
Rund um den Brustring
·2 de septiembre de 2025
Neu im Brustring: Badredine Bouanani und Bilal El Khannouss

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·2 de septiembre de 2025
Der VfB hat am Wochenende die Einnahmen aus dem wahnwitzigen Transfer von Nick Woltemade zumindest teilweise reinvestiert. Als erstes kam Offensivspieler Badredine Bouanani vom OGC Nice, am Montag folgte dann Bilal El Khannouss leihweise vom englischen Premier League-Absteiger Leiceste City. Wir haben uns an der französischen Mittelmeerküste, in Belgien und in den East Midlands umgehört und stellen Euch die beiden Neuzugänge vor. Außerdem wagen wir einen ersten Rückblick auf den Transfersommer
Lange war es ruhig nach dem Abgang von Enzo Millot nach Saudi-Arabien, dann wurde es zumindest auf der Abgangsseite beim VfB nochmal richtig laut: Mit einem Knall wechselte Nick Woltemade zwischen erster Pokalrunde und zweitem Spieltag für eine obszön hohe Ablösesumme auf die Insel zu Newcastle. Aus wirtschaftlicher Sicht ein nachvollziehbarer Transfer, sportlich ist der Wechsel mindestens schwierig, was man Sebastian Hoeneß’ Stimmung auf der Pressekonferenz vorm Gladbach-Spiel ablesen konnte. Fabian Wohlgemuth stand schon vorher, spätestens seit dem Donnerstagabend, beziehungsweise dem Samstagvormittag, als der Transfer offiziell wurde, vor der Herausforderung, in kurzer Zeit in einem erhitzten Markt und dafür zu viel Geld im Portemonnaie Ersatz einzukaufen, ohne sich dabei komplett über den Tisch ziehen zu lassen.
Wie weit der VfB-Sportvorstand auf dem Tisch lag, werden wir abschließend vielleicht erst in den kommenden Wochen beurteilen können. Auf jeden Fall sind auf den letzten Drücker nach diesen aufregenden Wochen noch zwei Neuzugänge gekommen: Badredine Bouanani wechselt vom Olympique Gymnaste Club de Nice Côte d’Azur nach Bad Cannstatt, also von der französischen Mittelmeerküste ans Ufer des Neckars. Zum OGC wechselte er vor drei Jahren aus seiner Geburtsstadt Lille, Anfang 2024 spielte er für eine Halbserie beim FC Lorient. Über seine Zeit in Nizza haben wir mit OGC-Fan Joss gesprochen, über sein halbes Jahr in der Bretagne mit dem Twitter-Account Irreductibles Lorientais, den ich im folgenden IL abkürzen werde. El Khannouss spielte zuletzt bei Leicester City die ihn wiederum letztes Jahr vom KRC Genk verpflichteten. In Leicester stand uns Pete vom Podcast For Fox Sake Rede und Anwort, in Belgien sprachen wir mit Tim-Oliver vom Podcast TerrilTalks.
Bouanani wurde am 8. Dezember 2004 wie gesagt in Lille geboren und hat neben der französischen auch die algerische Staatsbürgerschaft. Nachdem er beim Vorortverein US Ronchin mit dem Fußballspielen anfing, wechselte er 2011 mit sechs Jahren in den Nachwuchs von Lille OSC. Dort durchlief er die Nachwuchsakademie und rückte 2021 in die zweite Mannschaft auf, für die er im fünftklassigen Championnat National 3 acht Spiele absolvierte, in denen er zwei Mal traf und vier Mal vorbereitete. Gleichzeitig war er noch für die U19 des LOSC aktiv. 2022 wechselte er dann dann ablösefrei nach Nizza. Die Erwartungen an den damals 18jährigen seien überschaubar gewesen, erklärt uns Joss, dennoch galt er als großes Talent. In seiner ersten Spielzeit an der Côte d’Azur absolvierte er 19 Spiele in der Ligue 1 und bereitete vier Tore vor, kam aber über den Status als Einwechselspieler nicht hinaus: Die erste Saisonhälfte verbrachte er überwiegend bei der zweiten Mannschaft, die ebenso wie die von Lille in der fünften Liga spielt, erst nach der Winterpause lief er regelmäßiger für die erste Mannschaft auf, unter anderem auch in der Conference League. Joss beschreibt es als seine “Übergangssaison”.
Bouanani spielte mit OGC Nice schon Europa League. © Paolo Bruno/Getty Images
2023 kam nur im Herbst bei der lange auf Platz 2 stehenden Mannschaft nur zu Kurzeinsätzen und wurde schließlich zum FC Lorient verliehen, die zu diesem Zeitpunkt im Abstiegskampf steckten und sich diesem am Ende der Saison geschlagen geben mussten. IL erklärt uns, dass man sich von Bouanani mehr Kreativität erhoffte. In der Bretagne absolvierte er in elf Spielen knapp 440 Minuten, im Schnitt also eine Halbzeit pro Spiel. Sein einziges Tor erzielte er beim bedeutungslosen 5:0 gegen Mitabsteiger Clermont Foot am letzten Spieltag. IL bedauert, dass er nicht viele Gelegenheiten hatte, sich in einer Mannschaft ohne viel Selbstvertrauen zu zeigen, Joss bezeichnet die Leihe aus Sicht von Nizza als einen “Misserfolg”. So kehrte er im Sommer zurück nach Südfrankfreich wo der OGC die Saison auf Platz 5 beendet hatte und damit in der vergangenen Saison in der Europa League antrat.
Dort lief er in allen acht Ligaphasen-Spielen auf, davon sechs Mal in der Startelf. Nizza schied zwar mit drei Unentschieden und fünf Niederlagen aus, er konnte immerhin gegen die Rangers und Bodø/Glimt jeweils einen Treffer erzielen. In der Ligue 1 lief es für Nizza besser, die sich als Tabellenvierter für die Champions League-Qualifikation qualifizierten, dort rausflogen und jetzt wie der VfB in der Europa League starten. Vergangene Spielzeit konnte Bouanani seine Einsatzzeiten steigern, kam aber nur auf jeweils drei Tore und drei Vorlagen. Joss erklärt, er habe ein paar gut Ansätze gehabt, sei aber zu unbeständig gewesen, auch was die Einstellung angeht: “Ein technisch starker Spieler, aber faul”. Zu seinen Stärken und Schwächen gleich mehr, zunächst möchte ich aber drauf eingehen, welche Rolle er in der Offensive des VfB in Zukunft spielen kann.
In Lorient war er als rechter Flügelspieler in einem System mit Fünferkette aktiv — jedoch in einer Mannschaft, die nicht viele Angriffe fahren konnte. Auch in Nizza sei er in einem 3–5‑2 oder seltener auch in einem 4–2‑3–1 häufig auf den Flügeln eingesetzt worden — vor allem auf dem rechten — interessanter sei er aber im Zentrum als Spielmacher. Das suggerieren zunächst auch die Zahlen, denn als offensiver Mittelfeldspieler erzielte er mehr Tore als als Flügelspieler. Als Stärke werden von beiden Experten seine Dribblings und seine Technik genannt. IL sieht Schwächen in der Defensivarbeit und im Timing bei den Pässen, während ihm Joss, wie schon angedeutet, vorwirft, nicht die nötigen Laufwege zu machen und körperlich noch nicht durchsetzungsstark genug zu sein.
Dazu ein kurzer Blick auf die Zahlen bei fbref.com. Auffällig ist die im Vergleich hohe Zahl an Beteiligungen an Torschüssen, während er gegen den Ball ganz in Ordnung zu arbeiten scheint und im Ballbesitz zumindest im Durchschnitt liegt. Auf jeden Fall Zahlen die etwas versprechen, aber noch ausbaufähig sind.
Wachsen wird der nur 1,77 Zentimeter große Linksfuß mit 20 Jahren hingegen wohl nicht mehr, vielleicht kann er ja körperlich noch zulegen. Dann können sich unsere beiden Fachleute auch vorstellen, dass er sich auch beim VfB durchsetzt. Wie bei vielen jungen Spielern sind die Anlagen da, es braucht jedoch Vertrauen und Motivation, um sie auf den Platz zu bringen. Joss sieht aber definitiv im Zentrum. In Nizza sei man am Ende nicht besonders traurig, dass er geht.
Ähnlich sehen es wohl die Fans von Leicester City, wenn es um Bilal El Khannouss geht, denn der liebäugelt schon seit Längerem mit einem Abgang von den Foxes, die nach nur einem Jahr Erstklassigkeit wieder in die Championship zurückkehrten. Doch dazu gleich mehr. El Khannouss wurde am 10. Mai in Strombeek-Bever nahe Brüssel geboren und hat sowohl die belgische, als auch die marokkanische Staatsbürgerschaft. 2009 schloss er sich RSC Anderlecht an und wechselte vor sechs Jahren von dort in den Nachwuchs des KRC Genk. Bis zu seinem Debüt in der Jupiler Pro League am Ende der Saison 2021/22 verging dann noch etwas Zeit, vorher führte er Jong Genk, die zweite Mannschaft des KRC zum Aufstieg in die zweite Liga. Tim-Oliver berichtet, dass zwar auf dem Papier noch andere Talente vor ihm gestanden hätten, er sich aber schließlich als am vielversprechendsten durchgesetzt hätte. In der Spielzeit 2021/2022 sammelte er auch internationale Erfahrungen in der Youth League, bevor er Ende 2022 zum Kader der marokkanischen Nationalmannschaft gehörte, die bis ins Halbfinale vorstieß. Beim 1:2 gegen Kroation um Spiel um Platz 3 stand er dann in der Startelf und wurde nach knapp einer Stunde ausgewechselt. Mittlerweile hat er 22 A‑Länderspiele absolviert.
Bilal El Khannouss in Aktion für die Foxes. © Gareth Copley/Getty Images)
In den kommenden beiden Spielzeiten absolvierte er dann 75 Ligaspiele für Genk, die 2023 knapp die Meisterschaft verpassten und 2024 als Fünfter einliefen. Zudem lief er noch in der Conference League für die Belgier auf. Die Bilanz: Vier Tore und zehn Assists. Die Saison, in der der KRC fast Meister geworden wäre, sei trotz des dramatischen Endes gut gewesen, erklärt Tim-Oliver, in der Folge sei es dann in der sportlichen Führung zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, die sich auch aufs Sportliche ausgewirkt hätten. El Khannouss habe sich aber unabhängig davon durch seinen großen Einsatz ausgezeichnet, sowohl defensiv als auch offensiv — sehr zur Freude der Fans. Vergangenes Jahr wechselte er dann in die East Midlands, wo Leicester gerade in die Premier League aufgestiegen war. Tim-Oliver erläutert, dass man sich in Genk daran gewöhnt hat, ein Ausbildungsverein zu sein und dass man einem bestimmten Punkt einfach merkt, dass der Spieler zu gut für den eigenen Verein ist. In England sollte er er Pete zufolge hinter den Stürmern für Kreativität sorgen, insbesondere im Zusammenspiel mit Jamie Vardy. In Leicester absolvierte er fast alle Spiele und steuerte bei zwei von lediglich sechs Siegen gegen West Ham und Tottenham jeweils ein Tor bei. Naheliegenderweise stieg Leicester direkt wieder ab.
Das lag Pete zufolge vor allem daran, dass Aufstiegstrainer Enzo Maresca, der zu Chelsea ging und mit denen die Conference League gewann, nicht angemessen ersetzt wurde. Sein Nachfolger Steve Cooper pflegte einen anderen Spielstil, mit dem die Spieler wiederum nicht klarkamen, zudem wurde die Mannschaft nicht ausreichend und vor allem nicht an Schwachstellen verstärkt. Für Cooper war Ende November Schluss, aber auch unter seinem Nachfolger Ruud van Nistelrooy wurde es nicht besser. Bemerkenswert ist, dass neben Leicester auch die anderen beiden Aufsteiger aus Norwich und Southampton direkt wieder abstiegen. Pete zufolge hat das nur bedingt etwas mit den finanziellen Unterschieden zwischen Championship und Premier League zu tun. Denn kleinere Vereine wie Bournemouth, Brighton oder Brentford hätten auch ein kleineres Budget, würden aber durch sehr gutes Scouting und kluge Transfers regelmäßig die Klasse halten. Man könne sich zwar wie Sunderland in dieser Spielzeit eine Premier League-Mannschaft zusammen kaufen, aber um in der ersten Liga zu bestehen, brauche man bereits vorher Erstliga-Spieler in der Mannschaft, erzählt Pete und führt Leicester in 2014 und Brentfort in 2021 als Beispiele an.
Für die etwa 22 Millionen Euro Ablöse hatte El Khannouss nicht den Einfluss auf die Mannschaft, den sich die Fans erhofft hatten. Pete schränkt aber ein, dass er in einer schlechten Mannschaft ein herausragendes Talent gewesen sei: “Even Messi wouldn’t have kept Leicester up last season.”. Nach Saisonende habe er relativ deutlich gemacht, dass er den Verein verlassen will, was bei den Fans natürlich nicht gut ankam, so dass man über die nach der Leihe wohl anfallende Ablösezahlung des VfB glücklich ist. Schauen wir einmal darauf, wie er uns in der kommenden Saison helfen kann. Beide Experten sind sich einig, dass er trotz gelegenlicher Ausflüge auf die Außenbahn im Zentrum am Besten aufgehoben ist — genauso wie Bouanani. In Genk agierte er meist in einem 4–2‑3–1 oder in einem 4–3‑3, in Leicester als Spitze eines Mittelfeld-Dreiecks mit den beiden Sechsern. Pete sieht seine optimale Position als hängende Spitze hinter einem Stürmer — praktischerweise haben wir ja auch nur noch einen aktuell. Die Stärken sehen beide im technischen Bereich: Tim-Oliver lobt die Ballkontrolle, das Passspiel, das Dribbling und die Übersicht von El Khannouss ebenso wie seine Defensivarbeit, und auch Pete betont seine Ball- und Passsicherheit, mit der er Angriffe entweder selber fährt oder einleitet. Schwächen sehen die beiden beim Abschluss und teilweise in der Physis, wobei die Herausforderungen diesbezüglich in der Premier League sicher nochmal andere sind. Die Chancenverwertung der Mannschaft wird er also nicht auf Anhieb verbessern, gleichzeitig habe er in Genk viele einleitende Bälle auf die schnellen Außen geschlagen, war also an Toren vor häufig im Aufbau zentral beteiligt. Auch hier lohnt ein Blick auf fbref.com:
Die Stärke in der Spieleröffnung und die Schwäche im Abschluss wird hier sehr deutlich, gleichzeitig aber auch die vergleichweise große Zweikampfstärke.
Beide Experten sind sich sicher, dass er vom ballbesitzorienterten Spiel unter Sebastian Hoeneß genauso profitieren wird wie von der höheren Qualität seiner Mitspieler im Vergleich zu Genk beispielsweise. Pete ist der Meinung, dass der Sprung in die Premier League für ihn zu früh kam, dass er als junger Spieler aber noch genug Entwicklungspotenzial hat. Den Sprung in die Bundesliga trauen ihm jeweils beide zu. Zuletzt noch ein fun fact: Als wohl einer von wenigen Spielern wird er von seiner Mutter beraten.
Mit Bouanani und El Khannouss hat der VfB also gleich zwei Spieler für die Offensive verpflichtet und damit Enzo Millot in der zentralen Position gleich doppelt ersetzt. Oder Millot und Woltemade. Oder Millot und den bis vermutlich Mitte bis Ende Oktober verletzten Undav? So ganz weiß man das noch nicht, denn eigentlich hätte am Deadline Day noch ein dritter Spieler zum VfB stoßen sollen: Oh Hyeon-gyu, Mittelstürmer vom…KRC Genk. Auch zu dem hatte ich schon alle Infos eingeholt, sowohl über seine Zeit in Korea über Albert von Fighting Stripes Football, als auch über sein Jahr bei Celtic dank der Hilfe von Christopher Gallagher vom Blog und Podcast The Cynic. Und natürlich hat mir auch Tim-Oliver etwas über die vergangene Saison in Genk berichtet. Albert erzählte mir, dass er in der Nationalmannschaft besser sei als Ex-VfB-Spieler Jeong und bei der WM im kommenden Jahr auf jeden Fall ein Stammplatzkandidat sei. Schon 2022 sei bei der WM dabei gewesen, obwohl er nicht im Kader stand: Trainer Paulo Bento wollte ihn trotzdem im Umfeld der Mannschaft bei einem großen Turnier haben. Sowohl Tim-Oliver als auch Christopher betonen zwar, dass er in Glasgow und Genk nicht Stammspieler war, jedoch immer wieder wichtige Tore erzielte und als Neuner vor allem durch seine Physis überzeugte. Die von Genk aufgerufene Ablöse von etwa 27 Millionen Euro — ein neuer Transfer-Rekord für uns — überraschte zwar alle Experten, sie wurde aber zurückgeführt auf den schnellen Aufstieg, den Oh hingelegt hat und der Verhandlungssituation am letzten Spieltag. Und hier kommen wir zu der Crux, im wahrsten Sinne des Wortes. Scheinbar hatte Oh mit 16 Jahren einen Kreuzbandriss, der aber weder einen Wechsel von Korea nach Schottland, noch einen von Schottland nach Belgien verhinderte. Der VfB wollte aber, so hört man nicht nur aus Belgien, nach dem abgeschlossenen Medizincheck die Ablösesumme erheblich senken und brachte wohl auch eine Leihe ins Spiel. Genk lehnte dankend ab und das Transferfenster schloss sich ohne einen dritten Neuzugang.
Was das de facto bedeutet, werden wir erst in einigen Wochen feststellen. Klar ist aber, dass wir unter dem Strich mindestens für die Partien in Freiburg, gegen St. Pauli, gegen Celta Vigo, in Köln, in Basel und gegen Heidenheim einen Spieler weniger im Kader haben als vor dem Montag. Ob Deniz Undav nach der nächsten Länderspielpause wieder zur Verfügung steht und auch wieder in alter Form, ist noch völlig offen. Nun könnte man einwenden, dass er auch in dieser Saison noch nicht völlig in Form ist, nicht zuletzt wurde er ja im Pokal relativ früh gemeinsam mit Chris Führuch ausgetauscht. Trotzdem darf man seine Rolle als Führungsspieler und Antreiber nicht unterschätzen, selbst wenn er seiner eigentlichen Aufgabe zu selten erfolgreich nachkommt. Dass man Transfers nicht mehr zweigleisig planen kann, wenn es in den letzten Tag des Transferfensters geht, ist klar. Man kann ja schleßlich nicht fünf Alternativen zum Medizincheck schicken. Dennoch: Vom Interesse Newcastles und damit von der absurd höhen Ablösesumme, die United bereit war zu zahlen, wusste man angeblich seit Dienstag. Die etwa 20 Millionen für die Verpflichtung und die Leihe von Bouanani und El Khannouss war man aber offenbar nach dem Abgang von Enzo Millot noch nicht bereit zu zahlen — oder man wollte es nicht. Die Verletzung von Deniz Undav war zwar nicht planbar, die Verhandlungstaktik mit Genk über Oh aber mindestens mal risikobehaftet. Vom Kreuzbandriss muss man schließlich gewusst haben und selbst wenn man den Spieler unbedingt wollte, hätte es sicherlich am Deadline Day noch Alternativen gegeben, bei denen ein Wechsel nicht so kompliziert gewesen war.
Was mich zu einem Rückblick auf die gerade beendete Transferperiode bringt. Die ist — mindestens — unbefriedigend verlaufen. Enzo Millot ließ sich lange bitten, um schließlich wenigstens die Haushaltskasse aufzufüllen, anstatt sich zu sportlichen Höheflügen aufzuschwingen. Die Bayern ließ der VfB zurecht lange am ausgestreckten Arm verhungern, schien dann aber sowohl von der Kurzfristigkeit, als auch vom Erlös des Wechsels von Woltemade nach England überfordert. Neben den drei Perspektivspielern Noah Darvich, Lazar Jovanovic und Chema Andrés holte man zwar mit Tiago Tomás und Lorenz Assignon für nicht wenig Geld zwei erfahrene Spieler, allerdings auf Positionen, auf denen man eher schon ein bisschen überbesetzt ist — vor allem nach der überraschenden Vertragsverlängerung von Joshua Vagnoman, dessen Nachfolger Assignon eigentlich hätte sein sollen. Aufhorchen ließ mich auch die Pressekonferenz von Sebastian Hoeneß vor dem Spiel gegen Gladbach, als er sichtlich angesäuert über den Abgang von Woltemade durchblicken ließ, dass man sich vorgenommen habe, den Kader zusammenzuhalten und ihn darauf aufbauend in der Spitze zu verstärken. Ein Ergebnis der Saisonanalyse sei auch gewesen, dass man auch “Erfahrung und Führung” hinzugewinnen wolle.
Denn für Verstärkungen in der (Leistungs-)Spitze dürfte gerade nach den Ausgaben für Finn Jeltsch und Luca Jaquez im Winter und in der Erwartung von lediglich knapp 20 Millionen Euro Ablöse für Millot nicht so furchtbar viel Geld da sein. Zumal Spitzenspieler, wenn sie auch noch mit Attributen wie Erfahrung und Führung versehen sind, schon allein wegen des avisierten Gehalts, aber ohne die Teilnahme an der Champions League nur schwer zu kriegen sind. Mal ganz abgesehen davon, dass weder die getätigten Transfers, noch geplatzte (Oh, Konstantelias) oder nur gemunkelte Verpflichtungen in die Richtung Alter und Erfahrung gingen. Transfermarkt.de mag ja vielen Fußballfans einen falschen Begriff vom Marktwert eines Spielers vermittelt haben, als Datenbank ist die Seite hingegen unschlagbar und nur eine Handvoll Spieler, die mit dem VfB auf dem einen oder anderen Wege in Verbindung gebracht wurden, sind 26 Jahre oder älter. Scheinbar ist man beim VfB mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen aus der Saisonanalyse herausgegangen.
Ganz eventuell müssen Erfahrung und Alter aber auch gar nicht von extern eingekauft werden. Der VfB hat zwar mit 24,4 Jahren im Durchschnitt den jüngsten Kader der Liga — die Startelf gegen Braunschweig war aber im Schnitt zwei Jahre älter als die des Gegners. Stützen der Mannschaft wie Deniz Undav, Kapitän Atakan Karazor, Torhüter Alexander Nübel, Maximilian Mittelstädt, Chris Führich, Jeff Chabot oder Ermedin Demirovic sind mittlerweile alle 27 Jahre oder älter, haben viele Bundesliga-Spiele auf dem Buckel und mitunter auch schon Europapokal- und Länderspiele. Die Personaldecke mag auf manchen Positionen gespannt sein, es müssen sich aber nicht nur deshalb in dieser Saison alle ein bisschen mehr strecken. Angesichts der Tatsache, dass im Pokal fast nur die Favoriten in die zweite Runde einzogen, wird die Verteidigung des Titels nochmal schwieriger. Heißt: Es muss in der Liga für Platz 6 reichen. Sollte man den Einzug in den Europapokal über die Liga erneut verpassen, stehen der sportlichen Führung unangenehme Fragen bevor. Zum Beispiel die, ob man zwei Mittelfeldplätze in der Bundesliga nicht auch für weniger als 50 Millionen Ablöse hätte haben können.
Alle müssen sich jetzt beweisen, um die glänzende Ausgangsposition, die man sich erarbeitet hat, nicht wieder zu verspielen. Nach der Weltmeisterschaft ist mit dem Abgang von Angelo Stiller und vielleicht weiterer Spieler, die sich beim Turnier in den Fokus spielen, zu rechnen. Kann man Neuzugänge für die Saison 2026/2027 dann nicht mit dem Ausblick auf internationalen Fußball locken, wird es schwer, die Qualität der Mannschaft zu erhalten. Zumal sich zwar die Gehälter angeblich an die gespielten Wettbewerbe anpassen, in der Summe grundsätzlich aber dennoch gestiegen sind. Der VfB würde nach der vergangenen Saison erneut vor einem Umbruch stehen und von dem vielen in den letzten zwei Sommern bewegten Geld bliebe nur wenig sportlicher Ertrag über. Das soll keine Prognose sein, aber zumindest eine Warnung.
Noch befinden wir uns aber Anfang September 2025. Die Mannschaft kann in den kommenden Wochen beweisen, dass Wohl und Wehe der Hinrunde nicht von Nick Woltemade unf Oh Hyeon-gyu abhängen. Auch Sebastian Hoeneß wird sich dem nun vorhandenen Kader anpassen müssen und statt langen Bällen auf Nick Woltemade wieder mehr den flachen Ballbesitz suchen müssen. Vielleicht ist die aktuelle Situation auch die Chance für Silas und Mo Sankoh, einen neuen Anlauf beim VfB in der Bundesliga zu nehmen. Und schließlich hat Fabian Wohlgemuth, wenn er sich gut vorbereitet, im Winter die Gelegenheit, die Mannschaft für die Rückrunde erneut zu verstärken. Ein prominentes Beispiel dafür gibt es: Eintracht Frankfurt verkaufte am Deadline Day 2023 Randal Kolo Muani noch für eine sehr hohe Summe nach Paris, fand aber kurzfristig keinen Ersatz mehr. Nach einer schwierigen Hinrunde holte man im Winter Omar Marmoush aus Wolfsburg und landete am Ende doch noch auf Platz 6. Eines muss aber allen klar sein: Der Druck und die Verantwortung sind groß und geschenkt wird uns nichts.
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass wird sarkastisch: “Mittelstürmer? Völlig überschätzt!”, Stuttgart.international unkte schon vor dem Deadline Day: “Ob die sportliche Leitung und das Trainerteam in der Lage sein werden, das pralle Konto in sportliche Qualität umzumünzen, ist alles andere als selbstverständlich. Progrebnyak und die Gomez-Millionen lassen grüßen.”
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