MillernTon
·27. November 2024
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Wenn der FC St. Pauli am Millerntor Holstein Kiel empfängt, dann soll endlich das erste Heimtor der Saison fallen. Das wäre angesichts der Tabelle ziemlich wichtig.(Titelbild: Peter Boehmer)
Man müsste sich schon sehr wundern, wenn Alexander Blessin auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen sein sollte. Denn schließlich hat der FC St. Pauli in dieser Saison bisher noch kein einzigen Treffer am Millerntor erzielt. Doch als sie dann gestellt wurde, die Frage nach den fehlenden Toren, kam der Cheftrainer des FCSP an seine Grenzen: „Wenn es mich nicht… äh… jetzt muss ich das richtige Wort finden… nicht das ihr wieder irgendwas schreibt… also, äh… kinderfreundlich… ähm… also: Es nervt brutal! Die Jungs hätten es schon öfters verdient gehabt. Und natürlich die Fans auch.“ Zwar sei diese Torlosigkeit kein großes Thema in der Kabine, erklärt Blessin, aber „natürlich lechzen wir alle danach.“ Vorschlag: Am besten Freitag einfach das nachholen, was zuvor nicht gelang. Eine perfekte Überleitung zum nächsten Absatz.
Denn erinnert Ihr Euch noch an das letzte Mal, als Holstein Kiel ans Millerntor kam? Im Frühherbst 2023 war das. Und wisst Ihr was: Der FC St. Pauli hatte bis zu diesem Spiel noch kein Heimtor in der Saison 23/24 erzielt. Gut, es waren auch erst zwei Heimspiele absolviert worden, aber die Diskussionen waren damals ähnliche wie jetzt. Das Endergebnis: 5:1 für den FC St. Pauli. Es fühlte sich wie die berühmte Ketchupflasche an, bei der lange nichts herauskam und auf einmal alles herausflutscht (Theater der Traumtore).
Was zum Zeitpunkt dieses Heimsieges noch nicht klar war: Damals standen sich die beiden späteren Aufsteiger gegenüber. Im Rückspiel war das dann aber schon völlig klar und der 4:3-Auswärtssieg des FC St. Pauli war wohl eines der mitreißendsten Zweitligaspiele der letzten Jahre (King of the Chaos).So viele Tore wird man diesen Freitag aber wohl nicht erwarten können. Die Intensität, die es zuletzt in den Aufeinandertreffen zwischen Holstein Kiel und dem FC St. Pauli gab, dürfte aber sicher auch Freitagabend wieder spielbestimmend sein.
Der FC St. Pauli wird im Vergleich zum Gladbach-Spiel mit einem nahezu unveränderten Kader in das Spiel am Freitag gehen. Einzig Adam Dźwigała wird aller Voraussicht nach zurückkehren. Die Probleme von Karol Mets an der Patellasehne sind wohl etwas hartnäckiger als erhofft. Blessin möchte zwar nicht ausschließen, dass es eine plötzliche starke Verbesserung geben kann, aber für Freitag sieht es nicht gut aus.
Etwas verbessert hat sich die Lage bei Scott Banks, der nun wieder ins Lauftraining eingestiegen ist. Bei ihm gibt es die Hoffnung, dass er noch vor Jahreswechsel wieder in den Kader rücken kann. Das wird bei Elias Saad nicht der Fall sein, von dem Blessin aber berichtete, dass er voll im Soll ist, was die Reha nach seiner Bänderverletzung angeht. Neben diesen Spielern werden auch weiterhin Connor Metcalfe, Robert Wagner, Simon Zoller und die drei Ersatztorhüter ausfallen. Es darf also damit gerechnet werden, dass erneut ein paar Spieler aus der U23 oder U19 gegen Kiel im Spieltagskader sein werden. Sind wir mal ehrlich: Das ist alles andere als eine gute Ausgangslage für die restlichen Spiele bis zum Jahreswechsel.
Ein Laufduell von Karol Mets mit einem Gegenspieler wird es im Spiel gegen Holstein Kiel wohl nicht geben. Der Innenverteidiger wird dem FC St. Pauli höchstwahrscheinlich wegen anhaltende Probleme an der Patellasehne fehlen. // (c) Stefan Groenveld
Auch bei Holstein Kiel gibt es einige Spieler, die das Team schmerzlich vermisst, wenngleich nicht in der Vielzahl, wie es beim FC St. Pauli der Fall ist. Trainer Marcel Rapp muss bereits lange auf Innenverteidiger Colin Kleine-Bekel verzichten. Auch Carl Johansson wird in der Innenverteidigung fehlen. Weiter vorne fehlen die Offensivkräfte Andu Kelati und Alexander Bernhardsson. Wieder mit dabei sein (nach Gelbsperre) wird Sommer-Neuzugang Magnus Knudsen, der im Saisonverlauf einer der besten Kieler gewesen ist.
Platz 17 und fünf Punkte nach elf Spieltagen – auch bei Holstein Kiel ist der Saisonstart zwar nicht komplett in die Hose gegangen, aber man erhoffte sich vermutlich Besseres. Das Team von Rapp holte zwei Unentschieden: Gegen den VfL Bochum und Bayer Leverkusen gab es jeweils ein 2:2. Am neunten Spieltag konnte dann der erste Bundesliga-Sieg ever eingefahren werden, beim „Liga-Klassiker“ gegen den 1. FC Heidenheim. Zuletzt setzte es aber im Heimspiel gegen Mainz 05 eine deftige 0:3-Niederlage, bei der im Anschluss deutliche Worte der Kritik ausgesprochen wurden.
Blickt man etwas tiefer in die Statistiken, so zeigt sich, dass Platz 17 schon auch in Ordnung geht für Holstein Kiel. Das Team hat den viertniedrigsten eigenen xG-Wert und lässt ziemlich viel zu (gegnerischer xG: 24,5 – zweithöchster Wert der Liga hinter Bochum). Diese Zahlen ziehen sich auch in weiteren Statistiken durch. So hat Kiel hinter Bochum die zweitmeisten erfolgreichen gegnerischen Pässe im eigenen Strafraum zugelassen (ohne Flanken – der FCSP hat hier übrigens den sechstniedrigsten Wert). Bei den eigenen erfolgreichen Pässen im gegnerischen Strafraum ist Kiel Schlusslicht der Liga (FCSP: Platz 16).
Wichtig ist bei der letzten Zahl aber, dass Flanken nicht mitgezählt werden. Denn Holstein Kiel hat einige klare Abläufe im Aufbauspiel. Einer der prägnantesten ist der schnelle Aufbau über die Außenbahn mit anschließender Flanke hinter die letzte Linie des Gegners. Kiel versucht dabei, den gegnerischen Druck zu umgehen (deshalb über Außen) und dann möglichst direkt die eigenen Stürmer einzusetzen. Entsprechend liegt der Fokus zum einen auf den Schienenspielern im Aufbau, besonders auf der linken Seite (Finn Porath oder Tymoteusz Puchacz – beides eher offensiv denkende Spieler), von wo Kiel fast zwei Drittel seiner Flanken schlägt. Und dann sind da Stürmer wie Machino, Skrzybski und Harres, die die Tiefe mit Tempo attackieren können.
Diese Kieler Spielweise mit der schnellen Tiefe ist durchaus gefährlich, dessen ist sich auch Alexander Blessin bewusst. Der FCSP-Chefcoach erklärt: „Sie wollen locken und spielen dann sehr schnell den langen Ball. Und dann gehen sie extrem gut nach und haben so auch viele Bälle im letzten Drittel wiedergewonnen.“ Für den FC St. Pauli bedeutet es, dass man sich gut postieren müsse, so Blessin: „Da geht es darum, die Situationen richtig einzuschätzen: Wie kriegen wir Druck auf den Ball und wann setzen wir uns in die Tiefe ab? Dieses Zwischenspiel wird extrem wichtig sein.“
Seit mehr als drei Jahren ist Marcel Rapp Cheftrainer von Holstein Kiel und er hat mit dem Team eine beeindruckende Entwicklung hingelegt. // (c) Stefan Groenveld
Noch wichtiger wird es sein, dass der FC St. Pauli das notwendige Level an Intensität erreicht. Das klingt zwar inzwischen etwas abgedroschen, aber besonders die letzten Spiele gegen Holstein Kiel haben gezeigt, dass man ohne das entsprechende Maß an Griffigkeit ziemlich schnell ins Hintertreffen gelangen kann. Blessin: „Es wird eine hohe Intensität geben, hoch und runter gehen. Da wird es viel um Zweikämpfe und zweite Bälle gehen und da müssen wir sehen, dass wir so viele wie möglich gewinnen.“ Diesen Anspruch gibt es auch auf der Gegenseite, wie man dem weiter oben verlinkten Video entnehmen kann, bei dem Marcel Rapp nach der Niederlage gegen Mainz betonte, dass genau diese Eigenschaften gefehlt hätten: „Wir haben es heute nicht an unser Limit geschafft, waren nicht gut in den Zweikämpfen, nicht gut in den zweiten Bällen.“
Das könnte man als den üblichen „Trainer-Sprech“ abtun, zumal es aktuell ziemlich oft zu hören ist. Aber es ist nicht verwunderlich, dass besonders die Trainer der beiden Aufsteiger einen deutlichen Fokus auf diese Themen legen. Blessin erklärte auf der PK sogar: „Wenn diese Basics nicht stimmen, dann brauchen wir über alles andere gar nicht reden.“ Denn während andere Teams teilweise mit individueller Qualität den höheren Einsatz und die (Lauf)Bereitschaft des Gegners schlagen können, ist das natürlich besonders bei den Aufsteigern anders.
Anders könnte auch die Formation der Kieler sein. Marcel Rapp zeigte in den letzten Spielen gegen den FC St. Pauli, dass er extrem flexibel in Sachen Formation agieren kann. Im Hinspiel letzte Saison stellte er noch während der ersten Halbzeit von einer Fünfer- auf eine Viererkette um. Im Rückspiel sah alles bereits wieder ganz anders aus, als dem FC St. Pauli in einem 4-4-2 mit Mittelfeldraute massive Probleme bereitet wurden. In dieser Saison hat man zumeist in einem 5-3-2 agiert.
Ob das dann auch die Formation der Kieler am Millerntor sein wird? Alexander Blessin wollte auf diese Frage auf der Pressekonferenz nicht einmal eine Vermutung anstellen, erklärte, dass er Rapp sonst Hinweise geben würde. Stattdessen erklärte er vielsagend, dass es schon eine Idee gibt, wie man die Kieler erwarte und sowieso sei es nicht ganz so wichtig, wie sich die Kieler gegen den Ball verhalten würden, weil man selbst versuche zu variieren. Das es nicht so wichtig sei, wie genau sich der Gegner aufstellt, halte ich glatt für gelogen (wenngleich man das als Notlüge durchgehen lassen kann, weil Blessin eben nichts verraten wollte). Vielmehr ist davon auszugehen, dass man in dieser Partie einige Veränderungen in Sachen Formationen während der Partie sehen wird. Es ist aber auch davon auszugehen, dass sich Holstein Kiel zumindest zu Spielbeginn in einem 5-3-2 zeigen wird.
Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Holstein Kiel:
FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Nemeth – Saliakas, Irvine, Boukhalfa, Treu – Afolayan, Eggestein, Guilavogui
KSV: Weiner – Ivezic, Erras, Geschwill – Becker, Holtby, Knudsen, Remberg, Porath – Harres, Skrzybski
Auf Seiten des FC St. Pauli sind personelle Veränderungen nicht zu erwarten. Zu dünn ist die Bank besetzt. Wenn man denn unbedingt irgendwo eine Veränderung haben möchte, dann am ehesten in der Innenverteidigung (Dźwigała für Nemeth). Ziemlich wild wären Gedanken in Richtung Wechsel auf der Außenbahn (Ahlstrand oder Sinani rein). Noch wilder die Idee (die ich aber weiterhin gut finde), dass Treu ins Mittelfeldzentrum rückt. Das ist aber alles nur Lückenfüllerei, weil ich hier einen Absatz zur Aufstellung des FC St. Pauli schreiben wollte, in dem mehr steht als „Es sind keine Veränderungen zu erwarten“, wohlwissend, dass keine Veränderungen zu erwarten sind.
Ein Millerntor voller Sehnsucht, „Song 2“ soll ertönen. Blessin will es, die Spieler wollen es, jeder im weiten Rund sowieso. Wichtig wird sein, die Stimmung von den Rängen mitzunehmen, der Funke muss überspringen. Um die notwendige Intensität zu zeigen, Zweikämpfe und zweite Bälle zu gewinnen, immer und immer wieder. Mit dem Ziel, defensiv sicher zu stehen, offensiv wild und mutig zu sein. Nur so können Tore für den FCSP fallen. Nur so wird hinten die Null stehen – und nur so wird dieses so wichtige Spiel gewonnen werden.
Ein fürchterlich schmalziger Absatz, der mich ziemlich viel Zeit gekostet hat (geklaut von dieser Kunstform). Aber hey, FC St. Pauli, wenn ich es schaffe, einen Absatz zu schreiben, ohne den Buchstaben A zu benutzen, dann kannst Du am Freitag auch einfach fünf Tore schießen und das Spiel gegen Kiel gewinnen!Forza!// Tim
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