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·27 March 2025
Die acht kuriosesten DFB-Tore vor Musiala

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·27 March 2025
Das Tor, von dem alle seit Sonntag sprechen, haben die meisten zunächst gar nicht gesehen. Das 2:0 von Jamal Musiala gegen Italien nach einer für den Gegner viel zu schnell ausgeführten Ecke, bei der sich nebst Joshua Kimmich ein 15-jähriger Balljunge einen Scorerpunkt verdienten, gehört zu den kuriosesten der DFB-Geschichte.
Hier sind seine acht Vorgänger – fast alle aus Zeiten, da schon Kameras liefen.
Der Frankfurter Verteidiger Hans Stubb hat an diesem Tag schon eine passable Länderspielkarriere aufzuweisen. 13 Einsätze sind viel für die damalige Zeit. Allzu großen Eindruck hat er allerdings nicht hinterlassen, was oft das Los von Defensivleuten ist. Doch das Beste hat er sich ja für den Schluss aufgehoben. Gegen Ungarn in seiner Heimatstadt sorgt er für einen Aufsehen erregenden Moment deutscher Fußballgeschichte. Da nämlich erzielte er im alten Waldstadion ein Tor, das seinesgleichen sucht unter den 2303, die es bis heute in der Geschichte der Nationalmannschaft gegeben hat – und schon damals ahnt man, dass es „alle Aussichten hat, einmal legendär zu werden“. So prophezeit es die Fachzeitschrift „Fußball“. Warum?
Beim Stand von 1:1 gibt es nach 55 Minuten einen Freistoß in der eigenen Hälfte. Hans Stubb legt sich den Ball zum Freistoß hin, Schätzungen schwanken zwischen 55 und 70 Meter Torentfernung, mehrheitlich hat sich die 60-Meter-Version durchgesetzt. Der Ball fliegt bis in die Mitte des Strafraums, setzt auf nassem Boden auf und springt direkt unter die Latte. Es ist ein Sensationstor, „das Stadion tobt“, und ein ungarischer Funktionär wird hinterher sagen: „Stubbs überraschendes zweites Tor hatte böse Folgen.“ Noch nie ist ein deutsches Länderspieltor aus größerer Entfernung gefallen. Absicht steckt nicht dahinter. Ehrlich gibt Stubb zu: „Ich wollte den Ball zu unseren Stürmern in den Strafraum vorschlagen und habe natürlich nie daran gedacht, ein Tor zu schießen!“ Und wir erfahren aus einem Interview mit dem „Fußball“, dass bei seinem Tor auch ein Schuss Liebe dabei gewesen ist. „Ich hatte mir viel Mühe gegeben und viel Sorgfalt aufgewandt, denn gerade da, wo ich den Strafstoß (damalige Bezeichnung für Freistoß) habe, vor Block 6, saßen meine Mutter und meine Freundin ganz in der Nähe.“ Deutschlands Rekordtor – mit Liebe gemacht.
Im Testspiel vor der WM in Schweden unterliegt die Herberger-Elf dem Gastgeber in Prag mit 2:3. Dabei trifft nur ein Deutscher, Karlsruhes Hans Cieslarczyk, ins Tor. Das andere geht auf das Konto des Tschechen-Verteidigers Jiri Cadek, aber dafür kann er nichts. Sein Torwart Imrich Stacho hat ihm den gerade gefangenen Ball, den er vor dem Abschlag noch mal auftippen will, einfach versehentlich in die Hacke geworfen. Von dort trudelt er ins eigene Tor. „Vielleicht hätte ihn Stacho noch erreicht, wäre er nicht vor Schreck stehen geblieben“, schrieb das „Sport Magazin“.
Bei der WM 1966 trifft Deutschland im letzten Vorrundenspiel auf Spanien und gerät vor der Pause in Rückstand. Doch der unerschrockene WM-Debütant Lothar Emmerich von Europacupsieger Borussia Dortmund schwingt sich zum Retter auf. Mit einem Tor, das nach ihm Tausende Amateur- und Hobbyfußballer vergeblich nachzumachen versuchten. Es geht in die WM-Geschichte ein, sein linker Hammer aus sieben Metern fast von der Torauslinie. Der Ball setzt nach Siggi Helds Einwurf noch einmal auf und Emmerich schießt aus einer Position, von der man besser einen Mitspieler bedient, den Ball an Torwart Iribars Kopf vorbei in den Winkel. Die Zuschauer springen begeistert auf, die Süddeutsche Zeitung schildert es so: „Was wird Emmerich tun? Er tut das, was Iribar unfassbar erscheint – er donnert den Ball hoch in die rechte Ecke: 1:1! Das war Emma, der Schrecken aller Hintermannschaften.“ Der WM-Debütant gibt zu Protokoll: „Ich habe nicht einfach losgeknallt, sondern blitzschnell die Lage gepeilt und instinktiv, und zum Glück den Ball voll treffend, den richtigen Winkel erwischt. Ich habe den Ball dann gar nicht mehr gesehen und erst der Jubel verriet mir, dass es ein Tor war.“
Er hat 43mal für Deutschland und über 400mal für den Hamburger SV getroffen, doch dieses eine Tor wird sie alle überleben. Auch weil es in der Stunde der Not fällt. Im WM-Viertelfinale 1970 von Leon (Mexiko) steht es gegen Titelverteidiger England 1:2. Die Deutschen rennen bei Gluthitze an, acht Minuten noch. Nach einem zu kurzen Befreiungsschlag hebt Karlheinz Schnellinger den Ball von halblinks wieder vor das Tor, nicht gerade präzise. Der Hamburger, schon 33 Jahre alt, muss sich drehen, um den Ball noch zu erreichen. Eben noch hat ihn ZDF-Kommentator Werner Schneider leicht getadelt („Der Uwe, früher sprang er etwas höher“), da muss er seine Worte schlucken. Mit dem Hinterkopf erwischt Seeler den Ball und köpft ihn über den perplexen Bonetti hinweg im hohen Bogen ins Tor. „Seeler! Jawoll, jawoll“, schreit Schneider und verliert ein wenig die Contenance, während in der Heimat die Hölle los ist.
Eine Zuschauerin aus Iserlohn rennt an den Bildschirm und küsst Seelers Bild, als die Zeitlupe eingeblendet wird. Ihr eifersüchtiger Gemahl verpasst ihr eine Ohrfeige, erst nach Abpfiff kommt es zur Versöhnung. Denn da hat Deutschland gewonnen (3:2).
Im WM-Halbfinale gegen Italien drei Tage später geht es beim Stand von 1:1 in die Verlängerung. Gerd Müller, bei allen WM-Spielen in Mexiko unter den Torschützen, hat noch nicht getroffen. Doch dann kommt eine Ecke, ein Italiener versucht mit der Brust zu Torwart Albertosi zurückzuspielen, oder aber er hofft, dass dieser sich den Ball schnappt. Es ist das, was man ein klassisches Missverständnis nennt. Und wenn einer in jenen Tagen so etwas auszunutzen weiß, dann Gerd Müller. Er geht dazwischen und trifft den Ball mit ganz wenig Kraft, aber umso mehr Instinkt. Sein Kullerball verendet schier hinter der Linie. „Meine Damen und Herren, wenn sie jemals ein echtes Müller-Tor gesehen haben, dann jetzt“, staunt ARD-Reporter Ernst Huberty. Es fallen noch vier Tore im „Spiel des Jahrhunderts“, Italien gewinnt mit 4:3 und das typische Müller-Tor spielt in der Nachbetrachtung keine Rolle angesichts all der anderen Geschichten im Azteken-Stadion von Mexico City, wo eine Gedenktafel an dieses Spiel erinnert. Aber wer das Tor heute noch mal sieht, findet nur ein Wort dafür: unglaublich.
Diese Geschichte kann sich nur ein schlechter Regisseur ausdenken. Kurz vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland lässt sich der Verteidiger Bernd Krauss für Österreich einbürgern. Der gebürtige Dortmunder spielt damals im vierten Jahr für Rapid Wien. In Hamburg gibt er sein Debüt für den kleinen Nachbarn, und das verläuft maximal unglücklich. Nach einem Pass von Bernd Schuster will er vor Felix Magath retten und grätscht den Ball mit langem Bein aus 16 Metern ins eigene Tor. Kommentar von NDR-Reporter Fritz Klein: „Tja!“ Endstand 2:0!
Nach der WM 1982, zu dem auch die Österreicher mit Krauss fliegen, nimmt er wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an, DFB-Spiele macht er nie. Das einzige Tor für sein Land hat er ja schon geschossen.
Das zweite Gruppenspiel bei der WM in Italien ist längst entschieden, nach 75 Minuten steht es gegen Debütant Vereinigte Arabischen Emirate 5:1. Über Mailand tobt ein heftiges Gewitter, die Zuschauer wollen nach Hause. Da gibt es noch etwas zu lachen: Pierre Littbarskis Ecke findet Rudi Völlers Kopf, der Torwart ist überwunden, aber auf der Linie stehen zwei Araber. Der eine wehrt den Ball reflexartig mit der Hand (!) ab und lenkt ihn zu seinem Mitstreiter, der ihn aus unerfindlichen Gründen ins eigene Tor schießt. Selten so gelacht. Kurios: Wie beim Auftakt gegen Jugoslawien wird Völler das Tor zugesprochen, obwohl er nicht zuletzt am Ball war. Heute hätte man es als Eigentor gewertet. „Der Rudi schießt immer so dubiose Tore“, witzelt Co-Kommentator Karl-Heinz Rummenigge, vier Jahre zuvor noch sein Sturmpartner in Mexiko.
Auch bei diesem Tor hilft ein tschechischer Torwart mit. Nur dass es diesmal gravierendere Folgen hat als 1958. Im Wembley-Stadion läuft im EM-Finale die Verlängerung, als Oliver Bierhoff, dem schon ein Joker-Tor gelungen ist, mit links zum Schuss seines Lebens ausholt. Der ist allerdings nicht sonderlich hart und landet genau auf dem Körper von Petr Kouba. Doch was macht der? Patscht ihn, von einer minimalen Abfälschung leicht irritiert, seitlich ins eigene Tor. Stefan Kuntz kommt noch herangerauscht und überzeugt sich vom Überschreiten der Linie. Hätte er den Kullerball noch berührt, wäre es ein Abseitstor gewesen. So aber feiern die Deutschen ihren neuen Nationalhelden und ihren dritten und bis heute letzten EM-Titel. Für das Tor muss man sich fast schämen, für den Pokal nicht.