DFB-Frauen
·12. September 2025
Turbine-Kapitänin Bernhardt: "Kein Team marschiert einfach durch"

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·12. September 2025
Nach einer Saison ohne einen einzigen Sieg in der Google Pixel Frauen-Bundesliga startet der Traditionsklub und sechsmalige Deutsche Meister 1. FFC Turbine Potsdam in der 2. Frauen-Bundesliga einen Neuanfang. Der Auftakt ist auf jeden Fall geglückt. Im DFB.de-Interview spricht Turbine-Kapitänin Emilie Bernhardt (23) mit Mitarbeiter Ralf Debat über die neue Motivation und den Aufstiegstraum.
DFB.de: Nach den ersten drei Spieltagen stehen für den 1. FFC Turbine Potsdam sechs Zähler und der zweite Tabellenplatz zu Buche. Wie zufrieden sind Sie mit dem Saisonstart, Frau Bernhardt?
Emilie Bernhardt: Es ist ein wenig zwiegespalten. Auf der einen Seite sind wir happy über die beiden Heimsiege. Vor der Saison hätten wir sechs Punkte nach drei Partien sicherlich unterschrieben. Im Nachhinein ärgert mich jedoch unsere Niederlage in Gladbach immer noch. Dort war mehr für uns drin.
DFB.de: Dennoch: Hatten Sie mit einem so guten Auftakt gerechnet?
Bernhardt: Eigentlich schon, um ehrlich zu sein. Ich wusste, dass wir trotz des großen Umbruchs im Kader eine gute und ambitionierte Mannschaft haben. Schon während der Vorbereitung hatte sich angedeutet, dass es gut passen kann.
DFB.de: Die meisten Stammspielerinnen hatten den Verein nach dem erneuten Abstieg aus der Google Pixel Frauen-Bundesliga verlassen. Warum sind Sie geblieben?
Bernhardt: Ich habe relativ schnell gemerkt, dass die Verantwortlichen einen Plan haben, wie es wieder nach oben gehen kann. Die Gespräche haben mich dann auch überzeugt. Für mich persönlich war die abgelaufene Saison trotz des sportlichen Misserfolgs auch nicht so schlecht gelaufen. Ich habe in der Bundesliga auf der Innenverteidigerposition erstmals sehr viel Spielzeit erhalten, konnte mich gut weiterentwickeln.
DFB.de: Sie hatten das Team schon in der abgelaufenen Saison oft als Kapitänin angeführt. Fühlten Sie auch deshalb eine besondere Verantwortung?
Bernhardt: Ich bin ein wenig in die Rolle hineingerutscht, weil Viktoria Schwalm verletzungsbedingt für längere Zeit ausgefallen war, und habe versucht, dem Team so gut wie möglich zu helfen und Verantwortung zu übernehmen. Nach dem Abstieg haben wir alle den Blick aber sehr schnell wieder nach vorne gerichtet.
DFB.de: Sie sind erst 23 Jahre, aber mit 50 Bundesliga- und 40 Zweitligaspielen schon sehr erfahren. Wie würden Sie Ihre Rolle innerhalb der Mannschaft beschreiben?
Bernhardt: Ich sehe mich definitiv als Führungsspielerin, möchte vorangehen und unsere jüngeren Spielerinnen unterstützen. Mit Bianca Schmidt und Laura Lindner habe ich dabei aber noch zwei weitere sehr erfahrene Spielerinnen an meiner Seite, die mich bestens unterstützen. Es ist sicherlich auch ein Vorteil, dass wir alle die 2. Bundesliga schon kennen.
DFB.de: Wie schwierig war es, die Bundesligaspielzeit mit nur einem Punkt aus 22 Spielen zu verarbeiten und neue Motivation zu schöpfen?
Bernhardt: Das war gar nicht so schwierig. In der vergangenen Saison war so viel schiefgelaufen, dass es nicht so weitergehen konnte. Von daher war ich mir sicher, dass wir die Kurve bekommen werden.
DFB.de: Wie groß war dennoch die Erleichterung, als gleich am 1. Spieltag der neuen Saison mit dem 2:0 gegen den FC Ingolstadt 04 der erste Dreier gelang?
Bernhardt: Nach einem kompletten Jahr ohne einen Sieg ist allen ein Stein vom Herzen gefallen. Das hat uns auch sofort Selbstvertrauen gegeben.
DFB.de: Ist es Ihr Ziel, mit Turbine in die Frauen-Bundesliga zurückzukehren?
Bernhardt: Es ist definitiv unser Wunsch und auch mein persönliches Ziel. Dennoch tun wir gut daran, uns nicht mit dem Saisonende zu beschäftigen, sondern nur von Spiel zu Spiel zu denken. Es hört sich zwar wie eine Floskel an, aber es ist die richtige Herangehensweise.
DFB.de: Wie bewerten Sie Chancen und wer sind die größten Konkurrenten?
Bernhardt: Schon die ersten Spieltage haben gezeigt, dass kein Team so einfach durchmarschiert. Ich denke, am Ende werden der sehr ambitionierte Aufsteiger VfB Stuttgart sowie der VfL Bochum, der SV Meppen und der SC Sand ganz oben mitspielen. Diese Teams verfügen über die nötige Erfahrung. Wir wären in diesem Kreis gerne auch dabei.
DFB.de: Was zeichnet das Team aus Ihrer Sicht in dieser Saison besonders aus?
Bernhardt: Wir verfolgen eine klare Spielidee, ziehen an einem Strang und geben niemals auf. Das sind schon mal gute Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Abschneiden. Dazu sind wir körperlich in einer sehr guten Verfassung, können das Tempo hochhalten.
DFB.de: Auch Trainer Kurt Russ blieb dem Verein nach dem Abstieg erhalten. Wie würden Sie seine Arbeitsweise und seine Qualitäten beschreiben?
Bernhardt: Nachdem es in der Vorsaison nicht wie erhofft funktioniert hat, wollte er so nicht aufhören und hat schnell die Motivation gefunden, seine Arbeit fortzusetzen. Er kennt den deutschen Frauenfußball immer besser und geht in der Aufgabe förmlich auf.
DFB.de: Worauf hatte er während der Vorbereitung besonderen Wert gelegt?
Bernhardt: Zunächst ging es vor allem darum, ein echtes Team zu formen. Dazu hat er uns seine Idee gut vermitteln und dafür gesorgt, dass wir ein hohes Fitnesslevel erreichen.
DFB.de: Am Sonntag geht es zum SC Sand, der sich ebenfalls die Rückkehr in die höchste deutsche Spielklasse zum Ziel gesetzt hat. Wie schätzen Sie den Gegner ein?
Bernhardt: Es ist für jeden Gegner unangenehm, in Sand zu spielen. Die Platzanlage dort hat Charme, ist aber auch für viele Spielerinnen ungewohnt. Wir stellen uns auf eine enge Partie sein.
DFB.de: Worauf wird es ankommen, um dort möglichst etwas Zählbares mitzunehmen?
Bernhardt: Der SC Sand wird sicherlich auf unsere Fehler lauern. Deshalb müssen wir diese möglichst minimieren und selbst unsere Chancen konsequent nutzen.
DFB.de: In der 2. Frauen-Bundesliga waren Sie zuletzt in der Saison 2020/2021 für den FC Ingolstadt 04 am Ball. Wie sehr hat sich die Liga seitdem verändert?
Bernhardt: Aus meiner Sicht ist die Liga wesentlich ausgeglichener geworden. Früher waren die zweiten Mannschaften der Spitzenklubs aus der Bundesliga extrem stark und haben immer ganz oben mitgespielt. Das ist nicht mehr der Fall, weil diese Teams gefühlt immer jünger werden und weil die anderen Vereine aufgeholt haben. Von unten kommen ambitionierte Vereine wie zuletzt der VfB Stuttgart, der 1. FSV Mainz 05 oder der FC Viktoria Berlin. Dadurch wird das Niveau noch weiter angehoben.