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·1 July 2025
Woltemade: Einen gut haben

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·1 July 2025
Dass die Bremer ihn seinerzeit gehen ließen, das hab ich bis heute nicht verstanden. Auch wenn er damals gar nicht ständig spielte. Aber dass aus Nick Woltemade mal was werden würde, das war selbst mir als Laie sonnenklar. Und eine Identifikationsfigur war er obendrein. Ob sie jetzt ihren Besen fressen in Bremen oder ihren Hut, das juckt halt heute schon längst keinen mehr. Außerhalb von Bremen. Vgl. Torwart Kobel einst in Hoffenheim. Klar hältst Du den nicht ewig in der Sinsheimer Steppe – aber so ein, zwei Jährchen hätte ich den dem alten, gleichwohl sympathischen Baumann schon damals vorgezogen.
Und jetzt? Nach einer starken Halbsaison hat Woltemade beim VfB Stuttgart den Sprung in alle möglichen Nationalmannschaften geschafft, Peter Crouch in flink mit geilster Technik. Zahlreiche Spitznamen, Publikumsliebling, immer gut zu erkennen, selten um einen guten Spruch verlegen, und es kam, wie es kommen musste: Andere Clubs klopfen an bzw irgendwelche Menschen behaupten, es bestehe Interesse seitens des FC Bayern München, und dann sind plötzlich alle aufgeregt. Zuvorderst natürlich unsere lieben VfB-Fans. Sie kennen den Nick, sie lieben ihn, und sie wissen, er ist ein „guter Junge“, hat einen „guten Charakter“, der macht das nicht, der wechselt niemals zum FC Bayern. Manche sogar Prophylaxe, weil der Spieler nicht sofort kategorisch und für alle Tage einen Wechsel nach München ausgeschlossen hat: „Ich weiß gar nicht, ob ich den noch will bei uns.“ Weil WIR, die Fans, wissen ja schon immer, was gut ist für einen Spieler. Wir wissen auch genau, wer was zu wem gesagt hat. Und wer zu den „Bauern“ wechselt, der ist für uns bis ans Ende aller Tage unten durch, siehe Mario Gomez, genannt „Gomuc“.
Wer dagegen, andersrum, aus München nach Stuttgart wechselt, den nehmen wir gerne. Siehe Asgeir Sigurvinsson, siehe Bertram Beierlorzer, Bernd Förster und Thomas Berthold, Erwin Hadewicz und Wiggerl Kögl, siehe auch den kleinen Philipp Lahm und den ewigen Hitz, unter vielen anderen.
Und als ob die mittlerweile entstandene Hysterie unter den Anhängern nicht schon groß genug wäre, kommt jetzt auch noch Bayern-Manager Max „die ehrliche Haut“ Eberl daher und posaunt mit gespielter Offenheit seine jetzt aber ganz wirklich wirklichen ganz echten Gefühle in die Kameras und Mikrofone. Der darauf folgende Schlagabtausch Hoeneß – Matthäus mit seitlichem Eingemische von Babbel bis Ballack und Kommentare in fast allen auch nur ansatzweise fußballaffinen Medien kommen automatisch obendrauf, denn schließlich haben wir das Ding noch bis zum Schließen des Transferfensters auszuschlachten und hinzuziehen. Kein Wunder ist aus Woltemade längst Woltemessi geworden.
Dass, wer auch immer den Spieler zur neuen Saison in seinen Reihen haben wird, einen hoffnungslos überspielten Spieler in seinen Reihen haben wird, daran habe ich wenig Zweifel. Gilt übrigens für alle Spieler, die jetzt unterwegs sind/waren bei U21-EM oder Club-WM. Und wer Maschine genug ist, sich trotz der Belastungen und fehlenden Regenerationsphasen halbwegs aufrecht durch die nächste Ligasaison zu schleppen, dem wird die Weltmeisterschaft 2026 den Rest geben. Den Gnadenschuss verpassen. Jede Wette darauf, dass sich die Verletzungen der Topspieler häufen werden. Aber wen juckt das schon in Zeiten, in denen für einen Kniemaladen wie Florian Wirtz 150 Millionen hingelegt werden. Wünschen tu ich es natürlich keinem – dem dünnen Woltemade schon gleich dreimal nicht.
Was das Verhältnis des VfB Stuttgart zum FC Bayern München angeht, so werden die Verantwortlichen sicherlich weit weniger hysterisch agieren als die Fans und Medien. Solche Dinge wurden ja bekanntlich schon immer dergestalt gelöst, dass die Bayern ihren Wunschspieler zu ihren Wunschkonditionen bekommen – und wir dann im Gegenzug „einen gut haben“ bei ihnen. Dieses „einen gut haben“ werden die ganz Argwöhnischen als das neue „am Nasenring durch die Manege ziehen“ interpretieren, oder auch als ein knappes „zum Affen machen“. Aber vielleicht, vielleicht endet der Wahnsinn um Nick Woltemade ja auch in einer Woltemade-Wanner-Rochade zzgl. weiterem Verbleib des Torwarts Nübel, dem die Bayern zwei Drittel des Gehaltes überweisen. Wer weiß, wer weiß? Herr Plettigoal, übernehmen sie!