Miasanrot
·23 de noviembre de 2024
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Der FC Bayern München ist unter Vincent Kompany derart ins Rollen gekommen, dass Kritik auf hohem Niveau stattfindet. Doch die Offensive könnte noch mehr – drei Ansätze dafür.
Wieder souverän und überlegen gewonnen, wieder der Konkurrenz gezeigt, dass der Bundesliga-Titel in dieser Saison nur über den FC Bayern München geht. Das 3:0 gegen den FC Augsburg stellte alle zufrieden. Alle?
Nein! Ein von unbeugsamen Autor*innen bevölkerter Blog hört nicht auf, Detailkritik an den Bayern zu üben. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen bayerischen Legionäre.
Aber im Ernst: Am Samstagmorgen übten wir Kritik an der Offensive des Rekordmeisters, die sich zwar immer viele Abschlüsse erarbeitet, mit durchschnittlich 0,1 xG pro Schuss aber eine geringere Qualität als andere Top-Teams in Europa. Gerade in den letzten Spielen fiel auf, wie schwer sich die Bayern mit tief verteidigenden Teams getan haben. Doch welche Ansätze gibt es, um auch hier den nächsten Entwicklungsschritt hinzubekommen?
Zunächst mal gilt es aber einzuordnen, dass die Kritik sich auf sehr hohem Niveau bewegt. Allein in der Bundesliga schießt das Team von Trainer Vincent Kompany im Schnitt 3,27 Tore pro Spiel. Bisher trafen sie in jedem der elf Spiele. Auch bei den Expected Goals stehen sie mit derzeit 26 xG an der Spitze. Kein Team in Deutschland schießt also mehr Tore und keines erspielt sich einen so hohen Gesamtwert an xG.
Das Problem ist also eher im Detail versteckt – und eines, das mit xG nur schwer zu erfassen ist. Schauen wir dafür mal auf den xG-Plot von Between The Posts.
Auffällig: Bis zur Halbzeit taten sich die Bayern schwer, überhaupt nennenswerte Chancen herauszuspielen. Nach der Pause gelang das etwas besser, aber auch hier blieben große Möglichkeiten eher aus. Vor dem Elfmeter stand man bei 1,5 xG, zusammengesetzt aus drei ganz ordentlichen Abschlüssen und vielen kleinen von außerhalb des Strafraums oder aus schwierigen Positionen.
Nun kann man zwar argumentieren, dass man den Gegner müde gespielt und sich am Ende belohnt habe. Die Ergebnisse geben den Bayern zuletzt ja auch recht. Gleichzeitig gab es aber auch schon Spiele, in denen das Offensivspiel zum Problem wurde.
Gegen Frankfurt beispielsweise traf man nach zwei Standardsituationen, schaffte es darüber hinaus aber kaum, sich nennenswerte Abschlüsse aus dem Spiel heraus zu erarbeiten. Statt die Partie nach dem 3:2 also zu schließen, konnte man aus der drückenden Überlegenheit heraus nicht das vierte nachlegen. So gut sich 2,71 xG am Ende anhören, so sehr bestand dieser Wert zu großen Teilen aus eher kleineren Chancen. Auch gegen Aston Villa fiel den Bayern das auf die Füße – oder in Barcelona, als man aus der starken Anfangsphase zu wenig machte.
Oder, um es auf den Punkt zu bringen: Man ist derzeit relativ abhängig davon, dass man aus vielen Halbchancen das 1:0 erzielt und dann die Räume bekommt, die man braucht. Es ist ein Problem, das fast alle Clubs auf der Welt sehr gerne hätten. Aber es ist gleichzeitig eines, das man intern analysieren und angehen muss. Welche Ansätze gibt es aber dafür?
Interessant zu beobachten war in den letzten Spielen, wie unglaublich eng die Bayern das Spielfeld gestalten. Auch gegen den FC Augsburg gab es mehrere Situationen, in denen alle Feldspieler beider Teams weniger als ein Viertel des gesamten Spielfelds besetzten.
Warum machen die Bayern das? „Wir wollen grundsätzlich immer den Ball haben, sind auch bereit, relativ hoch anzulaufen, die Räume möglichst zu verdichten, um den Ball schnell wiederzugewinnen“, erklärte Thomas Müller die Spielweise im Schnelldurchlauf im Gespräch mit dem BR: „Der Schlüssel liegt auch im Ballbesitz, die Positionierung, die Aktivität im Freilaufen.“
Der erste Gedanke dürfte der der Kontrolle sein. Verliert der ballführende Spieler den Ball, ist man einerseits sofort in einer guten Gegenpressingsituation. Und es ergibt sich aus dieser Situation heraus auch die Frage: Was könnte Augsburg mit einem Ballgewinn anfangen? Vermutlich nicht viel.
Denn eine sofortige Option zur Verlagerung gibt es beispielsweise nicht, eine für einen langen Ball nach vorn ebenfalls nicht. Aber: Für den FC Bayern trifft das ebenfalls zu. Denn sie spielen im Moment kaum lange Seitenverlagerungen. Eine statistische Auswertung fällt schwer, weil Opta eine Seitenverlagerung als Pass mit mindestens 36,5 Metern (40 Yards) Distanz über die Breite des Spielfelds definiert.
Bei einer Spielfeldbreite von 68 Metern (Allianz Arena) könnte hier die eine oder andere kurze Verlagerung aus der Mitte heraus oder mit spitzem Winkel wegfallen. Trotzdem: Bundesligaweit stehen die Münchner mit nur 29 Verlagerungen (via FBref) auf dem sechsten Platz – obwohl sie insgesamt auf 8988 Passversuche kommen. Nur jeder 310. Pass fällt also in die Verlagerungskategorie bei Opta – kein Team kommt hier auf einen höheren Wert.
Nochmal: Die Statistik kann hier verzerren, weil sie einen Diagonalball in spitzem Winkel eventuell nicht als Verlagerung erkennt. Aber sie bestätigt dennoch den Eindruck, dass die Bayern nur selten zu diesem Stilmittel greifen.
Es könnte Teil der Lösung sein, das Spielfeld zumindest in einzelnen Phasen etwas breiter zu machen, um schnellere Verlagerungen zu ermöglichen. Im Moment läuft der Ball sehr kleinteilig von einem Flügel zum anderen, was dazu führt, dass sich Gegner schneller wieder sortieren können.
Das letzte Mal, als die Bayern ihre Gegner derart hinten einschnürten und das Spielfeld so eng machten, dürfte unter Pep Guardiola gewesen sein. Verlagerungen waren ein sehr beliebtes Stilmittel des Katalanen. Eine Seite sehr eng bespielen, dann den Diagonalball auf den anderen Flügel spielen. Aber er hatte eben auch Spieler wie Xabi Alonso, Thiago und Jérôme Boateng, die solche Pässe aus dem Fußgelenk auf den Bierdeckel spielen konnten – und das mit genau der richtigen Schärfe.
Was wäre das Risiko, wenn Coman beispielsweise breiter stehen würde, um für eine solche Verlagerung empfänglich zu sein? Vermutlich etwas mehr Raum für einen Augsburger im Konterspiel. Aber so entscheidend, dass daraus direkt eine Kontererzielung möglich ist, oder die Bayern ihr kompaktes Spiel komplett aufgeben müssten? Wohl nur in seltenen Fällen.
Derzeit wird die Breite oft sehr spät erzeugt. Also wenn der Ball vom linken Flügel in die Mitte geschoben wird, lässt sich ein Spieler auf den rechten Flügel fallen. Das führt aber nur selten zu Möglichkeiten für die Dribbler, in tatsächliche Eins-gegen-eins-Situationen zu kommen. Gerade gegen tiefe Blöcke kann es ein sehr gutes Mittel sein, den Gegner horizontal mehr auseinander zu ziehen. Man müsste eben die Balance aus guter Formation fürs Gegenpressing und mehr Breite finden.
Der erste Ansatz und die Probleme, die damit adressiert werden, hängt mit einem weiteren Lösungsansatz zusammen: Von den Flügelstürmern kommen zu wenige brauchbare Einzelaktionen. Kingsley Coman beispielsweise war in der ersten Halbzeit sehr aktiv. Fast die Hälfte aller Angriffe lief über seine Seite.
Doch der Franzose konnte dem Spiel nicht den Schwung geben, das es gebraucht hätte. Und wenn man sich den Zustand der fehlenden Breite genauer ansieht, verwundert das auch gar nicht so sehr. Spieler wie Coman, aber auch Serge Gnabry oder Leroy Sané sind besonders stark, wenn sie mit Tempo auf ihre Gegenspieler zudribbeln können.
Coman hatte solche Situationen nur selten – aber er hatte sie. WhoScored registrierte nur zwei „Dribblings“ von ihm. Wenn er mal die Chance auf ein Eins-gegen-eins hatte, entschied er sich meist für einen Haken und dann wahlweise für eine (oft schlechte) Flanke oder einen Rückpass. Auch Michael Olise gelang auf dem rechten Flügel in den ersten 45 Minuten nicht viel.
Der 22-Jährige kam dann aber aus der Pause und schien sich mehr zuzutrauen. Unter anderem entstanden daraus ein paar gute Angriffe. Allerdings ist er als Spielertyp auch etwas anders als Coman und wird deshalb von Kompany in viel zentraleren Räumen eingesetzt. Rechts gibt dann Raphaël Guerreiro eher die Breite. Und vom Portugiesen sind auch keine Dribblings zu erwarten.
Was also ist hier die Lösung? Vielleicht könnte Kompany mal Sané auf dem linken Flügel ausprobieren. Dort spielte er einst bei Manchester City. Guardiola ließ auf ihn verlagern, sodass er mit Tempo Druck auf die gegnerische Kette ausüben konnte. Diese Rolle könnte ihm auch jetzt wieder liegen. Zumal dann auch Platz für Olise und ihn wäre.
Für Kompany ist das Thema Mut ein Balancekonflikt aus Kontrolle einerseits und mehr Durchschlagskraft andererseits. Denn jedes Dribbling ist mit dem Risiko eines Ballverlustes verknüpft. Aber jedes Risiko ist eben auch eine Chance auf mehr gute Chancen. Im Moment ist der Regler gut eingestellt, aber nicht perfekt.
Taktisch gäbe es sicher noch weitere Optionen für die Offensive, um mehr Druck zu erzeugen. Ein zusätzlicher Spieler in der letzten Linie, eine Herangehensweise, die den Gegner mehr aus der Defensive lockt und das Spiel so auf einen größeren Raum verteilt oder mehr Vertikalität im Passspiel – aber all das würde nicht oder nur teilweise zum Ansatz von Kompany passen.
Der Belgier will die absolute Kontrolle. Und im Zweifelsfall verzichtet er eben eher auf ein paar große Torchancen gegen tiefe Verteidigungslinien, als zu viel ins Risiko zu gehen. Schon interessant, wie schnell sich hier auch das öffentliche Narrativ gedreht hat – obwohl von Beginn an recht klar zu sehen war, dass die Bayern mit Ball kein sehr großes Risiko eingehen.
Gerade weil Spieler wie Coman und Gnabry sowie mit Abstrichen Sané aber nicht in der Lage sind, aus engen Räumen heraus Impulse zu geben, muss man für die kommenden Transferperioden über einen tieferen Umbruch nachdenken. An Jamal Musiala wurde gegen Augsburg deutlich, warum das vielleicht notwendig ist.
Der 21-Jährige hatte häufig keine Kombinationspartner, die sein Tempo mitgehen und seine Ideen verstehen konnten. Man könnte diese Partie als stummen Schrei nach Florian Wirtz verstehen, mit dem er im DFB-Team blind kombinieren kann. Doch auch abseits von Wirtz gibt es derzeit sehr viele, sehr gute Spieler in der Rolle des Halbraumzehners.
Auch der eine oder andere, der beim FC Bayern unter Vertrag steht. Thomas Müller ist beispielsweise jemand, der zum Saisonstart noch etwas häufiger zum Einsatz kam und dabei im Kompany-System eine gute Figur abgegeben hat. Insbesondere gegen die tiefen Gegner, gegen die man sich zuletzt schwerer tat. Sein Gespür für Räume könnte helfen. Beispielsweise als Zehner zwischen den einrückenden Halbraumspielern Musiala und Olise.
Mit Paul Wanner gibt es zudem einen Spieler, dem die Zukunft in genau solchen Rollen gehören kann. Sein Talent ist enorm, seine Übersicht und Antizipation sehr gut. Es braucht also vielleicht gar keine superteure Lösung – oder zumindest nicht zwingend.
Im Kompany-System scheinen solche Spielertypen aber die passendere Besetzung in der Offensive zu sein. Bis sich der Kader offensiv verändert, muss der Belgier aber Lösungen für die Spieler finden, die er jetzt gerade zur Verfügung hat. Dann könnte der schon jetzt sehr gefällige, dominante und druckvolle Fußball vielleicht noch eine Entwicklungsstufe nehmen.