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·27 March 2025
Die Erkenntnisse zum Wolfsburg-Aus gegen Barça: Nur Zuschauer beim Fußballfest

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·27 March 2025
Die Sache war eigentlich schon gegessen, als die Frauen des VfL Wolfsburg die Reise nach Barcelona antraten. Nach der klaren 1:4-Schlappe im Hinspiel war klar, dass die Wölfinnen in der katalanischen Metropole vielleicht die Sagrada Familia oder den Parc Güell als Highlights ihrer Reise mitnehmen würden können, aber wohl kaum ein fußballerisches Erfolgserlebnis in der Champions League.
Wie erwartet war das Rückspiel dann reine Formsache für den FC Barcelona, auch ohne größte Anstrengungen gewannen die Spanierinnen mit 6:1, und zeigten dabei streckenweise tollen Fußball. Über Hin- und Rückspiel steht damit aus Wolfsburger Sicht ein 2:10 - ein Ergebnis, das Bände spricht. Der VfL muss sich damit abfinden, dass der Abstand zur Spitze nun in etwa so groß ist wie die Entfernung von der Autostadt an die spanische Küste. Die Erkenntnisse zum Spiel.
Eigentlich war es gleich ein doppelter Klassenunterschied, der sich in diesem Viertelfinale zeigte, über beide Spiele. Wenn Barcelona es nur wollte, spielten sie Wolfsburg mühelos an die Wand. Aber selbst wenn die Blaugrana Körner sparen wollten - verständlich, denn wegen der großen spanischen Liga ist ihre Belastung nochmal ungleich höher - war es ein Klassenunterschied.
Das zeigte sich exemplarisch in der 61, Minute des Rückspiels: Beim Stand von 0:3 schien Wolfsburg sich stabilisiert zu haben, hatte sogar einige kleinere Gelegenheiten gehabt. Barça ließ den Ball gefällig laufen, aber spielte kaum nach vorne. Dann feierte Claudia Pina ihr Comeback, und sie wollte dann doch noch ein wenig Fußball spielen.
Also: Nach links durch, Pass zu Alexia Putellas, dann der Laufweg nach innen, Hand nach oben, aber das war natürlich nicht notwendig, denn die Barcelona-Regisseurin plant jede Bewegung schon Sekunden im Voraus. Caitlin Dijkstra war noch dran, aber der Pass erreichte Pina dann doch, und schon schepperte es wieder.
Aus klarem Himmel war binnen fünf Sekunden ein Gewitter aufgezogen, und Wolfsburg stand noch immer mit dem Glas Weißwein auf dem Balkon, als der Blitz einschlug. Klar, gegen Barcelona sehen selbst die besten Teams oft wenig geistesgegenwärtig aus, und doch war es erschreckend, wie der VfL die Titelverteidigerinnen wirklich nie vor echte Herausforderungen stellen konnte.
Der FC Bayern München war am Tag zuvor ebenfalls klar und verdient gegen ein weiteres Schwergewicht ausgeschieden, Olympique Lyon. Aber eine Halbzeit lang spielten die Münchnerinnen auf Topniveau, sie konnten die Erkenntnis mitnehmen, dass sie es können - nur nicht über 90 Minuten, und erst recht nicht über zwei Spiele.
Bei Wolfsburg blieb das völlig aus - ja, sie schossen zwei Tore, aber die waren reine Ergebniskosmetik. Aber natürlich muss fairerweise gesagt werden: Barça spielte teils galaktisch, von acht Schüssen aufs Tor gingen sechs an diesem Abend rein. Die zwei direkt verwandelten Freistöße von Pina und Mapi Leon - wer da nicht zumindest anerkennend zuckt, hat den Fußball nie geliebt.
Doppelpackerin: Claudia Pina / Alex Caparros/GettyImages
Vollendete Technik, gegen die nichts auszurichten ist. Barcelona zeigt, wie weit der Frauenfußball in den letzten fünf bis zehn Jahren gekommen ist. Wolfsburg wirkte dagegen, gegenüber diesem hypermodernen, perfektionierten Fußball, wie die Antithese, ein Relikt der Vergangenheit.
Die Chancen in der Frauen-Bundesliga auf den Meistertitel sind hin, der Pokal ist weg - nach über zehn Jahren der Dominanz -, die Reise in der Champions League ist vorbei. Alle Felle sind dem VfL Wolfsburg weggeschwommen, und jetzt geht es nur noch um die erneute Champions-League-Qualifikation.
Wolfsburg ist in der Liga aktuell Dritter, was für die UWCL-Qualifikation reichen würde - und bei zwei Punkten Vorsprung auf Leverkusen müsste das auch eigentlich reichen, da die Rheinländerinnen noch harte Spiele vor sich haben und Wolfsburg ein eher leichtes Restprogramm. Aber ganz undenkbar ist auch Rang vier nicht, und damit wäre Wolfsburg tatsächlich am Nullpunkt angelangt.
Selbst, wenn die Niedersächsinnen auf Rang drei landen, könnten sie in der Qualifikation ausscheiden - dort warten oft nahmhafte Klubs wie Manchester United, Paris Saint-Germain oder Real Madrid. Eine Champions League ohne den VfL Wolfsburg - es gab sie schonmal, vor einigen Jahren, nach einem Ausscheiden in der Qualifikation. Aber dass das sogar ein Dauerzustand werden könnte, ist dann doch ein neuer Gedanke.
Natürlich ist da eine Prise Fatalismus dabei - Wolfsburg hat immer noch tolle Spielerinnen, konnte auch noch Akteurinnen wie Janina Minge an Bord holen, als schon überall ihr baldiger Niedergang von den Dächern geschrien wurde. Und doch, der Verein muss sich die Frage stellen, was sie in Zukunft erreichen können, und was sie bereit sind, dafür zu leisten. Diese Saison ist nicht das Ende von allem, aber das Ende von allen Gewissheiten - das Pokal-Abo, die engen Champions-League-Fights, das Titelrennen nur zu zweit gegen Bayern.
Einige Spielerinnen haben sich bei Wolfsburg schnell integriert - Beerensteyn etwa, die wirkt, als kicke sie schon viel länger in Grün, oder auch Janina Minge. Aber die zwei Spiele gegen Barcelona zeigten auch, dass der anvisierte Umbruch doch noch viel Zeit braucht.
Caitlin Dijkstra hat in der Verteidigung noch ihre Schwierigkeiten, und viele Spielerinnen kommen unter Tommy Stroot kaum zum Zug. Gegen Barcelona will man kein Talent, das vielleicht noch nicht so weit ist, ins kalte Wasser schmeißen. Aber das Team der Zukunft ist noch nicht wirklich ersichtlich.
Und es stellt sich die Frage, ob zu diesem kompletten Umbruch, nach dem Verlust aller Titel und Gewissheiten, nicht auch die Trainerposition gehören muss, die Trainerfrage gestellt werden muss. Tommy Stroot hatte Zugänge gefordert, und er hat sie bekommen. Und ja, der Vergleich mit Barcelona ist immer unfair. Aber selbst ein Team mit Wolfsburgs finanziellen Möglichkeiten und individuellen Qualitäten muss ein bisschen besser dagegenhalten, wenigstens den Hauch eines Kampfes bieten.