schon dreimal und steht Anfang Dezember bei gerade einmal 183 Bundesliga-Minuten.
Boniface hingegen ist zumeist spielfähig, aber nur selten spritzig. Die Verantwortlichen sprachen anfangs noch vorsichtig von „nicht optimaler Fitness“, später berichtete die 'Bild' sogar von Gewichtsproblemen. Dazu sollen Trainingsinhalte bei ihm nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Kurz gesagt, die Hoffnungsträger sind bislang noch nicht die erwünschte Hilfe.
Doch auch die aktuell gesetzten Stürmer – Königsdörffer beim HSV und Topp beim SVW – kämpfen mit jeweils ähnlichen Problemen. Sie sind jung, talentiert, vielversprechend, aber noch nicht dazu bereit, die Lasten eines Bundesliga-Angriffs im Alleingang zu schultern.
Königsdörffer traf bisher nur ein Mal und hatte anderweitig viel Pech mit zurückgenommenen Toren, Lattentreffern oder einem verschossenen Elfmeter.
Topp hingegen erwischte es zuletzt gleich doppelt: Zwei Treffer wurden ihm durch den Video-Assistenten aberkannt. Dass sich da Frust aufbaut, ist verständlich. „Es fuckt mich ab, es nervt“, sagte Topp offen. „Es geht nicht komplett an mir vorbei. Aber wenn ich verkrampfe, wird es nichts.“ Ehrlicher kann man die Situation kaum beschreiben.
Die Trainer aber halten weiter zu ihren jungen Hoffnungsträgern. Werder-Coach Horst Steffen lobt Topp regelmäßig: „Er steigert sich, hat weniger Ballverluste, wodurch unser Spiel im Fluss bleibt.“
HSV-Trainer Polzin sagt Ähnliches über Königsdörffer: Er sei wichtig für das phasenweise etablierte Ballbesitzspiel, seine Tiefenläufe und seine Arbeit gegen den Ball würden im Team hoch geschätzt.
📸 Maja Hitij - 2025 Getty Images
Trotz aller taktischen Argumente gilt im Fußball jedoch eine Wahrheit, die in etwa so hart ist wie Tim Wieses „legendärer" Kung-fu-Kick gegen Ivica Olić: Am Ende werden Stürmer nun mal an Toren gemessen.
Mehr Druck braucht da eigentlich eigentlich keiner. Doch beim HSV kam er zuletzt trotzdem. Der lange nicht berücksichtigte Robert Glatzel, der Königsdörffer gegen Stuttgart auf die Bank verdrängt hatte, traf prompt zum 1:0, verletzte sich aber kurz darauf und fällt nun bis Jahresende aus. Bedeutet: Königsdörffer hat derzeit quasi eine Einsatzgarantie, muss aber auch unbedingt liefern. Vielleicht ist genau das eine Chance?
Denn das Timing könnte brisanter kaum sein: Das 109. Bundesliga-Nordderby steht an. Die Fans haben siebeneinhalb Jahre darauf gewartet, sich wieder in der ersten Liga zu messen. Die Rivalität kocht seit Wochen hoch und auf dem Platz treffen ausgerechnet zwei kriselnde Knipser aufeinander. Königsdörffer auf der einen Seite, Topp auf der anderen – ein Werder-Eigengewächs und gebürtiger Bremervördener, der ohnehin davon träumt, gegen den ungeliebten Widersacher aus der nördlicheren Hansestadt zu treffen. Einer von beiden könnte zum Helden werden. Und all die vorherigen Probleme würden im Freudentaumel untergehen.
📸 Selim Sudheimer - 2025 Getty Images
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