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Maximilian von Stuckrad-Barre·19. November 2024
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Maximilian von Stuckrad-Barre·19. November 2024
Sexy ist nicht gleich sexy. Für manche reichen schöne Augen oder tolles Haar, um den Gegenüber anziehend zu finden, andere stehen auf Narben und wieder andere werden erst in dem Moment schwach, in dem der Partner beim Rückwärtsfahren eine Hand auf die Rücklehne des Beifahrersitzes legt, um besser nach hinten schauen zu können. Das Wichtige ist ja: No judgement. Wir haben alle eigene Vorlieben, die zu respektieren sind. Das gilt natürlich auch für den Fußball, in dem wir alle anders lieben.
Dabei haben wir nicht nur verschiedene Vereine, zu denen wir uns hingezogen fühlen, sondern auch ganz verschiedene Spieler, die wir mögen. Und die sprechen zum Teil nunmal in sehr unterschiedlichen Love Languages zu uns. Der eine lässt mit unwiderstehlichen Dribblings und unzähligen Haken die gesamte Defensive des Gegners verdattert stehen (Lionel Messi), während der andere dem Gegner den Kopf abreißt und ihm dann in den Hals scheißt (Vinnie Jones).
📸 Alex Livesey - 2014 Getty Images
Letzteres soll Vinnie Jones in den Achtzigern Liverpool-Legende Kenny Dalglish in Aussicht gestellt haben. Eine Anekdote, die gewissermaßen andeutet, wie man fußballerotisch geneigt sein muss, um Vinnie Jones sexy zu finden. "Dieser Typ", so fasste es der früherer walisische Nationaltrainer Mike Smith mal zusammen, "wirkt auf eine Mannschaft wie Kohlensäure in einem Getränk."
Was Smith meint: Sein Landsmann Jones, der zwischen 1986 und 1999 für den FC Wimbledon, Leeds United, Sheffield United, Chelsea und die Queens Park Rangers durch den englischen Fußball blutgrätschte, pflegte seine Teamkollegen im Tunnel mit den Worten “Let’s fucking kill them!” auf Spiele einzustimmen. Nur, um dann jedes Mal mit allerbestem Beispiel voranzugehen.
An die 13 Platzverweise, die Jones sich während seiner gesamten Karriere mit Grätschen an der Grenze zum versuchten Mord hart verdient hat, könnte man mit heutigen Schiedsrichterstandards und VAR nämlich getrost noch eine Null dranhängen. Aber früher wurde - vor allem in England - eben noch ein bisschen anders gepfiffen. Für die folgende Aktion im FA-Cup-Finale 1988 zum Beispiel sah Jones nicht einmal Gelb.
Indem er mit Steve McMahon einen von Liverpools wichtigsten Spielern nach nicht einmal zwei Minuten so konsequent abräumte, dass für den Rest der Partie nicht mehr derselbe war, ebnete Jones damals den Weg Richtung Pokalsieg. Wimbledon gewann 1:0 gegen das damals vielleicht beste Team Europas. Doch nicht wegen des gewonnenen FA Cups, der sein einziger Titel bleiben sollte, hat Vinnie Jones’, den sie auch “die Axt” nannten, einen festen Platz in der englischen Fußballgeschichte.
Es ist diese maßlos übermotivierte Grätsche, es ist die gelbe Karte, die er einmal schon drei Sekunden nach Anpfiff gezeigt bekam, es ist das weltbekannte Bild, auf dem er sich in Paul Gascoignes Familienplanung einmischt.
Viele Spieler, die deutlich mehr Titel gewonnen haben, sind mittlerweile vergessen, Vinnie Jones kennt noch heute in England jeder. Niemand bewies so sehr wie er, wie schön die hässliche Seite des schönen Spiels sein kann. Während er für seine Mannschaften die Kohlensäure war, ist er für die Fußballfans unter uns, die an Maik-Frantz-Best-Ofs mehr Spaß haben als an denen von Cristiano Ronaldo, das Salz in der Suppe.
📸 Michael Cooper - null
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