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·15 de diciembre de 2025
Wie Vorbilder Fußballer prägen – und deren Leben gleich mit

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·15 de diciembre de 2025

Von Gerd Thomas
Irgendwann hatten wir alle unsere erste Begegnung mit dem Fußball. Manche schon als Kleinkind, weil Papa sonntags kickte und Mama am Spielfeldrand mitfieberte (andersrum ist es eher selten) – andere erst als Erwachsene, als Fans, Spieler oder Trainer. Aber immer gab es jemanden, der den Funken auf uns überspringen ließ.
Wann ich meinen ersten Ball schoss oder hielt, weiß ich nicht mehr. Aber ich erinnere mich, dass ich im Schuppen – heute würde man wohl „Carport“ sagen – zwischen zwei Stützpfeilern stand. Ich war neun Jahre jünger als mein Bruder. Einer musste ins Tor. Praktisch, dass der Kleine gerade auf dem Hof rumlief. Ich war vielleicht 6, 7 oder 8. Heute, fast 60 Jahre später, stehe ich immer noch manchmal im Kasten, zuletzt am letzten Montag beim 0:0 bei Stern 1900, dem Verein meines Freundes Bernd Fiedler, den ich auch über den Fußball kennenlernte. Wie auch immer, es gab eine frühe Prägung.
Manchmal nahm mich mein Bruder am Wochenende mit zum HSV. Ich durfte Uwe Seeler und Charly Dörfel noch live erleben, auch wenn meine Erinnerungen eher schemenhaft sind. Einmal spielte das ganze FCB-Ensemble mit sechs späteren Weltmeistern vor und nahm Uwes Erben auseinander. Horst Heese wollte den Kaiser ausspielen, der hielt still, dann zuckte das Bein hervor und zog mit der Sohle dem Hamburger Stürmer das Leder einfach weg. Wie leicht das aussah! Kurz zuvor sah ich meine Stars Günter Netzer und Erwin Kremers (wurde vom DFB wegen einer roten Karte ausgebootet und durch den fallsüchtigen Hölzenbein ersetzt) im Nationaltrikot, später sogar Maradona mit dem SSC Neapel.
Bundesliga war samstags, sonntags um 15 Uhr wurde Kreisklassenfußball beim TSV Apensen angepfiffen. Bei Derbys kamen schon mal 500 Zuschauer, und höflich ging es nicht immer zu. Vor allem gegen den gefürchteten Torjäger des Nachbardorfs gab es manchen Schmähruf. Und alle wussten, wo das Auto des Schiris stand. Gleichwohl war früher nicht alles besser, wie viele im Amateurfußball gern behaupten. Die Bälle waren eine Zumutung, die Schuhe drückten, die Plätze waren oft mehr Weide als englischer Rasen.
Einmal kamen unsere Freiwillige Feuerwehrleute in voller Montur zu einem Spiel. Sie hatten ihren Brand schon ordentlich gelöscht und stellten sich neben das Tor unseres Keepers. Damals hatte kein Schiedsrichter etwas daran auszusetzen. Als ein Ball an unserem Torhüter vorbei ins Tor zu kullern drohte, nahm einer der Uniformierten seinen Helm und hielt den Ball damit ein paar Zentimeter vor der Linie auf. Gelächter, Protest und ein Feldverweis für den Übeltäter, der lachend und mit sichtlicher Schlagseite abwanderte. Natürlich wurde der anschließende indirekte Freistoß abgewehrt.
Mit neun Jahren begann ich selbst im Vereinsfußball. Vorher gab es nur Kinderturnen und Tischtennis. Die ersten vier Spiele: 0:9, 2:6, 1:14, 2:6 – doch dann der erste Sieg: 2:1 gegen den Deinster SV und der Beginn einer Serie. Die E-Jugend wurde erst später eingeführt, also musste ich in der D-Jugend auch gegen Ältere ran. Nicht immer einfach, aber der Grundstein war gelegt.
Den Platz mussten wir selbst aufbauen, die Tore zusammenstecken und mit langen Stahlstäben im Boden fixieren, fast wie große Heringe für Zelte. Jeder TÜV-Mitarbeiter bekäme heute unmittelbar einen Herzstillstand. Kreiden musste ich erst später. Wer kennt sie nicht, die windschiefen Linien auf den Amateurplätzen? Duschen? Fehlanzeige, nur vier Hähne mit kaltem Wasser.
Früh kamen auf dem Dorf neben dem Fußball weitere Freuden hinzu, von Schützenfesten bis zu Rendezvous mit den Volleyball-Mädchen. Auch besuchten wir regelmäßig die Diskotheken im Umkreis, hin und wieder zweimal am Wochenende. Gespielt wurde trotzdem. Turniere am Sonntag früh oder gar am 2. Weihnachtstag nach durchtanzter Nacht in einer stickigen Halle waren bei uns nicht wirklich beliebt, aber nach und nach spielte man sich rein und den Kopf nach und nach klar.
Als ich 16 war, kam ein neuer Trainer. Hansi Thoms war in den 60er-Jahren Keeper beim FC St. Pauli gewesen. Der hatte Ahnung und konnte schießen. Beim Torwarttraining stellten wir uns vor die stattliche Pfütze, er schoss alle Bälle über uns rüber. Also hinter das Wasserloch, in das er nun jeden Ball reinschoss. Am Ende machten wir die Pfütze leer und sahen aus wie die Schweine im heimischen Stall.
Da die HSV-Fanszene mehr und mehr von rechten Schlägern unterwandert wurde, probierte ich auf Anraten von Hansi das Millerntor aus. Der Fußball war schlechter, das heutige Flair noch nicht zu erahnen, aber irgendwie war es lustig. Auf dem Platz standen Keeper Jürgen Rynio, der legendäre Walter Frosch und Schlangen-Franz Gerber im Sturm. In der Halbzeit zogen die Fans von einem Tor zum anderen um. An der Mittellinie traf man dabei auf die Gäste. Meistens blieb alles friedlich.
Die Liebe zu braun-weiß blieb auch nach dem Umzug in die Hauptstadt erhalten. Geprägt wurde sie einst auf einem Amateurplatz. Als ich zum FC Internationale kam, spielte St. Pauli wieder eine Rolle. Ich wollte für meinen Sohn mehrere Vereine in der Umgebung ansehen, Inter war der erste. In der leider abgerissenen legendären Schöneberger Radrennbahn, trainierte die Inter-Jugend auf dem innen gelegenen Rasenplatz.
Ich fragte, wo ich den Trainer Arne finden könne. Ein Fingerzeig, da stand er mitten im Stadion mit diesem morbiden Charme – und trug ein St. Pauli-Trikot mit dem Aufdruck „Astra“. Das Bier, welches bei unseren Partys früher eher verboten war und heute Kult ist. Eine Woche später war ich Arnes Co-Trainer, drei Jahre später Jugendleiter. Andere Vereine habe ich mir nicht mehr angesehen. Inzwischen bin ich seit 22 Jahren bei „meinem“ Verein, die Freizeitkicker von Halbe Lunge Kreuzberg habe ich damals gleich mitgebracht. Mit einigen von ihnen spiele ich heute immer noch in der Ü60-Altliga.
Ich war in meinem Leben nur in zwei Vereinen. Beim TSV Apensen werde ich bald für 60 Jahre Mitgliedschaft ausgezeichnet, sofern mir nicht vorher ein Tor auf den Kopf fällt. Dem FC Internationale werde ich sicher auch noch lange treu bleiben, in welcher Form auch immer. Wohl nicht mehr ewig im Vorstand, aber die Vereins-Chronik muss noch geschrieben werden.
Mein Mitspieler Andreas – ebenfalls Torwart und seit 40 Jahren Inter – sagt immer: „Die Bindungskräfte entscheiden über den Erfolg eines Vereins.“ Wie könnte ich widersprechen? Wenn alles gut geht, führen unsere ehemaligen Jugendspieler bald den Vereinsvorstand an. Wer könnte dafür besser geeignet sein? Worüber könnte ich mich mehr freuen?
Gestern sprach ich lange mit Oliver, dem Vorsitzenden meines Heimatvereins. Ihn habe ich selbst als 16-Jähriger trainiert. Mein Jugendleiter hatte mich kurzerhand zwangsverpflichtet, Widerstand war zwecklos. Die Jungs waren die ersten Minis beim TSV Apensen – kamen mit dem Fahrrad zum Training und fuhren auch allein wieder nach Hause. Für heutige Helikopter-Eltern unvorstellbar. Später spielten wir sogar gemeinsam bei den Herren.
Oliver sagt: „Wir zahlen keinen Cent an die Spieler. Lieber steigen wir ab, als Legionären hinterherzulaufen. Vielleicht kommen in der Kreisliga sogar mehr Zuschauer als jetzt.“ So halten wir es auch beim FC Internationale, auch wenn der Weg der 1. Herren gerade nach oben weist und der Aufstieg sicher ein Fest würde. Mein Freund Michi Franke von der FT Gern-München beherzigt das auch, ebenso mein Verwandter, Vorsitzender in einem Ruhrpott-Verein. Eine starke Vereinsbindung ist uns wichtiger als eine prall gefüllte Brieftasche mit Inhalt aus oftmals dubiosen Quellen. Es dürfte kein Zufall sein, dass ich ausgerechnet bei diesem Berliner Verein gelandet bin.
Wer weiß, vielleicht hinterlassen wir auch unsere Spuren für jüngere Menschen.
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