Rund um den Brustring
·19 December 2025
Rund um den nächsten Gegner: Im Gespräch mit Hoffenheim-Experte Niko Beck von der Rhein-Neckar-Zeitung

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·19 December 2025

Zum Abschluss des Fußballjahres empfängt der VfB die TSG Hoffenheim im Neckarstadion. Wie es derzeit im Kraichgau läuft und wie der aktelle Höhenflug zustande kam, erklärt uns Nikolas Beck, stellvertretender Ressortleiter Sport der Rhein-Neckar-Zeitung.
Rund um den Brustring: Hallo Niko und vielen Dank, dass Du Dir wieder Zeit für unsere Fragen nimmst. Am Samstag reist Hoffenheim als Tabellenfünfter zum Verfolgerduell gegen den Tabellensechsten. Hättest Du das nach der letzten Saison, die man als 15. abschloss, für möglich gehalten?
Nikolas: Hi Lennart, wie immer sehr gerne Zu Deiner Frage: Ich hätte es zumindest nicht ausgeschlossen. Die Wandlung vom Abstiegskandidaten zum Europapokal-Teilnehmer hatte die TSG im Jahr zuvor ja schon einmal hingelegt. Ganz offensichtlich hat man aus dem Debakel der vergangenen Saison die richtigen Lehren gezogen. Zumindest, was die sportlichen Entscheidungen angeht. Zum Rest kommen wir ja sicher noch…
Trainer Christian Ilzer machte vergangene Saison vor allem durch unkonventionelle Motivationsmethoden Schlagzeilen, diese Saison durch sportlichen Erfolg — hat er etwas geändert oder zeigen seine Maßnahmen jetzt anders Wirkung?
Die „unkonventionellen Motivationsmethoden“, wie Du sie nennst, wurden medial viel zu sehr aufgebauscht. Dass Derartiges den Weg an die Öffentlichkeit fand, spricht aber natürlich schon dafür, wie wenig Rückhalt Christian Ilzer zu diesem Zeitpunkt – in Teilen der Mannschaft und des Klubs – hatte. Das hat sich inzwischen durchaus geändert. Ich glaube mittlerweile aber eher, dass man nach den Ereignissen des Sommers 2024 mit „Hoffe“ in der vergangenen Saison gar keinen Erfolg haben konnte. Pellegrino Matarazzo nicht, Christian Ilzer nicht – und vermutlich hätte es auch kein anderer viel besser hinbekommen.
Im Sommer agierte Hoffenheim nur in überschaubarem Maße auf dem Transfermarkt: Leon Avdullahu vom FC Basel war mit kolportierten acht Millionen Euro der teuerste Neuzugang, und das obwohl man für Anton Stach 20 Millionen aus Leeds bekam. Lag das daran, dass die Mannschaft nur punktuell verstärkt werden musste oder hatte das andere Gründe?
Da würde ich Dir höflich widersprechen. Der Kader wurde einmal komplett auf links gedreht mit alles in allem etwa 30 Kaderbewegungen. Natürlich wurde nicht noch einmal so viel Geld investiert wie im denkwürdigen Sommer zuvor. Aber auch die ablösefreien Neuzugänge wie Tim Lemperle, Bernardo oder Vladimir Coufal sind absolute Leistungsträger; Wouter Burger und Albian Hajdari, die aus der zweiten englischen Liga und aus der Schweiz geholt wurden, haben ebenfalls ihren Stammplatz sicher. Fisnik Asllani ist zwar „nur“ ein Leihrückkehrer, aber gefühlt auch ein Neuzugang. Leon Avdullahu war also in der Tat der teuerste Neue, aber bei weitem nicht der einzige, der eingeschlagen hat.
Wie bewertest Du den Transfersommer und wo muss man im Winter nachlegen Deiner Meinung nach?
Diese Antwort wird Dich nach meiner vorangegangenen nicht mehr überraschen: Der Transfersommer ist – aus heutiger Sicht – nahezu perfekt gelaufen. Einziger Makel: Man hatte zwar bewusst frühzeitig alle Neuzugänge an Bord, sodass bereits zu Beginn der Vorbereitung der Grundstein für den aktuellen Erfolg gelegt werden konnte, aber ist dadurch das Risiko eingegangen, einen zu großen Kader beisammenzuhaben. Es ist kein Geheimnis, dass man sich von dem einen oder anderen Profi mehr gerne getrennt hätte. Dennis Geiger und Mergim Berisha sind hier stellvertretend zu nennen. Beiden wurde klar kommuniziert, dass sie keine Zukunft im Klub haben. Wechsel kamen dennoch nicht zustande. Nun trainieren die beiden Gutverdiener im Drittliga-Team mit, spielen dort aber nicht. Inklusive Torhüter stehen 33 Profis unter Vertrag. Dazu kommen neun (!) Spieler, für die man im Sommer nur Leihvereine, aber keine dauerhaften Transfers finden konnte. Für den Winter, aber auch den nächsten Sommer steht daher die Kaderreduktion und vor allem ein Absenken der Gehaltskosten ganz oben auf der Agenda.
Kommen wir zunächst einmal zum nicht- und vielleicht auch unsportlichen Rückblick auf die bisherige Hinrunde. Die beste Nachricht aus Hoffenheimer-Sicht ist sicher, dass Sport-Geschäftsführer Andreas Schicker nicht dem Werben aus Wolfsburg erlag. Dafür gab es erneute Personalwechsel auf der Führungsebene, ein Hausverbot für einen Spielerberater und einen Mäzen, bei dem man sich von außen nicht sicher ist, auf wessen Seite er steht. Kannst Du für uns ein wenig aufdröseln, wie der aktuelle Stand ist und was das für die Zukunft bedeutet?
Der aktuelle Stand ist relativ leicht zu skizzieren. Es gibt zwei Geschäftsführer: Andreas Schicker kümmert sich um den Sport, Tim Jost um alle kaufmännischen Angelegenheiten. Im März wird der e.V. einen neuen Vorsitzenden wählen, nachdem Präsident Jörg Albrecht aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten ist. Bis März sollte also zunächst einmal Ruhe herrschen. Vieles wird dann davon abhängen, wen die Mitglieder wählen bzw. welchem „Lager“ der neue Vorsitzende zuzuordnen sein wird. Denn der Kern aller Streitereien der vergangenen anderthalb Jahre ist jener, dass der e.V.-Vorstand wie bei allen „50+1“-Klubs als Vertreter des Hauptgesellschafters das letzte Wort hat bei sämtlichen Entscheidungen und im Zweifel auch Dietmar Hopp überstimmen kann. Der hält allerdings nach wie vor 96 Prozent der Kapitalanteile an der Spielbetriebs GmbH und unterstützt das „Projekt Bundesliga“ nach wie vor mit vielen Millionen Euro. Um es kurz zu machen: Der eine zahlt, aber ein anderer entscheidet. Das geht selten gut.
Augenscheinlich wurde diese komplizierte Gemengelage, als sich die Geschäftsführung, damals noch vierköpfig, vom großen Einfluss von Spielerberater Roger Wittmann lösen wollte. Dieser dabei aber natürlich nicht tatenlos zuschauen wollte. Die Fronten – vor allem zwischen den beiden Geschäftsführern Markus Schütz und Frank Briel, stets unterstützt von Albrecht auf der einen und Wittmann, der seinen engen Freund Hopp nach wie vor eng an seiner Seite hat – waren schnell verhärtet. Das Stadionverbot für Wittmann war im Nachhinein sicher ein Fehler der Geschäftsführung. Es wurde vom Gericht aufgehoben und hat im Endeffekt zur Freistellung von Schütz und Briel sowie zum Rücktritt Albrechts geführt. Dass auch Schicker seine Zukunft im Klub hinterfragt hat, nachdem entscheidende Mitstreiter weggebrochen waren, ist nicht wirklich überraschend. Dass vor allem Christoph Henssler, der als Zweiter Vorsitzender den e.V. bis März interimistisch leitet, und der aktiven Fanszene entstammt Schicker unter keinen Umständen verlieren wollte, genauso wenig. Du siehst: Es bleibt spannend. 😉
Was ist Deiner Meinung nach sportlich für Hoffenheim drin in dieser Saison?
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die TSG unter die besten Fünf kommt. Bayern, Dortmund, Leipzig, Leverkusen – dahinter wird sich „Hoffe“, zumindest nach heutiger Einschätzung, mit Klubs wie Frankfurt oder eben auch dem VfB um die Plätze streiten.
Wo siehst Du in dieser Saison die Stärken und Schwächen des Teams?
Die Schwäche bei Standards ist aus den vergangenen Jahren hinlänglich bekannt – und irgendwie einfach nicht abzustellen. Ansonsten gibt es wenig Bereiche, in denen keine signifikanten Verbesserungen zu erkennen sind. Die Abteilung „Sturm und Drang“ ist gewiss das große Pfund der aktuellen Mannschaft. Touré, Lemperle, Asllani machen ihre Sache richtig gut, Andrej Kramaric erlebt seinen x‑ten Frühling und nun kommt auch Adam Hlozek zurück. Zudem hat Grischa Prömel sein Torjäger-Gen entdeckt. In den vergangenen vier Heimspielen beispielsweise hat Hoffenheim 13 Tore geschossen, ist aber bekanntermaßen auch auswärts immer für ein Spektakel gut.
Gegen den HSV traf am vergangenen Wochenende unser ehemaliger Spieler Ozan Kabak. Wie läuft es für ihn mittlerweile im Kraichgau?
Nach seinem Kreuzbandriss im vergangenen Jahr hatte Ozan immer wieder kleinere und größere Rückschläge im Rehaprozess erlitten. Es war also klar, dass er behutsam wieder an die Mannschaft und an Einsatzzeit herangeführt werden würde. Gegen Heidenheim stand er tatsächlich erstmals überhaupt in der Startelf und konnte nicht nur treffen, sondern auch über die volle Distanz gehen. Sprich: So gut wie aktuell lief es für ihn schon lange nicht mehr. Allerdings läuft sein Vertrag aus – die nächsten Wochen und vor allem die Partien im Januar und Februar dürften also richtungsweisend sein, ob und wie die Reise von Ozan bei der TSG weitergeht.
Wer fehlt denn am Wochenende voraussichtlich?
Definitiv fehlen wird außer den wenigen Langzeitverletzten, allen voran Koki Machida (Kreuzbandriss), nur Bazoumana Touré, der sich am Montag vom Team verabschiedet hat, weil er mit der Elfenbeinküste am Afrika Cup teilnehmen wird. Generell ist einer der Schlüssel des bisherigen Erfolgs sicherlich auch die Fitness der Mannschaft. Hoffenheim läuft mehr als alle anderen, sprintet öfter und absolviert die meisten intensiven Läufe aller Bundesligisten – und hat dennoch praktisch keine Muskelverletzungen oder andere Wehwehchen.
Zum Abschluss: Dein Tipp für Startelf und Ergebnis?
Ich tippe, wie Du und Deine Leser ja inzwischen wissen, wahnsinnig schlecht – und bin trotzdem von einem 3:3 überzeugt. 😉 Bernardo wird nach seiner Gelbsperre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ins Team zurückkehren. Vielleicht auch für Ozan. Ansonsten wird Asllani wohl wieder von Beginn an auflaufen dürfen und Touré ersetzen, wenngleich natürlich nicht auf derselben Position. Viele Gründe, darüber hinaus etwas zu ändern, hat Christian Ilzer definitiv nicht.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images









































