Österreichische Fußball-Bundesliga
·27. Juli 2023
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27. Juli 2023 in ADMIRAL Bundesliga
Während die übrigen elf Klubs der ADMIRAL Bundesliga 112 Trainer verbraucht haben, hat bei der WSG Tirol seit zehn Jahren nur einer das Sagen: Thomas Silberberger. Im Bundesliga-Journal erzählt der Jubilar über seine herausragenden Spieler, wie man ihn auf die Palme bringt und warum der Langzeit-Rekord kein Problem sein wird.
Bundesliga-Journal: Herr Silberberger, am 1. Juli haben Sie Ihr zehnjähriges Trainer-Jubiläum in Wattens gefeiert. Wie hat sich der Wechsel von Kufstein zur WSG damals zugetragen?
Thomas Silberberger: Eigentlich war immer die Rede davon, dass entweder Michael Baur, Manfred Linzmaier oder Michael Streiter den Posten übernehmen würde, mein Name ist überhaupt nie gefallen. Erst als mit keinem der drei etwas zustande gekommen ist, hat mich der leider wenige Monate später verstorbene Robert Auer an einem Freitag kontaktiert, und wir haben uns für Montag ein Treffen im Café Zillertal ausgemacht. Ich habe übers Wochenende schnell sechs pdf-Seiten für eine Präsentation zusammengestellt, aber die wollte der Robi gar nicht sehen. Er hat gemeint: „Ess’ ma g’scheiter was“. Wir haben dann ein gutes Gespräch gehabt und am Dienstag bin ich präsentiert worden. Ich war also eine absolute Notlösung
Die Notlösung hält seit 352 Pflichtspielen. Dass Ferdl Oswald (279 Spiele) Ihr Rekordspieler ist, ist naheliegend, aber wer hat die meisten Tore geschossen?
Der Benni Pranter? Oder Simon Zangerl? Der Benni.
Nicht schlecht, es war Pranter mit 69 Toren vor Zangerl mit 68.
Der Benni war eine prägende Figur in Wattens, „No Pranter, No Party“ hat es lange Zeit geheißen. Für ihn war es schade, dass wir so lange gebraucht haben, bis wir in die Bundesliga aufgestiegen sind. So waren ihm nur mehr zwei Saisonen vergönnt. Er war ein Top-Spieler, hatte aber sehr jung zwei Kreuzbandrisse, sonst hätte er zu einer noch besseren Karriere abgehoben. Für mich war es ein Glücksfall, weil ich so mit ihm zusammenarbeiten konnte.
Andere Ihrer Spieler haben richtig abgehoben. Yeboah, Vrioni, Schnegg – wer war für Sie herausragend?
Es gab viele richtig gute Spieler. Die Stürmer Vrioni und Baden Frederiksen waren eh in aller Munde. Wenn wir von Qualität sprechen, war auch Nemanja Celic extrem spannend. Wenn es um den Willen geht, habe ich nie mehr einen gehabt wie meinen ersten Kapitän Martin Weissenbrunner. Der hat mit solch einer Leidenschaft gespielt und trainiert! Wenn er auch noch ein bissl besser kicken hätte können, wäre für ihn viel mehr möglich gewesen als die Regionalliga. Fast das Gegenteil war Lukas Katnik. Er hat so viel Talent gehabt! Ich hab immer gesagt: „Luki, bei mir musst du mit hundert Prozent trainieren, nicht mit zehn!“ Ich hab den Burschen trotzdem gern und wir haben immer noch Kontakt, aber er hätte viel mehr erreichen können. Beeindruckt hat mich Dave Schnegg, als wir ihn vom LASK zurückgeholt haben. Er wollte eigentlich im Mittelfeld spielen, aber ich habe ihm gesagt: „Dave, glaub mir, du machst eine Riesen-Karriere, aber im Mittelfeld, das geht sich nicht aus. Ich sehe dich als linken Verteidiger.“ Er hat es akzeptiert und ist jetzt im Nationalteam. So etwas taugt mir dann schon.
116 Spieler haben Sie in den zehn Jahren eingesetzt, 30 davon hatten maximal fünf Einsätze. Kann es sein, dass es in Tirol auch Spieler gibt, die nicht so gut zu sprechen sind auf Sie?
In zehn Jahren hast du natürlich viele Spieler, aber ich glaube es gibt keinen, der im Nachhinein sagt, der Silberberger war das größte A…, unter dem ich je gespielt habe. Am Ende des Tages ist es auch eine Qualitätsfrage, und ich kann nicht jemand nur aufstellen, um Honeymoon zu haben. Ich wüsste jedenfalls keinen, der in seiner Karriere nur bei mir nicht gespielt hat und dann durch die Decke gegangen wäre. Ich glaube schon, dass Sozialkompetenz und Leadership bei mir sehr ausgeprägt und meine großen Stärken sind. Das kannst du nicht lernen, aber genau damit die Spieler extrem erwischen. Und nur so kannst du auch so lange Trainer sein.
Womit kann ein Spieler Sie so richtig auf die Palme bringen?
Auf die Palme bringen mich Spieler, die nicht für die Mannschaft durchs Feuer gehen, sondern lieber ihr eigenes Ding machen. Bei Stürmern muss man da ein bisschen nachsichtig sein, bei ihnen gehört ein gewisser Egoismus dazu. Einen Spieler rauswerfen musste ich noch nie, aber es ist schon vorgekommen, dass ich interveniert habe. Das ist dann nicht angenehm für den Spieler, da bin ich extrem scharf in der Sache. Aber wenn es ausgeredet ist, dann ist es ausgeredet, nachtragend bin ich überhaupt nicht. Das ist vielleicht auch eine Stärke.
Sie zählen mit Freiburg-Coach Christian Streich international zu den längstdienenden Trainern bei einem Klub. Es heißt, dass Sie Ihrem Vorbild immer ähnlicher werden?
Mein Sportdirektor Stefan Köck hat das aufgebracht. Er hat eine Collage gemacht mit Bildern von Streich und mir, wo tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden ist. Wobei ich sagen muss, dass ich Streich sehr cool finde, aber mein Trainervorbild ist er deshalb nicht.
Wissen Sie, wer in Österreich Rekord- Trainer war?
Soweit ich weiß, Klaus Roitinger. Interessant, dass er Ried auch von der Regionalliga in die Bundesliga geführt hat.
Stimmt. Wobei Sie noch ein Jahr bleiben müssen, um seinen Rekord zu brechen. Und ein Cupsieg fehlt Ihnen auch noch!
Noch ein Jahr, da sehe ich kein Problem (lacht), aber Silberberger und Cup, das ist keine von Erfolg gekrönte Beziehung.
In den zehn Jahren seit Sie WSG-Trainer sind, hatten die übrigen elf Klubs der ADMIRAL Bundesliga 112 Trainer. Was sagen Sie zu dieser Zahl?
Wahnsinn. Da sieht man, wie kurzlebig dieser Job und wie hoch der Druck auf die Trainer ist. Die durchschnittliche Haltbarkeit eines Trainers liegt international bei 0,9 Jahren. Ich glaube, es gibt keinen anderen Job, der so herausfordernd ist. Man stelle sich vor, in der Wirtschaft würde eine Firma alle paar Monate den CEO wechseln.
Was müsste passieren, dass Sie die WSG verlassen?
Natürlich gibt es Szenarien. Was, wenn die Präsidentin nicht mehr will? Wie geht es dann mit dem Verein weiter? Was, wenn ich einen anderen Sportdirektor bekomme und die Chemie passt nicht mehr? Der Fußball ist so schnelllebig. Wenn die Vereine vorzugsweise im September, November oder März Trainer suchen, bin ich nie auf dem Markt, aber was, wenn jemand an mich herantritt und es einmal passt? Der Langzeit-Job ist eine coole G’schicht, aber auch Fluch und Segen. Als sich die Austria im vergangenen Winter von Manfred Schmid getrennt hat, habe ich zufällig Jürgen Werner getroffen. Wir haben ein bisschen gescherzt. Ich habe gesagt: „Eh klar, dass du mich nicht willst. Wenn du mich nimmst, hast du ja zumindest fünf Jahre eine Ruh, das will ja ein Verein wie die Austria nicht.“ Da hat er gelacht.
Fotos: Gepa pictures
Redakteur: Horst Hötsch