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·28. Juni 2024
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21 Länderspiele gab's dort - und nur eine Niederlage. Ein gutes Zeichen fürs EM-Achtelfinale gegen Dänemark? Erinnerungen an 2006 werden wach
Falls es vor dem EM-Achtelfinale gegen Dänemark, in das die Deutschen als Favorit gehen, noch eines Mutmachers bedurft hätte, dann bietet ihn die Bilanz des Stadions. In Dortmund hat Deutschland 21 Länderspiele bestritten und nur einmal verloren – demgegenüber stehen 18 Siege und zwei Remis. Wäre Fußball also doch Mathematik, ließe sich eine Siegwahrscheinlichkeit von 85% allein von der Tatsache ableiten, dass wieder mal in Dortmund gespielt wird, wo es allein 13 Pflichtspiele gab. Schon länger wissen sie beim DFB ja: Die wichtigen Spiele geben sie am besten nach Dortmund, wo der Nationalelf eigentlich nichts passieren kann.
Keine Regel ohne Ausnahme, an die sich noch Millionen von Fans schmerzlich erinnern werden. Im WM-Halbfinale 2006 gewannen die Italiener „in unserem Lieblingsstadion“ (O-Ton Bundestrainer Jürgen Klinsmann) mit 2:0, aber auch da erst durch Tore in der 119. und 120. Minute. Während der regulären Spielzeit ist Deutschland in Dortmund also ungeschlagen, obwohl sich die Austragungsstätte im Laufe der Jahrzehnte doch sehr wandelte.
Von der Premiere 1935 gegen Irland dürfte es keine Augenzeugen mehr geben. Das Testspiel war eines von zweien im Stadion Rote Erde und auch deshalb besonders, weil es das erste Länderspiel an einem Mittwochabend war. Ohne Flutlicht, man nutzte das Tageslicht im Mai.
Weniger besonders war das Ergebnis (3:1), denn Siege pflasterten den Weg der Deutschen in Dortmund fortan in schönster Regelmäßigkeit. Beim 6:0 gegen Albanien in der EM-Qualifikation 1967 fielen die ersten Tore eines gewissen Gerd Müller, gleich vier an der Zahl. Er war auch sieben Jahre später noch dabei, als das eigens für die WM gebaute Westfalenstadion seine Länderspielpremiere erlebte – mit einem 5:0 gegen Ungarn. Beim nächsten Schützenfest 1976 gegen Malta (8:0) geschah Unglaubliches – der kleine Verteidiger Berti Vogts köpfte unter dem Jubel der Massen sein erstes und einziges Länderspieltor in 96 Einsätzen.
Im fünften Spiel gab es erstmals keinen Sieg, 1977 trotzte Wales dem Weltmeister ein 1:1 ab. Auch das Debüt von Lokalmatador Manfred Burgsmüller konnte das ausnahmsweise enttäuschte Publikum nicht entschädigen. Es folgten neun Siege am Stück, darunter der Rekord für dieses Stadion 1981 gegen Albanien (8:0), das Ende von Jürgen Klinsmanns Rekordtorflaute (854 Minuten) beim 4:0 gegen Armenien (1997) und ein kaum glaublicher Hattrick von Verteidiger Christian Ziege 1999 gegen Nordirland (4:0).
In diesem Stadion schienen die tollsten Dinge zu passieren und das stets zum Vorteil der Deutschen. Da war es kein Wunder, dass der DFB das WM-Playoffspiel gegen die Ukraine im November 2001 nach Dortmund legte. Nach dem 1:1 von Kiew verspürte Bundestrainer Rudi Völler „den größten Druck meiner Karriere“, hätte man doch erstmals eine WM verpassen müssen, an der man hatte teilnehmen wollen.
Das Westfalenstadion ließ das nicht zu. Dass ein Reporter der Bild Zeitung vor Anpfiff noch schnell einen Glückspfennig im Rasen vergrub, war in diesem Stadion wirklich nicht nötig gewesen. Es hatte noch nicht die Dimensionen von heute und war mit nur 52.400 Zuschauern ausverkauft, aber es war schon damals einschüchternd genug für die Gegner. Nachdem Michael Ballack das erste Tor geköpft hatte, bereitete Marko Rehmer das 2:0 von Oliver Neuville mit einem Pfostenkopfball vor und erzielte das 3:0 per Kopf selbst. Das Stadion tobte, die Ukrainer waren geschockt „und wir konnten das einfach nur noch genießen“, sagte Rehmer später. In nur 15 furiosen Minuten war die Aussöhnung mit dem vom Rumpelfußball der EM 2000 verärgerten Publikum gelungen.
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Im Ruhrpott ging das immer etwas schneller als anderswo. Ballack erhöhte in einem seiner besten Länderspiele überhaupt kurz nach der Pause, dann wurde dem Gast noch ein Ehrentor gegönnt.
Das 4:1 gegen die Ukraine war der wichtigste Sieg in diesem Stadion, gleich danach kommt das 2:1 gegen die Russen in der WM-Qualifikation 2009, als René Adler im Tor überragend debütierte. Der legendärste Sieg wird dieser Tage wieder oft in Erinnerung gerufen: das 1:0 gegen Polen im zweiten Gruppenspiel der WM 2006. Das späte Siegtor dank der Joker David Odonkor (Vorbereiter) und Oliver Neuville (Vollstrecker) gilt allgemein als „Urknall“ für den grandiosen Verlauf unseres Sommermärchens. Die an jenem 14. Juni entfesselte Stimmung und vor allem die Lautstärke des Torjubels bezeichnen Augen- und Ohrenzeuge bis heute als unerreicht.
Umso zuversichtlicher gingen Mannschaft und Fans ins Halbfinale am 4. Juli, wo man erstmals bei einem Turnier die Italiener schlagen wollte. Doch selbst der Bonus des Westfalenstadions konnte den Italien-Fluch nicht brechen. Vor nun schon 65.000 Zuschauern nahm das Drama kein gutes Ende. Zwei Pfostenschüsse hatten es schon angekündigt, Italien wollte den Sieg in der Verlängerung mehr und holte ihn sich durch Treffer von Grosso (119.) und del Piero (120+1). Auf den Tribünen und Fanmeilen flossen die Tränen, auf dem Rasen auch und Bild titelte: „Wir weinen mit euch!“
Es waren die einzigen Tränen, die in diesem Stadion um die deutsche Mannschaft vergossen wurden.
Mag sein allerdings, dass noch einige der Rührung flossen, als sich Lukas Podolski mit einem Traumtor gegen England zum 1:0 einen perfekten Abschied in seinem letzten Länderspiel verschaffte. Das war 2017 und wieder so ein magischer Deutschland-Moment in der Heimstätte von Borussia Dortmund. An den letzten, vielleicht nicht magischen, aber doch verblüffenden, erinnern wir uns alle noch.
Zwei Tage nach der Entlassung von Hansi Flick schlug eine wie verwandelte DFB-Mannschaft den Vize-Weltmeister Frankreich mit 2:1. Viele schoben es Interimscoach der Aura Rudi Völlers zu, aber mindestens ein Tor schoss auch dieses Stadion. Wir freuen uns auf eine Zugabe.