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Rund um den Brustring

·19 March 2025

Unreif

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Auch das Heim­spiel gegen Lever­ku­sen ver­liert der VfB trotz einer über wei­te Stre­cken ange­sichts des Geg­ners anspre­chen­den Leis­tung. Der spä­te Nacken­schlag ist erneut das Ergeb­nis eines dra­ma­ti­schen Kon­troll­ver­lusts. Dabei ist die Nie­der­la­ge gegen den Meis­ter vor allem des­we­gen so ärger­lich, weil man sie sich nicht leis­ten konn­te.

Ja, der Rück­blick auf die­ses Spiel kommt die­se Woche etwas spä­ter. Das hat zum Einen damit zu tun, dass ich am Sonn­tag­abend am Liebs­ten irgend­et­was kurz und klein geschla­gen hät­te — und damit bin ich ver­mut­lich nicht der Ein­zi­ge. Ter­min­be­dingt kam ich dann erst spä­ter dazu, mir die 3:4‑Niederlage noch­mal in Ruhe anzu­schau­en. Und was soll ich sagen: Was mich live noch wahn­sin­nig mach­te, näm­lich dass der VfB eine 2:0‑Führung und dann eine 3:1‑Führung noch ver­spiel­te, dass es bis kurz vor Schluss immer noch 3:2 für uns stand und ich schon wuss­te, was gleich pas­sie­ren wird, das trieb mir auch re-live noch­mal den Puls in die Höhe. Was ich aber auch sah: Die Mann­schaft mit dem Brust­ring mach­te über wei­te Stre­cken gegen zwar durch den Aus­fall von Wirtz ersatz­ge­schwäch­te, aber den­noch immer gefähr­li­che Lever­ku­se­ner ein ziem­lich gutes Spiel. Bis sie am Ende immer mehr Zwei­kämp­fe in ent­schei­den­den Situa­ti­on und damit kom­plett die Spiel­kon­trol­le ver­lor. Wie ein Kind, dass sich sei­ne Kräf­te nicht ein­tei­len kann, sich müde spielt und plötz­lich über den Bau­klöt­zen weg­nickt. Das weckt Erin­ne­run­gen an den Super­cup gegen den glei­chen Geg­ner, aber auch an Par­tien wie das Heim­spiel gegen Mainz. So reif sich die Mann­schaft in einer ähn­li­chen Situa­ti­on in Dort­mund zeig­te, so unreif agier­te sie gegen den Meis­ter.


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In der Luft

Ben­ni Hof­mann hat es in sei­nem Arti­kel im kicker auf den Punkt gebracht: “In der­ar­ti­gen Situa­tio­nen fehlt ein Anker­spie­ler, wie ihn Bay­er bei­spiels­wei­se in Gra­nit Xha­ka hat. Ein Pro­fi, der per­ma­nent Ruhe aus­strahlt, die Gewiss­heit des Sie­ges im Kopf, der auch mal auf den Ball tritt, das Tem­po ver­schleppt.” Der VfB spiel­te ein­fach immer wei­ter und ließ sich bei eige­ner Füh­rung immer regel­mä­ßi­ger von den schnel­len Gäs­ten über­spie­len. So waren die Gegen­to­re unab­hän­gig von indi­vi­du­el­len Miss­ge­schi­cken wie dem von Stil­ler oder Abwehr­feh­lern wie denen von Füh­rich und Kara­zor, irgend­wann unver­meid­bar, denn der VfB bekam kein Bein mehr auf den Boden. Dabei muss sich auch Sebas­ti­an Hoe­neß fra­gen las­sen, ob es in die­ser Situa­ti­on ziel­füh­rend war, mit Joshua Vagno­man, Chris Füh­rich und Deniz Undav drei Spie­ler in der Form­kri­se ein­zu­wech­seln. Vagno­man scheint sich immer noch nicht von sei­nem Deba­kel gegen Paris und Bar­co­la erholt zu haben, ande­rer­seits kann man aber von Undav und Füh­rich auch erwar­ten, dass sie den Platz auf der Bank zu Beginn des Spiels eben­so als Ansporn ver­ste­hen wie die Nomi­nie­rung für die Natio­nal­mann­schaft oder eben in Füh­richs Fall die Nicht-Nomi­nie­rung.

Was die Nie­der­la­ge so schwer ver­dau­lich macht, ist eben auch die Tat­sa­che, dass die Mann­schaft gegen einen star­ken Geg­ner wie­der gut aus­sah, aber wie gegen die Bay­ern am Ende mit lee­ren Hän­den da stand. Waren es gegen die Bay­ern noch absur­de Defen­siv-Pat­zer, war man gegen Lever­ku­sen eigent­lich immer einen Schritt zu spät. Dabei zeig­te die Mann­schaft in den ers­ten knapp 70 Minu­ten genau das, was man von ihr in einem sol­chen Spiel sehen möch­te, aber auch muss: Bis­sig in den Zwei­kämp­fen, kon­zen­triert in der Abwehr, ziel­stre­big nach vor­ne und eis­kalt vor dem Tor. Immer wie­der befrei­te sich die Hoe­neß-Elf gut aus Lever­ku­se­ner Angrif­fen und ging dann ent­schlos­sen in die Offen­si­ve. So zum Bei­spiel beim 1:0, als Maxi Mit­tel­städt sich einen etwas zu weit vor­ge­leg­ten Ball zurück­er­kämpf­te, Nick Wol­te­ma­de die­sen dann mit dem Rücken zum Tor annahm, auf Jamie Lewe­ling wei­ter­lei­te­te, bevor Erme­din Demi­ro­vic des­sen Schuss im zwei­ten Ver­such über die Linie drück­te. Oder der wohl­über­leg­te Pass von Enzo Mil­lot auf Wol­te­ma­de, der form­schön, direkt nach der Pau­se vor der Cannstat­ter Kur­ve traf. Beim 3:1 hat­te der VfB dann auch das nöti­ge Glück, als Demi­ro­vics Schuss zwi­schen Tor­wart Hra­de­cky und der Hand von Gra­nit Xha­ka zur Bil­lard­ku­gel wur­de. Dazu zeig­te der jun­ge Finn Jeltsch erneut eine beein­dru­cken­de Par­tie. Es pass­te also alles und dann am Ende doch wie­der nicht.

Die Tabelle lädt das Spiel zusätzlich auf

Das alles war im Super­cup noch halb so wild, denn da ging es um nichts. In den letz­ten Wochen hat der VfB sich aber in eine Situa­ti­on gebracht, in dem ein Sieg gegen Lever­ku­sen nach meh­re­ren teil­wei­se ver­pfif­fe­nen Spie­len gegen die­se Trup­pe nicht nur für die See­le gut gewe­sen wäre, son­dern auch für den Tabel­len­stand. Denn ein solch nai­ves Spiel gegen Lever­ku­sen kön­nen wir uns nur leis­ten, wenn wir gegen ande­re Mann­schaf­ten unse­re Haus­auf­ga­ben machen. Die halb­ga­ren Auf­trit­te bei den Abstiegs­kan­di­da­ten aus Kiel und Hof­fen­heim, die schlech­ten Leis­tun­gen gegen Wolfs­burg, Glad­bach und Mainz aber sind es, die die­se Nie­der­la­ge gegen Lever­ku­sen zusätz­lich auf­la­den. Man könn­te das Posi­ti­ve aus dem Groß­teil der Par­tie her­neh­men und ver­su­chen, die­se in Frank­furt abzu­stel­len. So ent­steht aber das Mus­ter, dass sich die Mann­schaft gegen star­ke Geg­ner zu Höchst­leis­tun­gen auf­schwingt, gegen schwä­che­re aber genau die­se Tugen­den ver­mis­sen lässt. Oder wie es es Dirk Preiß von den Stutt­gar­ter Nach­rich­ten for­mu­liert: “Ein gutes Ende der Sai­son ist also noch mög­lich — wird dem VfB aber nicht zuflie­gen.” Wenn die Mann­schaft das nach den letz­ten Par­tien nicht kapiert hat, ist ihr auch nicht mehr zu heol­fen und dann wird es weder für einen Euro­pa­po­kal-Platz, noch für das Pokal­fi­na­le rei­chen.

Dass sie sich auch wie­der halb­wegs berap­peln kann, zeigt die Hin­run­de: Im Novem­ber ging man mit dem Nacken­schlag des spä­ten, aber aberkann­ten Tores von Chris Füh­rich gegen Frank­furt in die Län­der­spiel­pau­se — und sam­mel­te im Anschluss, vom Deba­kel in Bel­grad mal abge­se­hen, flei­ßig Punk­te gegen genau die Mann­schaf­ten, gegen die es jetzt in den Sai­son­end­spurt geht. Soll­te es dann gelin­gen, den schon schmerz­haft häu­fig zitier­ten Bock “umzu­sto­ßen”, dann kann ich auch mit die­sem Spiel gegen Lever­ku­sen leben. Aktu­ell ärge­re ich mich immer noch.

Zum Wei­ter­le­sen: Der Ver­ti­kal­pass fühlt sich auch an die Zeit unter Mat­a­raz­zo erin­nert und ana­lyisert: “Es fehlt an Sta­bi­li­tät, aber auch an Füh­rung – von innen und von außen.”

Titel­bild: © Dani­el Kopatsch/Getty Images

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