DFB
·22 December 2025
Wück: "Wir können mit den Platzierungen zufrieden sein"

In partnership with
Yahoo sportsDFB
·22 December 2025

Ein bewegtes Jahr liegt hinter der Frauen-Nationalmannschaft: Finale in der Nations League, Halbfinale bei der Europameisterschaft in der Schweiz und ein erfolgreicher Umbruch mit neuen Gesichtern. Auch wenn 2025 keinen Titel brachte, gab es einen anderen großen Erfolg: Die Frauen-EM 2029 wird in Deutschland ausgetragen. Im DFB.de-Interview spricht Bundestrainer Christian Wück über die Highlights des Jahres und die Entwicklung seines Teams. Außerdem richtet er den Blick in die Zukunft: Auf die Qualifikation für die WM 2026 und die Chancen, die die Heim-EM in dreieinhalb Jahren bietet.
DFB.de: Herr Wück, was war für Sie der prägendste Moment des Jahres 2025 – und warum?
Christian Wück: Für mich war das der gesamte Verlauf der Europameisterschaft. Es ging weniger um einen einzelnen Moment, sondern um ein Gefühl, das sich über die Wochen hinweg aufgebaut hat: dass wir als Mannschaft zusammenwachsen. Nach außen wurde viel Harmonie sichtbar, gleichzeitig wurde intern extrem intensiv gearbeitet – mit klaren Anforderungen an uns alle und an die tägliche Leistung. Dabei hat auch die enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit im Trainer*innenteam eine wichtige Rolle gespielt: Maren (Meinert Anm. d. Red.) und Saskia (Bartusiak Anm. d. Red.) haben mit ihrer Erfahrung und Klarheit extrem dazu beigetragen, dass wir die richtigen Impulse setzen konnten. Auch der Austausch mit Nia war für unsere Entwicklung und die Stabilität im gesamten Turnierverlauf enorm wichtig.
DFB.de: Was hat dieses Gefühl besonders geprägt?
Wück: Als Trainer ist man zunächst vorsichtig, wenn sehr viel Harmonie herrscht. Weil sich dann auch Fragen stellen: Können wir im entscheidenden Moment den Schalter umlegen? Wird der Konkurrenzkampf angenommen? Ist der Fokus immer komplett auf dem Spiel? Die Gewissheit, dass das Team all diese Herausforderungen annimmt, hat sich während der Vorbereitung in Herzogenaurach und im Verlauf des Turniers immer wieder bestätigt und damit gefestigt. Daraus hat sich bei mir und im gesamten Trainer*innenteam ein positives Grundgefühl entwickelt.
DFB.de: Haben die Höhen und Tiefen des Turniers eine besondere Rolle für die Entwicklung Ihres Teams gespielt?
Wück: Absolut. Die positiven Erlebnisse aus den ersten beiden Siegen waren wichtig, aber prägend waren genauso die schwierigen Situationen – zum Beispiel Rote Karten oder die Niederlage gegen Schweden. Das war unsere erste echte Bewährungsprobe, für das Trainer*innenteam genauso wie für die Mannschaft. Wir waren alle gespannt, wie jede Einzelne reagiert und wie wir als Team damit umgehen. Die Antwort war beeindruckend: professionell, fokussiert und vor allem geschlossen. Das hat uns gezeigt, dass wir die richtigen Schlüsse ziehen, der Glaube an uns ist dadurch immer weiter gewachsen.
DFB.de: 2025 war auch ein Jahr des Umbruchs. Wie herausfordernd war dieser Prozess – und worauf sind Sie besonders stolz?
Wück: Wir wussten schon mit Amtsantritt, dass einige Spielerinnen über Rücktritte nachdenken, und wir hatten genügend Zeit, diese Szenarien vorab durchzuspielen. Die Länderspiele 2024 und die Nations-League-Partien vor der EM haben uns die Möglichkeit gegeben, viel auszuprobieren. Trotz der vielen Veränderungen in Startelf und Formation war es uns wichtig, den Spielerinnen klar zu vermitteln, was wir auf dem Platz sehen wollen – und zwar unabhängig davon, mit welchen Spielerinnen wir in ein Spiel gegen. Es ging um die Idee, die Art, wie wir Fußball spielen wollen.
DFB.de: Halbfinale bei der EM, Platz zwei in der Nations League – was sagen diese Ergebnisse über die Entwicklung Ihres Teams aus?
Wück: Wir können mit den Platzierungen zufrieden sein. Die Mannschaft hat sich sehr gut entwickelt, mit vielen Auftritten waren wir sehr zufrieden. Am Optimum sind wir aber noch nicht – denn dann hätten wir am Ende auch einen Pokal in der Hand gehabt. Die Ergebnisse zeigen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, aber dass wir eben noch Schritte gehen müssen, dass noch etwas fehlt, um am Ende auch Titel zu gewinnen.
DFB.de: Welche Schritte sind das?
Wück: Es sind Feinheiten. Die Zahnräder greifen innerhalb der einzelnen Mannschaftsteile schon gut ineinander, mitunter entsteht daraus aber zu wenig für das gesamte Team. Es gibt Spielsituationen, in denen wir die Abstimmung zwischen den Räumen noch verbessern können. Auch muss es unser Ziel sein, den Kreis der Top-Spielerinnen kontinuierlich zu erweitern. Wenn Spielerinnen ersetzt werden müssen, muss das Leistungsniveau gehalten werden. Genauso hatten wir auch Partien, in denen Einwechslungen dem Spiel eine komplett neue Energie gegeben haben. Das muss der Anspruch sein: Spielerinnen, die als Joker dem Spiel ihren Stempel aufdrücken. Das ist eine Frage der Kaderzusammenstellung – und unsere Aufgabe im Scouting ist es, zusätzlich weitere Talente zu finden, die für den Kreis der A-Nationalmannschaft in Frage kommen.
DFB.de: 2026 startet die Qualifikation für die WM 2027 in Brasilien. Die Gruppe mit Norwegen, Slowenien und Österreich ist anspruchsvoll. Wie beurteilen Sie die Ausgangslage?
Wück: Wir gehen sicher als Favorit in die Gruppe und sollten den Anspruch haben, die Spiele und die Gruppe zu dominieren. Auch wenn die Wertung zutrifft: Die Gruppe ist herausfordernd, natürlich haben wir Respekt vor unseren Gegnerinnen. Alle drei Teams haben die Ambition, zur WM zu fahren. Mein Wunsch ist, dass die Spielerinnen die Favoritenrolle selbstbewusst annehmen. Diese Haltung haben wir in den entscheidenden Spielen der Nations League und der EM bereits entwickelt. Das gilt es fortzusetzen und auszubauen. Eine Spitzenmannschaft tritt selbstbewusst auf, ist dabei aber weder nachlässig, noch überheblich.
DFB.de: Wie möchten Sie Ihr Team fußballerisch im neuen Jahr auf dem Platz sehen?
Wück: Große Bedeutung hat für uns die Spielintelligenz. Wir wollen eine Mannschaft sehen, die auf dem Platz eigenständig kluge Entscheidungen trifft – passend zur jeweiligen Spielsituation. Je mehr spielintelligente Spielerinnen wir haben, die unabhängig vom System die richtigen Lösungen finden, desto besser werden wir. Dazu benötigen wir eine gute Mischung: Spielerinnen, die solide und zuverlässig ihre Position spielen, und Spielerinnen, die das Spiel lesen und variabel und kreativ agieren können. Dieser Aspekt wird immer wichtiger. Erfolgreiche Mannschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht ausrechenbar und in der Lage sind, die Gegnerinnen so zu fordern.
DFB.de: Auch wenn 2025 keinen Titel brachte, gab es einen großen Erfolg: Die Frauen-EM 2029 wird in Deutschland ausgetragen. Wie haben Sie auf die Entscheidung reagiert – und welche Chancen sehen Sie?
Wück: Das ist eine riesige Chance – für den Frauenfußball in Deutschland und damit für den Fußball in Deutschland und für das ganze Land. Es liegt an uns, daraus ein Ereignis zu machen, das unvergesslich bleibt, nicht nur für uns, sondern auch für die vielen Gäste. Die Entwicklung des Frauenfußballs ist überaus positiv, und mit dem Turnier in Deutschland können wir diese Entwicklung noch einmal erheblich beschleunigen. Ich blicke daher mit großer Vorfreude aber zugleich auch sehr ehrfürchtig und mit Demut auf dieses Turnier. Für mich als Bundestrainer gilt aber: Mein Fokus liegt noch nicht auf 2029, vorher haben wir noch eine Weltmeisterschaft – und uns für diese zu qualifizieren, darauf liegt nur unser kompletter Fokus.
DFB.de: Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?
Christian Wück: Aus sportlicher Sicht steht die Qualifikation für die Weltmeisterschaft ganz oben auf meinem Wunschzettel. Außerdem wünsche ich mir, dass wir weitere Talente entdecken, die unseren Kreis für die A-Nationalmannschaft verstärken können. Und das Wichtigste: Ich wünsche uns allen Gesundheit und Zufriedenheit – sportlich und privat. Im größeren Blick hoffe ich, dass die Menschen und die Welt wieder mehr zur Ruhe kommen.
Live


Live







































