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·28 février 2025
"Als Nachwuchsspielerin hat man einen Fulltime-Job": Talentförderung beim FC Bayern unter der Lupe
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·28 février 2025
Namen wie Lohmann, Grohs oder Kett sind den meisten Fußballfans ein Begriff. All diese Spielerinnen haben gemeinsam, dass sie in der Jugend des FC Bayern München ausgebildet worden sind. Ein Erfolg, der mit dem wachsenden Interesse am Frauenfußball immer weniger Auserwählten zuteil wird. Für die Jugendarbeit stellen die immer höher werdende Anforderungen eine große Herausforderung da, neue Talente zu finden und auszubilden.
Im 90min-Interview gibt Nathalie Bischof, Koordinatorin für Talentförderung beim FCB, exklusive Einblicke in ihre Arbeit und spricht unter anderem über Qualitäten, die junge Talente besitzen sollten und welche Opfer diese bringen müssen, um Fußball, Schule und Freizeit unter einen Hut zu bekommen.
Sydney Lohmann gelang der Sprung von der Bayern-Jugend in die 1. Mannschaft / Alexander Hassenstein/GettyImages
Mit drei in der eigenen Jugend ausgebildeten Akteurinnen im Kader der ersten Mannschaft gehört der FC Bayern im Liga-Vergleich zusammen mit dem VfL Wolfsburg und dem 1. FC Köln zu den Vereinen, die am wenigsten Spielerinnen dieser Art in ihren eigenen Reihen halten. Gerade am Beispiel des VfL und FCB kann man dies damit begründen, dass die Leistungsdichte bei beiden Vereinen extrem hoch ist. Dadurch ist die Durchlässigkeit für Talente deutlich niedriger.
"Es ist unser größtes Ziel, Spielerinnen aus München und Bayern in den Kader der 1. Mannschaft zu bringen", stellt Bischof fest. Aber dadurch, dass sich der Frauenfußball in den letzten Jahren so sehr weiterentwickelt hat, sei der Sprung aus dem Nachwuchsbereich an die Spitze der 1. Liga sehr groß. Auch in den Nachwuchsmannschaften werden Spielstil und -philosophie der ersten Mannschaft zum Vorbild genommen.
Damit das gelingen kann, sind dem Münchner Klub einige Qualitäten besonders wichtig. Neben den fußballerischen Fähigkeiten hebt die Talentkoordinatorin speziell die Schlagworte Spielintelligenz und Mentalität hervor. Man müsse "die richtige Einstellung haben und viel investieren" und darüber hinaus eine gewisse Opferbereitschaft mitbringen, um den Traum vom Profifußball zu verwirklichen.
Zu diesen Opfern gehört vor allem viel Zeit, die statt in Freizeitaktivitäten in sämtliche Bemühungen rund um den Fußball gesteckt werden muss. Bischof formuliert es treffend: "Als Nachwuchsspielerin hat man einen Fulltime-Job: morgens gehen sie zur Schule, danach zum Training, nach Hause zum Essen und für Hausaufgaben und am nächsten Tag geht es wieder von vorne los." Die meisten Tage sind also komplett durchgetaktet und ausgerichtet auf den Leistungsaspekt.
Natürlich sollte dabei das Thema Schule nicht zu kurz kommen. Um vorher Möglichkeiten zum Trainieren zu geben, starten die Spielerinnen teils erst ab 10:00 Uhr mit dem Unterricht. Zudem gebe es eine sogenannte Schulzeitstreckung, wodurch die Akteurinnen ein Jahr länger Zeit bis zum Abitur und auf dem Weg dorthin maximal 20 Stunden pro Woche Schule haben. Bischof kümmert sich dabei um die bestmögliche Absprache zwischen Verein und Schule.
Doch harte Arbeit zahlt sich aus. Immer wieder erhalten beispielsweise Spielerinnen der 2. Mannschaft die Chance, mit den Profis mitzutrainieren oder gar mit ihnen ins Trainingslager zu reisen. Auf diese Weise können die jungen Frauen erste Eindrücke auf allerhöchstem Niveau sammeln und sich an die Trainingsintensität gewöhnen. Das sei in den Augen von Bischof besonders wichtig, um "mitzuerleben, wie dort das Tempo ist und wie intensiv gemeinsam mit großen Stars trainiert wird".
Die 2. Mannschaft des FC Bayern München holte sich in der Saison 2018/19 den Titel in der 2. Frauen-Bundesliga mit Trainerin Nathalie Bischof / Alex Grimm/GettyImages
Die zweite Mannschaft des FC Bayern läuft derzeit in der 2. Frauen-Bundesliga auf. Durch aufstrebende große Vereine wie der Hamburger SV, Union Berlin oder der letztjährige Bundesliga-Absteiger 1. FC Nürnberg, erschwert sich der Wettkampf weiter dadurch, dass in den zweiten Riegen der Klubs nur drei Spielerinnen über 21 Jahren im Kader stehen dürfen. Das erhöht die Spielanteile für die jüngeren Spielerinnen, verdeutlicht mit der Zeit aber gleichzeitig auch die Erfahrungsunterschiede zwischen den Teams.
So belegt die 2. Mannschaft aktuell nur den 12. Tabellenplatz. Das würde nach derzeitigem Stand den Abstieg in die Regionalliga bedeuten. Auch wenn der Klassenerhalt selbstverständlich das Ziel sei, ständen die Talente im Fokus, wie Bischof betont: "Für uns steht nicht die Platzierung in der Liga, sondern die Entwicklung der Spielerinnen an erster Stelle." Darüber hinaus spreche die Tatsache, dass sich die eigene Mannschaft so schwer tue, nun einmal dafür, dass die Qualität der Liga weiter zugenommen hat.
Auch für die U17-Abteilung stand zuletzt eine große Umstellung an, als der DFB zum Saisonbeginn die Abschaffung der U17-Juniorinnen-Bundesliga beschlossen hatte. Demnach konnten sich alle Mannschaften entscheiden, ob sie gegen Jungs oder Mädchen antreten wollen. Der Münchner Verein entschied sich für einen Mittelweg. Während es in der Saison im Wettkampf gegen Junioren geht, werden in den Zwischenpausen Gelegenheiten gefunden, um gegen andere große Mädchen- und Frauenfußballvereine zu testen.
Der FC Bayern Campus ist die Heimat der Frauen- und Mädchenabteilung des Münchnerinnen / Christian Kaspar-Bartke/GettyImages
Denn gegen namhafte Mannschaften zu spielen, stellt doch noch einmal eine ganz andere Größenordnung dar. "Wenn die Wahl zwischen einem Spiel gegen die SC Freiburg Juniorinnen oder gegen den FC Perlach besteht, dann ist es klar, wofür sich die Spielerinnen entscheiden", fasst die Talentkoordinatorin zusammen. Mit dieser Lösung können die Talente gleichzeitig Körperlichkeit und Robustheit gegen Jungs trainieren, während der direkte Vergleich mit anderen Topmannschaften im Frauenbereich gleichzeitig auch gegeben ist.
Aber was passiert mit den Spielerinnen, die den Sprung nicht schaffen?
"Wir freuen uns über jede Spielerin wie Mala Grohs, Sydney Lohmann oder Franziska Kett", erklärt Bischof. "Aber wenn dieser Schritt nicht möglich ist, dann wird diese Spielerin so gut von uns ausgebildet sein, dass sie zu einem anderen Erstligaverein wechseln kann." Das kann früher oder auch später passieren. So suchen pro Spielzeit zwischen zwei bis drei Nachwuchsspielerinnen aus der 2. Mannschaft den Weg in die USA per Stipendium, um die dortige Spielkultur kennenzulernen.
'Nur' drei Spielerinnen aus der Jugend gehören aktuell dem Kader der 1. Mannschaft beim FC Bayern München an. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass ligaweit 18 Spielerinnen in der Frauen-Bundesliga spielen, die vom FCB ausgebildet worden sind. Darunter befinden sich Namen wie Vanessa Fudalla, Emilie Bernhardt oder bis zuletzt auch Gia Corley (wechselte in der Winterpause von Hoffenheim in die USA). Denn auch wenn der ganz große Sprung im ersten Versuch nicht klappen sollte, besteht immer die Möglichkeit, auch über Umwege den Weg nach oben zu finden. "Darauf sind wir sehr stolz und davon profitiert die ganze Liga", bilanziert Bischof.
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