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·20 August 2025

Neuer Steffen-Schwung: Wie Werder trotz Problemen begeistern will

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Aus im DFB-Pokal, viele Verletzte, kaum Neuzugänge, dünner Kader – die Stimmung in Bremen ist alles andere als gut. Dass es bei Werder trotz dieser Probleme Grund für Optimismus gibt, hat vor allem mit Neu-Trainer Horst Steffen zu tun.

Als Schiedsrichter Robert Hartmann um 22:44 Uhr in seine Pfeife blies und das Pokalspiel zwischen Arminia Bielefeld und Werder Bremen beendete, stand fest, was viele Werder-Fans befürchtet hatten. Zum 22. Mal waren die Bremer als Erstligist bereits in der ersten Runde gescheitert. Das Aus gegen Zweitligist Bielefeld rief nicht nur die Geister der letzten Saison hervor, als ebenfalls an gleicher Stelle im Viertelfinale das Ausscheiden feststand. Vor allem bildete das 0:1 den passenden Abschluss einer Saisonvorbereitung, die mit suboptimal mehr als euphemistisch beschrieben ist.


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Eine Sommervorbereitung voller Hiobsbotschaften

Nach dem überraschenden Abgang von Erfolgstrainer Ole Werner wurde mit Horst Steffen recht schnell ein Nachfolger gefunden. Was aber dann folgte, sorgt bis heute dafür, dass Werder-Fans pessimistisch wie selten in die Saison gehen. Werder-Experte Rouven Peter, Redakteur bei der Mediengruppe Kreiszeitung und Co-Host des Werder- & St. Pauli-Podcasts „Flugkopfball“, beschreibt die aktuelle Stimmung wie folgt: „Bei den Bremern brodelt es, bei den Fans steigt der Pessimismus und die Sorge, dass es eine Saison im Abstiegskampf wird. Alles hängt davon ab, was bis zum 1. September passiert.“

Grund dafür sei, neben den langen Ausfällen von Schlüsselspielern, wie Mitchell Weiser oder Jens Stage, und den enttäuschenden Testspielergebnissen, vor allem die Transferpolitik von den sportlich-verantwortlichen Clemens Fritz und Peter Niemeyer: „Mit Marvin Ducksch, Milos Veljkovic, Anthony Jung, Oliver Burke und nun wohl auch Michael Zetterer gab Werder reihenweise arrivierte Kräfte ab. Neu sind Maximilian Wöber und der zehn Millionen Euro schwere Samuel Mbangula. Die Verantwortlichen begründeten den Transferstau vor Wochen damit, dass sich der Trainer den Kader selbst noch einmal anschauen will. Doch passiert ist seitdem wenig.“

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(Foto: Getty Images)

Laut Rouven Peter sei der Handlungsdruck auf die Bremer Verantwortlichen inzwischen immens: „Die Fans sind frustriert, die Spieler auch – Gipfel war die öffentliche Kritik von Marco Friedl an den Verantwortlichen nach dem Pokal-Aus in Bielefeld. Wenige Tage vor dem Bundesliga-Start ist der Kader längst nicht fertig. In der Breite fehlt es an Qualität, vor allem im Sturm fehlt ein zuverlässiger Knipser. Ein Makel, den sich die Verantwortlichen um Sportchef Clemens Fritz und Peter Niemeyer als Leiter Profifußball ankreiden lassen müssen.“

Horst Steffen passt perfekt zu dem, wofür Werder stehen will

Die Atmosphäre an der Weser ist in den letzten Wochen bedenklich gekippt. Nach der Verkündung, dass Horst Steffen neuer Trainer wird, war die Stimmung zunächst euphorisch: „Die Anstellung von Steffen entfachte einen Mix aus Neugier, Euphorie und Vorfreude.“ Und das mit gutem Grund. Bei aller Wertschätzung für die Arbeit von Ole Werner, begleitete ihn stets der Vorwurf, dass er jungen Spielern kaum Beachtung schenken würde und auch Neuzugänge lange Zeit bräuchten, um sich in Werners Team zu integrieren.

Dies passt eigentlich nicht zum angestrebten Werder-Kurs, Talente selbst auszubilden oder zu verpflichten und dann mit Gewinn weiterzuverkaufen. Rouven hebt die hohe Passung zwischen diesem Weg und Horst Steffen hervor: „Werder hat sich die Förderung entwicklungsfähiger Spieler auf die Fahnen geschrieben, um gern zitierte Mehrwerte zu schaffen – wer könnte da besser ins Profil reinpassen, als ein Trainer, der nachweislich (junge) Spieler vorangebracht hat? Horst Steffen verkörpert genau dieses Prinzip. Prominente Beispiele wie Nick Woltemade, Fisnik Asllani, Elias Baum oder Paul Wanner belegen seine Fähigkeit, Potenziale zu erkennen und gezielt zu fördern.“

Abgesehen von der Förderung von Talenten steht Horst Steffen für spektakulären Offensivfußball. Seine Spielweise bei seiner vorherigen Station in Elversberg war laut Rouven ein weiterer Grund für seine Verpflichtung: „Der Fußball unter Steffen ließ aufhorchen: attraktiv, effektiv und zugleich defensiv stabil. Die Auftritte der Elversberger Mannschaft verschafften dem Club bundesweit Anerkennung. In der Personalie Steffen steckt deshalb viel Hoffnung.“

Kurzfristige Probleme für langfristigen Erfolg?

Mahnend merkt Rouven allerdings an: „Ein solcher Prozess braucht normalerweise Zeit und Geduld – Ressourcen, die in Bremen angesichts zuletzt besorgniserregender Wochen nicht unbegrenzt vorhanden scheinen.“ Nichtsdestotrotz dürfte sich der Ärger der Fans bei anfänglichen Problemen vorrangig gegen Fritz und Niemeyer richten, während Steffen mehr Kredit genießen sollte. Das heißt Steffen dürfte, selbst bei ersten Misserfolgen, zunächst in Ruhe daran arbeiten den vorhandenen Spielern seine Prinzipien näher zu bringen. Dabei kann Steffen sich auf die Erfolge aus seiner Elversberger Zeit berufen: „Steffen formte die SV in kürzester Zeit vom Viertligisten zum Fast-Erstligisten. Ein bemerkenswerter Aufstieg, bei dem der Erfolgscoach nicht nur junge Spieler sichtbar weiterentwickelte, sondern die gesamte Mannschaft. Genau das soll ihm nun auch in Bremen gelingen.“

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(Foto: Getty Images)

Kandidaten dafür den nächsten Schritt zu gehen und die Kaderlücken zu schließen, sind also nicht nur die jungen Talente, die mit der U19 den DFB-Pokal gewannen, wie Patrice Covic oder Karim Coulibaly. Auch Spieler in den Mittzwanzigern, wie Felix Agu, Romano Schmid oder Justin Njinmah könnten sich unter Steffen nochmals weiterentwickeln. Das Grundgerüst, auf das der 56-Jährige dabei bauen kann, ist stabil. Mit Marco Friedl, Niklas Stark, Senne Lynen, Romano Schmid und, nach seiner Genesung, Jens Stage verfügt Werder über ein starkes Zentrum, um das die jüngeren Spieler herum ein- und aufgebaut werden können.

Hohes Risiko für großen Ertrag?

Gelingt es Steffen auf dieser Basis ein funktionierendes Team zu bauen, dass seine Spielidee umsetzt, birgt dies großes Potenzial. Die offensive, riskante Spielidee mit einem Fokus auf flachem Kurzpassspiel, offensiv agierenden Flügelspielern, Positionswechseln in der Offensive und vielen Raumdeckungs-Elementen in der Defensive, unterscheidet sich sehr vom gängigen Stil der Liga. Bremen würde sich spielerisch von vielen anderen Bundesligisten merklich abheben und ein echtes Alleinstellungsmerkmal vorweisen können.

Funktioniert diese Spielidee, ist dies eine Art und Weise Fußball zu spielen, mit der Fans sich sehr leicht identifizieren können, sodass auch zwischenzeitliche Misserfolge verziehen werden. Zumal die Werder-Anhänger aktuell vermutlich fast jedes Szenario, dass besser ist als Abstiegskampf bis zum Schluss, mit Kusshand akzeptieren würden. Dazu kommt, dass kaum etwas mehr Euphorie auslösen kann, als Spieler aus der eigenen Jugend, die sich in der ersten Mannschaft etablieren und dort Leistung zeigen. Sollte dazu bis zum Ende der Transferphase in zwei Wochen noch der ein oder andere passende Neuzugang verpflichtet werden, wird aus einem vermeintlichen Rumpfkader schnell ein funktionierendes Gebilde.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Stimmung in Bremen zwar aktuell düster ist, jedoch nicht alles so schlimm sein muss, wie es auf den ersten Blick aussieht. Horst Steffen kann mit seiner Spielidee und seiner Fähigkeit Spieler zu entwickeln, in Kombination mit dem vorhandenen Potenzial im Kader und möglichen Neuzugängen, schnell dafür sorgen, dass am Osterdeich wieder Euphorie entsteht.

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