#STEHTAUF-Koffer: „Das ist doch total ungerecht“ | OneFootball

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·31. Januar 2025

#STEHTAUF-Koffer: „Das ist doch total ungerecht“

Artikelbild:#STEHTAUF-Koffer: „Das ist doch total ungerecht“

„Aber das ist doch rassistisch“, schallt es aus der Schülergruppe über den Hof. „Ja, das ist es, aber genau damit sind viele von uns täglich konfrontiert“, stellt Matthias Flüß nüchtern fest. Der Pädagoge hat den #STEHTAUF-Koffer konzipiert – das neue Bildungsangebot von Schalke hilft!, mit dem die Königsblauen zukünftig Schulen im Unterricht unterstützen.

Fanbetreuer Sven Graner, verantwortlich für #STEHTAUF, begleitet das neue Projekt durch die Testphase: „Wir freuen uns, in diesem Frühjahr den #STEHTAUF-Koffer noch offiziell vorstellen zu dürfen. Mit diesem Leuchtturmprojekt wollen wir intensiv und langfristig mit den Schulen in Gelsenkirchen und Umgebung zusammenarbeiten, Jugendliche im Bereich der politischen Bildung sensibilisieren und sie dabei unterstützen, eine eigene Haltung zu entwickeln.“ Deshalb wagten knapp 30 Schülerinnen und Schüler der Gertrud-Bäumer-Realschule aus den Jahrgangsstufen 8 bis 10 erfolgreich den Testlauf.


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Nach einer kleinen Kennenlern- und Aufwärmrunde geht es direkt in die Vollen. Auf dem Schulhof verteilt Matthias Flüß Karten, anhand derer jeder Schüler in eine neue Rolle schlüpft. Bilal ist mit einem Mal weiblich, Annas Eltern kommen für die Zeit des Spiels nicht mehr aus Gelsenkirchen, sondern aus Syrien. Sie reihen sich alle gemeinsam auf einer imaginären Startlinie ein und konzentrieren sich kurz auf ihren neuen sozialen und familiären Hintergrund.

Dann fordert Flüß: „Alle, deren Eltern oder Großeltern nicht aus einem anderen Land stammen als Deutschland, dürfen einen Schritt vorgehen.“ Gut die Hälfte der Schüler bleibt auf der Startlinie. Als Nächstes dürfen nur diejenigen einen Schritt weiter, deren Eltern sich Nachhilfe leisten können, die nicht für ihre Eltern dolmetschen müssen oder die nicht weiblichen Geschlechts sind. Denn Mädchen und Frauen, erfahren die Jugendlichen, werden mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erleben.

Das eigentliche Wettrennen zum Abschluss des Spiels wird kurz, denn einige Schülerinnen und Schüler kleben immer noch in Nähe der Startlinie, wohingegen es andere ohne größere Anstrengung bereits ins Ziel geschafft haben. Sie hatten die besseren Karten. Empörung und Erkenntnis brechen sich augenblicklich Bahn, als Flüß die Jugendlichen im Kreis versammelt. „Man hat doch keinen Einfluss darauf, woher man kommt oder welche Sprache man spricht“, mokiert sich ein Mädchen. „Eigentlich sollten doch alle Menschen gleichbehandelt werden, das ist total ungerecht“, wirft ein Junge ein.

Die Jugendlichen reagieren sensibel auf die offensichtliche Diskriminierung aufgrund sozialer Ungleichheiten. Einige erkennen persönliche Probleme, andere erleben ein Aha-Erlebnis, alle eint jedoch das Gefühl der Ungerechtigkeit. Lernen durch eigenes Erleben. Die Schülerinnen und Schüler sollen Verantwortung übernehmen und selbstwirksame Entscheidungen treffen. Auf diesem Prinzip beruht der Methodenkoffer des engagierten Pädagogen, der das Start-up Kofferprojekte21 gegründet hat. Er trifft damit einen Nerv, wie sich im Verlauf des weiteren Tages zeigt.

Danach steht das Grundgesetz auf dem Plan, insbesondere der Artikel 3, laut dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Er wird laut von einer Schülerin vorgelesen, es folgt eine angeregte Diskussion – und die Erkenntnis, das Grundgesetz ist nicht bloß ein abstrakter Gesetzestext, sondern eine Regel des gesellschaftlichen Miteinanders, die für alle gilt.

Die Reaktionen einiger Jugendlicher verdeutlichen, dass Diskriminierung für sie kein Fremdwort ist. Der Wortbeitrag einer Schülerin mit Kopftuch macht betroffen. Die Solidarität, mit der die Gruppe darauf reagiert, macht hingegen Mut. Flüß bestärkt: „Es ist toll, dass es Menschen wie euch gibt, die Aufstehen und Zivilcourage demonstrieren wollen. Wehrt euch, auch für andere, wenn ihr mitbekommt, dass jemand diskriminiert wird.“

Welche Formen der Diskriminierung es gibt, und dass beispielsweise Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus oft getarnt als Fake News daherkommen, auch das lernen sie im Verlauf. Die unterschiedlichen Methoden sind spannend wie lehrreich zugleich und ermuntern die Jugendlichen, genauer hinzuschauen. Wie war das gleich, nicht für die Schule lernt man, sondern fürs Leben? Das ist auch das Ziel von Matthias Flüß: „Wie sollen junge Menschen Demokratie leben, wenn sie es nur für die nächste Klassenarbeit lernen. Jugendliche müssen die Chance erhalten, sich aktiv engagieren zu dürfen und so ihre eigene Lebenswelt wirklich zu verändern.“

Deshalb markiert den Abschluss der Unterrichtsreihe, die sich in den Lehrplan der Jahrgangsstufen 8 bis 10 integrieren lässt, ein Fußballturnier. Die Organisation erfolgt selbstständig durch die Jugendlichen, die sich nach ihren Talenten und Stärken einbringen können. Denn neben den Spielerinnen und Spielern bedarf es weit mehr für die Koordinierung: Einladungen, Werbung, Catering – es muss einiges bedacht und organisiert werden.

Matthias Flüß betont die thematische Nähe zum Teamsport: „Gerade auf dem Fußballplatz spüren wir, wie wichtig vielfältige Talente sind. Herkunft, Sprache, Sexualität, Religion oder Äußeres spielen keine Rolle. Genau das wollen wir mit dem Kofferprojekt zeigen: Der Mensch zählt mit seiner Persönlichkeit und seinen zahlreichen Talenten.“

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