DFB-Frauen
·23 July 2025
Sabine Mammitzsch: "Wir zählen zu den Top-Teams Europas"

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·23 July 2025
Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft steht bei der UEFA Women’s EURO in der Schweiz im Halbfinale. Sabine Mammitzsch, DFB-Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball, spricht im DFB.de-Interview über das bisherige Abschneiden des Teams, den besonderen Zusammenhalt und die positiven Auswirkungen auf den Fußball in Deutschland.
DFB.de: Frau Mammitzsch, die Frauen-Nationalmannschaft steht kurz vor dem EM-Halbfinale gegen Spanien. Wie erleben Sie das Team aktuell und besonders nach diesem emotionalen Viertelfinale gegen Frankreich?
Sabine Mammitzsch: Zum einen erstmal wieder gelassener. Alle Spielerinnen, der gesamte Staff und ich selbst waren so emotional aufgedreht, dass wir alle in der Nacht kaum schlafen konnten. Ich musste am nächsten Tag erst einmal alle Nachrichten lesen und mir die Videos von diesem Spiel anschauen - das Elfmeterschießen, die geniale Aktion von Ann-Katrin Berger. Das war alles hochemotional, da dauert es, bis man da wieder auf den Teppich zurückkommt. Wir haben uns wieder beruhigt, aber das gute Gefühl bleibt. Die Spielerinnen strahlen, es herrscht eine gute Dynamik, auch im Staff. Wir wissen, was wir geleistet haben: Wir gehören zu den besten vier Teams in Europa. Und das trägt uns natürlich auch.
DFB.de: Der außergewöhnliche Zusammenhalt des Teams war schon im Vorfeld des Turniers von außen spürbar, was ist da in den vergangenen Wochen gewachsen?
Mammitzsch: Der Hauptgrund ist für mich die erste Zusammenkunft in Herzogenaurach. Da wurde die Basis gelegt, da ist das Team zusammengewachsen. Herzogenaurach hat auch schon vor drei Jahren in der Vorbereitung auf die EM in England eine große Rolle gespielt. Die Spielerinnen erzählen immer von einer besonderen Aura, die es dort gibt. Es gibt also viele Faktoren, die dort ein kleines Pflänzlein gesetzt haben. Die Wolfgang-Petry-Aktion der Spielerinnen war dann das i-Tüpfelchen, auch wenn ich leider selbst an diesem Tag nicht dabei sein konnte. Aber alle Beteiligten haben von diesem tollen Moment erzählt, den man ihnen nie wieder nehmen kann. Und so einen besonderen Moment, den gab es jetzt auch bei diesem Spiel gegen Frankreich. Da ist etwas, das so eine Dynamik ausgelöst hat, eine Emotionalität, das wird alle Spielerinnen auf ewig verbinden.
DFB.de: Wie sehen Sie die Nationalmannschaft mit dem Halbfinaleinzug im internationalen Vergleich?
Mammitzsch: Wir haben noch einmal unterstrichen, dass wir zu den Top-Teams in Europa gehören. Wir haben vergangenes Jahr die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen gewonnen - als bestes europäisches Team. Dazu stehen wir auch noch im Nations-League-Halbfinale und wollen im Oktober natürlich in die Finalspiele einziehen. Das sind Statements, und es unterstreicht: In Europa gehören wir zu den Spitzenteams auf jeden Fall dazu.
DFB.de: Die WEURO 2022 in England hat seinerzeit für einen regelrechten Frauenfußball-Boom gesorgt, welche Auswirkungen kann das diesjährige Turnier in Deutschland haben?
Mammitzsch: Ich erhoffe mir natürlich, dass sich das wiederholt, was vor drei Jahren passiert ist: Dass mehr Menschen in die Stadien strömen und einfach Fußball und ihren Klub sehen wollen. Die drei Aufsteiger in die Google Pixel Frauen-Bundesliga, Union Berlin, der 1. FC Nürnberg und der HSV spielen jetzt alle regelmäßig in den großen Stadien. Ich hoffe einfach, dass dort die Saison über die Stadien gut gefüllt sein werden. Ich habe auch hier vor Ort Spiele verfolgt, etwa das Spiel der Schweizerinnen gegen Spanien. Das Stadion war voller Fans, die mitgefiebert und - gefeiert haben. Es waren Emotionen pur - wir haben ein Fußballspiel verfolgt, uns von den Gefühlen mitreißen lassen und das Fest gemeinsam gefeiert. Nun hoffe ich, dass das noch mehr Vereine der GPFBL dazu ermutigt, mit ihren Spielen in die großen Stadien zu gehen.
DFB.de: Kann sich das auch auf die Basis auswirken?
Mammitzsch: Die Hoffnung ist, dass jetzt auch wieder ganz viele Kinder, egal ob Mädchen oder Jungen, sagen, sie wollen Fußball spielen. Ich bin sicher, diese Spiele haben eine Auswirkung auf den Nachwuchs allgemein. Ich hatte als Kind im Fußball damals nur männliche Vorbilder, weil es nur die im Fernsehen zu sehen gab. Aber ich glaube, das kann heute auch andersrum sein. Deswegen hoffe ich, dass die Landesverbände durch diese Europameisterschaft noch einmal einen Ansturm in den Klubs erleben. Wir haben schon einen Zuwachs bei den Mädchen, im vergangenen Jahr gab es zehn Prozent mehr Mädchenteams und sieben Prozent mehr Spielerinnen unter 16 Jahren. Aber wir wollen natürlich auch zukünftig mehr Spielerinnen, Mannschaften und Trainerinnen dazu gewinnen. Das muss unser nachhaltiges Ziel sein.
DFB.de: Wir sehen im ganzen Turnier Fanmärsche von verschiedensten Nationen, volle Stadien und großartige Stimmung. Aktuell bewirbt sich der DFB um das Turnier in vier Jahren. Ist Deutschland genau der richtige Ort, um den Schritt, den der Frauenfußball jetzt gegangen ist, dann noch einmal weiterzugehen?
Mammitzsch: Davon bin ich überzeugt. Wir wollen wachsen, wir wollen mehr Kinder zum Fußball bringen und auch die Akzeptanz weiter fördern. Für den Frauenfußball, aber auch für Frauen in Führungspositionen allgemein. Dafür braucht es mehr Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen - und das würde ein Turnier in Deutschland noch einmal voranbringen, wie es auch schon die WM 2011 geschafft hat. Deswegen setzen wir alles daran, die EM 2029 nach Deutschland zu holen.