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·27 November 2024

Verloren? Scheiße!

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Beim FC St. Pauli sollten Niederlagen richtig ätzend sein, findet Tim. Das hat mit Gegenwart und Vergangenheit zu tun.(Titelfoto: Stefan Groenveld)

Ein Kommentar von Tim


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Na klar, es konnte nicht vom FC St. Pauli erwartet werden, dass er die Bundesliga in Grund und Boden spielt. Vielmehr musste vor der Saison davon ausgegangen werden, dass genau das passiert, was man nun erlebt: Platz 16, massive Probleme beim Toreschießen, Abstiegskampf. Das Level in der Bundesliga ist eines, welches der FCSP zu erreichen versucht, Ausgang ungewiss.

Niederlagen müssen nerven

Gibt es also einen Grund sich aufzuregen, wenn der FC St. Pauli mit 0:2 in Gladbach verliert? Darf man sich daran stören, dass das Team gegen einen Gegner verliert, der (noch?) individuell einfach besser ist? Sollte man sich darüber ärgern, wenn der FCSP eben keinen Sahne-Tag erwischt und somit für ihn einige Bundesligisten unschlagbar werden? Man muss es sogar!

Denn Niederlagen dürfen nicht egal sein. Die Feststellung, dass der FC St. Pauli in Spielen – teilweise im wahrsten Sinne des Wortes – chancenlos gewesen ist, sie sollte verärgern, nicht dazu führen, dass man ehrfürchtig die Übermächtigkeit des Gegners anerkennt und beginnt auszurechnen, gegen welche Clubs Punkte zu holen sein könnten. Denn die Antwort muss „alle“ lauten.

Ja, die (finanzielle) Schere in der Bundesliga ist so dermaßen weit auseinander, dass sie wohl nie mehr zu schließen ist. Der Wettbewerb ist fürchterlich kaputt und dürfte ohne entscheidende Eingriffe nur noch langweiliger werden. Und trotzdem hat sich beim FC St. Pauli ein Leistungsgedanke durchgesetzt, der den Verein bis in die Bundesliga gebracht hat. Da, in diesen Wettbewerb, wollten die meisten hin – wohlwissend, dass dort die Unterschiede gewaltig sind und entsprechend auch wohlwissend, dass der Klassenernhalt seeehr schwierig werden wird.

Nur punkten gegen die direkte Konkurrenz wird nicht reichen

Doch ungeachtet dieses krummen Wettbewerbs, der dazu geführt hat, dass Top-Clubs mit dem Verkauf einzelner Spieler Ablösesummen generieren können, die den Jahresumsatz der kleinen Clubs um das Doppelte und mehr übersteigen, vielleicht sogar gerade aufgrunddessen, dürfen Niederlagen nicht akzeptiert werden. Wer die Klasse halten will, darf sich nicht nur in Spielen gegen vermeintlich gleichstarke Teams messen. Das wird einfach nicht reichen.

Der FC St. Pauli muss punkten, auch gegen Gegner, die auf einem anderen Level unterwegs sind. Und damit das möglich ist sollte sich keine „Naja, die sind halt auf einem anderen Level“-Haltung durchsetzen. Genau diese konnte man in den letzten Wochen und besonders nach der Niederlage bei Borussia Mönchengladbach an der ein oder anderen Stelle wahrnehmen. Und sie muss dringend im Keim erstickt werden. Denn auch wenn diese Feststellung („Gegner sind auf anderem Level“) richtig sein mag, darf sie keine Ausrede für Niederlagen sein. Vielmehr sollte sie verärgern und Anreize liefern selbst das höhere Level zu erreichen. Ansonsten droht die Gefahr, dass sie ein Alibi liefert. Und das wäre ziemlich sicher gleichbedeutend mit dem Abstieg in die zweite Liga.

Wichtig ist also, dass der FC St. Pauli (und damit sind alle gemeint – Spieler, Staff, Mitarbeitende, Fans) Niederlagen nicht einfach akzeptiert. Denn so würde sich ein Gebilde aufbauen, bei dem das Narrativ besteht, man habe trotz größter Anstrengungen eh keine Chance gehabt. Aber so ist es nicht. Überhaupt nicht. Denn genau das haben die bisherigen elf Ligaspiele gezeigt: Der FC St. Pauli kann nicht nur mithalten, sondern Spielen auch seinen Stempel aufdrücken. Es muss also der Ärger überwiegen, dass man trotz dieser Spiele erst acht Punkte hat. Das ist nämlich zu wenig, sowohl angesichts der Spiele selbst, als auch um die Klasse zu halten.

Gegen die Wohlfühloase

Vielleicht reagiere ich besonders sensibel auf das Thema. Weil es eine unschöne Historie gibt. Es hat beim FC St. Pauli Jahre gedauert die Wohlfühloase trockenzulegen, die sich aufgrund einer allzu weichen Komfortzone entwickelt hat. Jene Umgebung, bei der sportlicher Erfolg in den Hintergrund rückte und die vermutlich, wenn sie auch nur eine Saison weiter unberührt geblieben wäre, wohl den Gang in die dritte Liga bedeutet hätte. Wir sollten und müssen also gut aufpassen, dass keine neue geschaffen wird.

Angenehm ist, dass Alexander Blessin nicht den Eindruck erweckt, dass ihn Niederlagen nicht stören würden, auch wenn es gegen schier übermächtige Gegner geht. Er selbst betont immer wieder, dass er nie zufrieden ist und sein darf. Weil das den Anfang vom Ende bedeute. Gleiches gilt für das Team, die teilweise auf Fragen mit dem Inhalt „Gute Leistung, aber keine Punkte – was könnt ihr trotzdem aus diesem Spiel ziehen?“ fast schon etwas ungehalten reagieren. Zufriedenheit aufgrund der eigenen Leistung? Fehlanzeige. Das ist gut und muss unbedingt so bleiben.

Unzufriedenheit? Ja, bitte!

Nun folgt das Heimspiel gegen Holstein Kiel, bei dem eine Niederlage eigentlich verboten ist. Zu wichtig ist diese Partie angesichts der Tabelle. Genauso wichtig ist aber, was danach bis Weihnachten passiert. Denn es muss davon ausgegangen werden, dass auch die anderen Teams im Abstiegskampf Punkte in Spielen holen werden, in denen sie auf dem Papier deutliche Außenseiter waren. Der FCSP hat in Freiburg gewonnen und gegen Leipzig gepunktet – warum sollten Kiel, Bochum und alle anderen direkten Konkurrenten das nicht auch schaffen können?

Es reicht also nicht nur auf die Spiele gegen die direkten Konkurrenten zu setzen. Damit man auch in allen anderen Spielen eine Chance auf Punkte hat, muss natürlich vieles zusammenlaufen. Das Nicht-Aktzeptieren der vermeintlichen Rollen-Verteilung gehört unbedingt dazu. Denn nur wenn man sich an etwas stört, bleibt der Anreiz bestehen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Unzufriedenheit muss beim FC St. Pauli System haben.

// Tim

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