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·14. März 2024
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Vangelis Pavlidis ist einer der gefährlichsten Torjäger Europas. Das weckt auch in der Bundesliga Begehrlichkeiten. Über einen harten Weg auf den Fußball-Olymp.
Von Chris McCarthy
Am Sonntag verhinderte Vangelis Pavlidis die längste Durststrecke seiner unglaublichen Saison. Beim 4:0-Erfolg von AZ Alkmaar über Excelsior traf er zum zwischenzeitlichen 2:0. Nein, drei torlose Ligaspiele in Serie – das kam für den griechischen Stürmer nicht in Frage.
22 Tore hat er in der Eredivisie 2023/2024 erzielt. In 25 Spielen. Laut Informationen von 90PLUS hat das sowohl in England, Italien als auch in der Bundesliga, unter anderem beim VfB Stuttgart, Begehrlichkeiten geweckt.
„Tore sind meine Visitenkarte“, sagt der 25-Jährige. Vor fünf Jahren stand auf dieser noch „Regionalliga-Spieler“. Jetzt ist er griechischer Nationalspieler, einer der gefährlichsten Angreifer Europas und daher ein gefragter Mann.
„Mich freut es total, dass es so positiv gelaufen ist,“ erklärt sein ehemaliger Trainer Jan Siewert gegenüber 90PLUS. „Dass seine Liebe und Leidenschaft für den Fußball so eine Belohnung erhält. Er hat immer an sich geglaubt. Das ist das, was ihn auszeichnet.“
Über einen harten Weg auf den Fußball-Olymp.
Vangelis Pavlidis war nie der talentierteste Fußballer. „Ich hatte nicht die perfekte Technik“, sagt er. „Es gibt so viele tausend Kinder, die Fußballer werden wollen. Und zum Glück habe ich früh verstanden: Um es zu schaffen, muss ich fleißiger sein als alle anderen. Tore sind eine Sache des Fleißes. Toreschießen ist keine Selbstverständlichkeit. Jede Extra-Einheit hilft, um präziser zu werden. Dafür muss man üben, üben, üben.“
Das tut Pavlidis. Seit er 13 Jahre alt ist arbeitet er regelmäßig mit Privat-Trainer Apostolis Mastranestis zusammen. Mit ihm kommt er jährlich auf etwa 4.000 zusätzliche Abschlüsse – auf ein verkleinertes Tor, mit speziellen Zielen und aus verschiedenen Positionen.
Das Fußballspielen lernte Pavlidis erst bei Bebides 2000 in Thessaloniki und ab seinem 16. Lebensjahr beim VfL Bochum, wo ihn Christian Britscho in der U17 unter seine Fittiche nahm.
Er sorgte dafür, dass Pavlidis nicht in ein Internat sondern zu einer Gastfamilie kam, förderte seine Deutschkenntnisse und führte ihn an die U19 heran. „Der Anfang war hart“, erinnert sich der Stürmer. Die Sprache war schwer, der Fußball intensiver als in der Heimat. Doch er biss sich durch.
(Photo by ED VAN DE POL/ANP/AFP via Getty Images)
„Er wollte immer zum Tor“, lacht sein A-Jugend-Trainer Thomas Reis im Gespräch mit 90PLUS. Was zu erwarten ist für einen Spieler der sagt, „Tore, Tore, Tore – es gibt nichts Wichtigeres.“ Was Reis aber besonders in Erinnerung blieb: „Er war sehr ehrgeizig und hat nie aufgesteckt“. Beispiel gefällig?
Bei einem Spiel gegen Borussia Dortmund war Pavlidis erschöpft, liebäugelte mit einer Auswechslung. Die Trainer pushten ihn. „Wir haben gesagt, du hast so viel Stoff, das weißt du gar nicht. Dann hat er durchgezogen. Da hat er festgestellt, dass der Körper mehr kann als man denkt, das ist sehr positiv aufgefallen.“
Auch Bochums damaligen Profitrainer Gertjan Verbeek war die Entwicklung und die Lernwilligkeit des Angreifers nicht entgangen und verhalf ihm mit 17 Jahren und fünf Monaten zu seinem Zweitligadebüt.
Doch die Entwicklung geriet ins Stocken, es folgten nur drei weitere Kurzeinsätze bei den Profis.„Der VfL hatte keine zweite Mannschaft, da fällst du schneller runter. Er bekam nicht die Spielpraxis (auf Herrenniveau, d.Red.)“, erinnert sich Reis, der zu diesem Zeitpunkt bereits von Siewert als A-Jugend-Trainer beerbt worden war.
Mit 19 merkte Pavlidis, dass er einen Zwischenschritt brauchte und ließ sich verleihen. Im Januar 2018 in die Regionalliga an Borussia Dortmund II (mittlerweile von Siewert trainiert), ein Jahr später dann an den niederländischen Erstligisten Willem II. Der Durchbruch.
Obwohl das Sturmzentrum bei Willem II durch einen gewissen Alexander Isak besetzt war, spielte er sich in die Startelf. Mal auf dem Flügel, mal im offensiven Mittelfeld – Positionen, die er auch beim VfL Bochum bekleidete, um Flexibilität und Spielverständnis zu fördern. Nach 14 Spielen samt vier Toren und fünf Vorlagen wurde Pavlidis für 250.000 Euro fest verpflichtet und startete durch. Heute ist er das Hundertfache wert.
„In Bochum hätte er den Sprung nicht geschafft“, glaubt Reis. Die niederländische erste Liga sei für seine Spielweise damals prädestiniert gewesen. Siewert pflichtet ihm bei: „Körperlich war er in Bochum schon sehr weit. Vielleicht war er jedoch technisch unter Gegnerdruck noch nicht so weit, um im Profifußball sofort Fuß zu fassen. Im Hinblick auf die Anwendung der Technik unter Druck, die Ruhe und Präzision im Abschluss sowie die torgefährlichen Laufwege hat er in Holland einen weiteren Schritt gemacht.“
Bis 2021 machte sich Pavlidis bei Willem II mit 33 Toren in 82 Spielen – darunter ein traumhaftes, Ibrahimovic-ähnliches Solotor, das für den FIFA Puskas-Award nominiert wurde – zunächst einen Namen in den Niederlanden. Im Anschluss beim AZ Alkmaar schließlich in ganz Europa.
Durch seine Beidfüßigkeit, seine engen Dribblings und seine leidenschaftliche Laufarbeit. Vor allem aber durch seine 47 Tore in 91 Spielen. Vier davon in den vier K.O.-Spielen der Europa Conference League, die Alkmaar 2023 ins Halbfinale beförderten.
Anlass genug, für Vereinsikone Louis van Gaal die Mannschaft bei einer Stippvisite vor dem Duell mit West Ham persönlich zu loben. Einen Spieler wollte die Trainerikone allerdings besonders hervorheben.
„Wo ist euer Stürmer?“, fragte Van Gaal und blickte in den Raum. Pavlidis meldete sich und erhielt einen Ritterschlag vom Tulpengeneral. Er sei ein „echter Louis-van-Gaal-Stürmer“, so der Bondscoach, könne dribbeln, flanken, annehmen, passen. Vor allem aber hätte er ein ganz besonderes Gespür. Ein Gespür für Tore. „Wenn ihr ihm den Ball gebt, dann trifft er“, so Van Gaal.
Gegen den späteren Titelgewinner West Ham United traf Pavlidis nicht – Alkmaar schied aus. Ein seltener Miss des leidenschaftlichen Bowlingspielers, der seitdem nach Belieben abräumt: 13 Tore mit rechts, neun mit links, zwei mit dem Kopf und nur zwei vom Punkt. Macht 26 Buden in 37 Pflichtspielen.
Pavlidis ist zu einem selbstbewussten Spieler gereift, der mit Charakter und Entschlossenheit spielt. „Seine Haltung ist ganz entscheidend“, findet Siewert. „Er hat gelernt, wenn er eine Chance vergibt oder eine Aktion misslingt, dass die nächste Chance kommt und die nächste Aktion die wichtigste ist. Er hat die Mentalität und den unbändigen Willen, Fehler und schlechte Aktionen schnell wegzustecken.“
Bereits letzten Sommer gab es Gerüchte über einen Abschied aus Alkmaar, die angesichts des 2025 auslaufenden Vertrags nur lauter werden dürften. Folgt über Umwege nun der Schritt in die Bundesliga oder eine andere europäische Spitzenliga?
Siewert hat jedenfalls keine Zweifel, dass dieser gelingen würde: „Er hat diese immense Bereitschaft, sich immer zu verbessern und das macht ihn jetzt so erfolgreich. Ich traue ihm den Schritt in eine der top fünf Ligen auf jeden Fall zu“
(Photo by ED VAN DE POL/ANP/AFP via Getty Images)