Nur die Raute
·9. Juni 2025
Teil 1: Wie der HSV gleich sechsmal den Aufstieg verpasste

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·9. Juni 2025
Am 12.05.2018 stand der HSV-Abstieg aus der Bundesliga fest. Was als schnell zu reparierender Betriebsunfall angesehen wurde, führte zu sieben Spielzeiten in Liga zwei. Wir blicken in Teil eins auf die misslungenen Aufstiegsanläufe zwischen 2018 und 2021 zurück.
Der 10.05.2025 gilt bei HSV-Anhängern als die ultimative Ehrlösung. Der 6:1-Kantersieg über Ulm war gleichbedeutend mit der Rückkehr in die Bundesliga. Die anschließenden Feierlichkeiten auf Spielfeld und Rängen sowie eine Woche später in der gesamten Stadt fielen spektakulär aus. Die riesige Freude hatte ihren Ursprung in den vorherigen Jahren, in denen der Hamburger SV stets am Aufstieg schnupperte, aber am Ende auf unterschiedlichste Art und Weise teils höchst dramatisch scheiterte.
Dabei sollte der Aufenthalt in der 2. Bundesliga eigentlich nur eine Saison andauern. Dank eines starken Schlussspurts unter Christian Titz ging der HSV positiv gestimmt in die Saison. Gestandene Spieler wie Aaron Hunt, Lewis Holtby, Gotoku Sakai oder der technisch herausragende Douglas Santos bildeten das Gerüst für die Mission Wiederaufstieg. Hinzu kamen mit Orel Mangala oder Hee-chan Hwang vielversprechende Leihspieler.
Das Auftaktspiel gegen Holstein Kiel – trainiert von einem gewissen Tim Walter – ging mit 0:3 verloren. Anschließend folgten vier Siege am Stück, ehe eine 0:5-Heimklatsche gegen Regensburg erste Zweifel an Trainer Titz aufkommen ließen. Zwei Nullnummern später musste er trotz 18 gesammelter Zähler aus zehn Partien seinen Posten räumen. Hannes Wolf übernahm und fügte sich hervorragend ein. Der HSV spielte zwar wenig aufregend, aber gewann und grüßte zur Winterpause mit drei Punkten Vorsprung auf Rang drei von der Spitze.
Der Start in die Rückserie verlief jedoch schleppend. Unter anderem gab es Niederlagen in Bielefeld (0:2) oder Regensburg (1:2). Das Stadtderby auf St. Pauli wurde zum Schlüsselspiel auserkoren. Der HSV legte eine beeindruckenden Auftritt hin und gewann nach Toren von Lasogga (2), Khaled Narey und Santos mit 4:0. Eine Woche später führte er frühzeitig mit 2:0 gegen Darmstadt, verlor jedoch im Überschwang den Faden und kassierte in der Nachspielzeit das 2:3.
Der Stecker war damit gezogen. In den darauffolgenden sieben Partien sammelten die mittlerweile ohne den aussortierten Holtby antretenden Hanseaten nur noch drei Zähler ein. Zwischendurch verloren sie das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Leipzig mit 1:3. Dennoch bestand bis zum 33. Spieltag eine realistische Aufstiegschance. Der HSV unterlag beim direkten Konkurrenten Paderborn um Trainer Steffen Baumgart mit 1:4 und musste sich mit Rang vier begnügen. Der 1. FC Köln, Paderborn und das sich heute als etabliert geltende Union Berlin verabschiedeten sich derweil ins Oberhaus.
Der laut dem damaligen Vorstandschef Bernd Hoffmann „überflüssigste Nicht-Aufstieg der Fußball-Geschichte“ brachte Konsequenzen mit sich. Hannes Wolf musste genauso wie Sportvorstand Ralf Becker gehen. Auf Becker folgte Jonas Boldt, der mit dem frisch bei Borussia Mönchengladbach ausgeschiedenen Dieter Hecking einen renommierten Trainer verpflichtete. Auch im Kader herrschte Bewegung: Santos, Lasogga, Sakai oder Holtby zogen weiter. Dafür stießen Daniel Heuer Fernandes, Sonny Kittel, Tim Leibold, Jeremy Dudziak, Lukas Hinterseer, Ewerton und David Kinsombi – mit drei Millionen Euro Ablöse bis heute vereinsinterner Rekordeinkauf in Liga zwei – zur Mannschaft.
Hecking brachte den HSV schnell auf Kurs. Der erste Dämpfer – ein 0:2 auf St. Pauli – wurde ebenfalls verkraftet. Spätestens nach dem eindrucksvollen 6:2 über den VfB Stuttgart schien jedem Beobachter klar, dass der Aufstieg nur über den Hamburger SV gehen würde. Doch schon vor der Winterpause ließen die Darbietungen erheblich nach. Es gab Unentschieden in Wiesbaden oder Sandhausen sowie die mittlerweile als obligatorisch angesehene Niederlage in Osnabrück.
Hinter Bielefeld, aber noch vor dem VfB Stuttgart startete der HSV als Zweitplatzierter ins Jahr 2020. An die drei überzeugenden Siege zu Beginn konnte jedoch nicht mehr angeknüpft werden. Denn auch das zweite Stadtderby ging verloren. Zudem setzte es ein deftiges 0:3 in Aue. Im Anschluss an das mühevolle 2:1 gegen Regensburg stoppte der Wettbewerb. Über zwei Monate pausierte die 2. Bundesliga aufgrund der Corona-Pandemie.
(Photo: Getty Images)
Mitte Mai nahm der Spielbetrieb, wenn auch ohne Zuschauer, wieder an Fahrt auf – der HSV allerdings nicht. Obwohl er eine 2:0-Führung in Stuttgart verspielte und in der Nachspielzeit sogar noch verlor, gegen Kiel kurz vor Schluss den Ausgleich kassierte und auch gegen Osnabrück nicht gewann, war zwei Spieltage vor Saisonende sogar noch der direkte Aufstieg greifbar.
Beim damaligen Viertplatzierten Heidenheim stand dank des Treffers von Winter-Leihgabe Joel Pohjanpalo – einer der ganz wenigen hilfreichen Transfers aus dem Januar-Fenster – eine Führung zu Buche. Doch passend zur Saison gab die Hecking-Auswahl auch diesen Vorsprung aus den Händen und unterlag wieder einmal in der Nachspielzeit mit 1:2. Heidenheim zog vorbei, während Bielefeld und Stuttgart als Aufsteiger feststanden.
Am letzten Spieltag hätte ein Heimerfolg über Sandhausen genügt, um wieder an Heidenheim vorbeizuziehen. Der HSV blamierte sich stattdessen aber bis auf die Knochen und verlor mit 1:5. Zu allem Überfluss traf der während seiner acht Jahre im Hamburger Dress nicht einmal erfolgreiche Dennis Diekmeier und SVS-Trainer Uwe Koschinat griff zu einem der höchsten Mittel der Demütigung, indem er in der 89. Minute den Ersatztorwart einwechselte. Mit mageren 54 Punkten – der schwächsten Ausbeute in sieben Jahren 2. Liga – endete die Saison auf Platz vier.
Somit stand der nächste größere Umbruch an. Dieter Hecking besaß keine Perspektive mehr. Sein Vertrag wurde nicht verlängert. Sportvorstand Boldt wählte Daniel Thioune, der mit Osnabrück den HSV ärgerte und als Aufsteiger den Klassenerhalt schaffte, als neuen Trainer aus. Er brachte unter anderem Merlin Polzin als Assistenten mit. Im Kader herrschte ebenfalls Bewegung. Führungsrollen sollten Torhüter Sven Ulreich, Abwehrchef Toni Leistner, Zerstörer Klaus Gjasula und Zweitliga-Rekordtorschütze Simon Terodde einnehmen.
Der Plan mit den als „Säulenspielern“ titulierten Akteuren ging zunächst auf. Im Pokal gab es zwar eine 1:4-Blamage in Dresden, doch zu Beginn der Zweitliga-Saison sprangen fünf Siege am Stück, auch gegen die damaligen Bundesliga-Absteiger Düsseldorf und Paderborn, heraus. Das erste Loch mit drei Pleiten am Stück überstand der HSV, indem er bis zum Ende der Hinserie 19 von 21 möglichen Punkten holte und damit wieder eimal Tabellenplatz eins belegte. Als besonders wichtig erwies sich Terodde, der nach 17 Spielen ebenso viele Tore auf dem Konto hatte.
(Photo: Getty Images)
Der Torjäger konnte seine starke Form genauso wie die Mannschaft jedoch nicht bestätigen. Nachdem in Aue ein sichere Führung aus der Hand gegeben wurde, bahnte sich der Absturz bereits an. Der HSV leistete sich weitere Patzer wie das peinliche 2:3 bei Schlusslicht Würzburg oder eine weitere Derbyniederlage. Frühzeitig befand er sich auf Rang vier, den er dank eines kleinen Zwischenhochs nochmal für einige Wochen verließ.
Doch spätestens mit dem verspielten 3:0-Vorsprung in Hannover – Hunt erzielte einen Dreierpack (!) – deutete sich an, dass auch der dritte Anlauf scheitern würde. Vier sieglose Spiele später – selbst das aus der Corona-Quarantäne kommende Sandhausen erwies sich als zu stark – war der Aufstieg schon so gut wie außer Reichweite. Thioune musste gehen, Horst Hrubesch sprang für die verbleibenden drei Begegnungen ein. Er holte zwei Siege, verlor jedoch nach einem erschütternden Auftritt mit 2:3 in Osnabrück, sodass der HSV abermals als Vierter hinter Bochum, Fürth und Kiel das Ziel erreichte.
(Photo: Getty Images)