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·19 juillet 2025
#Heimspiel – und sie haben es nicht verstanden

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·19 juillet 2025
Vor etwas über einer Woche wurde bekannt, dass der Hessische Rundfunk die unter Fußball- bzw. Sportfans durchaus beliebte Sendung Heimspiel ersatzlos streicht. Die einzige Sendung im Programm, die sich außer irgendwelchen fünfminütigen Schnipseln mit den regionalen Fußballvereinen und ihrem Erfolg beschäftigt. Es gab Artikel in der Presse, es wurde angeregt, sich direkt beim Intendanten zu beschweren, ich habe eine Petition gestartet, die bis jetzt mehr als 4500 Menschen unterzeichnet haben.
Hier geht es zu der Petition: Unterschreibt bitte hier.
Und der HR? Der äußerte sich offiziell eigentlich gar nicht, bis ich dann gestern, wie viele andere Fans, die sich beim Intendanten beschwert hatten, eine Standardantwort bekam, die wohl bei allen gleich aussah. Ich zitiere einfach mal:
“(…) Leider brachte die Sendung kanalübergreifend nicht den gewünschten Erfolg bei unseren Zuschauerinnen und Zuschauern.”
Laut Angaben des HR an anderer Stelle betrug die durchschnittliche Reichweite über alle Kanäle 150000 Zuschauer. Ich persönlich finde das in Relation zu den durchschnittlich 5% Marktanteil, den der HR 2024 in Hessen insgesamt (!) hatte, nicht schlecht. Aber das bin nur ich.
“Wer sich über Eintracht Frankfurt, Darmstadt 98 und Co. informieren möchte, hat imAngebot des Hessischen Rundfunks einige Alternativen. Mit „Fußball 2000“ haben wirhierfür ein sehr gut etabliertes Video-Format auf YouTube und sind damit auch beiInstagram aktiv.”
Hier wird also ein Podcast-Format, das mehr nach dem Motto von Fans für Fans funktioniert, mit einer Sendung verglichen, die einen journalistischen Anspruch hat. Finde ich nicht adäquat. Und dabei ist es mal egal, ob man das Format und die Protagonisten mag oder nicht.
“Im Hörfunk läuft die Radiovariante von „heimspiel!“ am Samstagnachmittag in hr1. hrINFO informiert zeitgleich bis hin zur Übertragung der kompletten Bundesliga-Konferenzund bringt nach wichtigen Spielen und Ereignissen jeweils am Morgen danach Analysen,Gespräche und Beiträge. Auch in hr3 findet regionale Sportberichterstattung statt.”
Das charmante am von der Location her für den HR maximal ungewöhnlichen Format Heimspiel ist doch, dass es auch jüngere Zuschauer anzieht. Und dieser Zielgruppe möchte der HR das Programm auf hr1 oder sagen wir mal generell lineares Radio anbieten? Da scheint es einige Defizite am Wissen über das veränderte Konsumverhalten der Jugend in Sachen Medien zu geben.
“Online berichtet unser sehr reichweitenstarkes Portal hessenschau.de ausführlich überalle Entwicklungen in diesem Bereich, selbstverständlich auch die TV-Ausgabe derhessenschau.”
Ketzerisch formuliert sammelt der HR unter hessenschau.de die Beiträge, die er bei anderen Medien findet. Und die TV-Ausgabe der hessenschau hab ich gefühlt vor 30 Jahren das letzte Mal gesehen.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass ich immer noch nicht verstehe, warum man diese sicher günstig zu produzierende Sendung einstellt, die wie gesagt auch für die junge Zielgruppe interessant war. Etwas, was man meiner Meinung nach nicht von vielen Sendungen des Senders behaupten kann.
Übrigens gibt es auch einen offenen Brief, den Siggi Dietrich und das Massif Central initiiert haben. Auch hier zitiere ich gern:
“(…) wir, Siggi Dietrich, langjähriger Manager und Investor des 1. FFC Frankfurt, Initiator und Mitgestalter der Fusion mit Eintracht Frankfurt sowie langjähriger Sprecher der Frauen-Bundesliga im DFB, und das Massif Central, eine Institution, die sich den Emotionen des Sports verschrieben hat und als lebendige Schnittstelle zwischen Kunst, Kultur und sportlicher Leidenschaft im Herzen Frankfurts fungiert, wenden uns – zusammen mit den größten Vereinen und wichtigsten Sport Prominenten aus Hessen – mit großem Unverständnis an Sie: Die Ankündigung, die traditionsreiche Sport-Talkshow „Heimspiel“ mit sofortiger Wirkung einzustellen, erfüllt uns mit Sorge.
Uns verbindet mit der Kultsendung „Heimspiel“ weit mehr als nur mediale Sympathie. Seit dem Start im August 2005 hat sich „Heimspiel“ als kulturell prägendes Format der hessischen Sportlandschaft etabliert. Schon zuvor, ab den frühen 1960er-Jahren, bot der Vorgänger „Sportkalender“ sonntagabends einen abwechslungsreichen Überblick über eine Vielzahl von Sportarten. Beide Formate haben Randsportarten ebenso ins Rampenlicht gerückt wie Olympioniken und Nachwuchstalente. Mit ihrem unverwechselbaren Lokalkolorit und der emotionalen Tiefe hat die Sendung den Sport nicht nur als Wettkampf, sondern als identitätsstiftendes Kulturgut vermittelt.
Diese Sendung hat in vielerlei Hinsicht und für alle Sportarten über viele Jahre hinweg essenzielle Informationsbrücken gebaut und Themen sichtbar gemacht, die im täglichen Medienbetrieb oft untergehen. Sie hat dem Sport, seinen Protagonistinnen und Protagonisten sowie seinen gesellschaftlichen Werten eine Bühne gegeben.
Gerade in Hessen leistet „Heimspiel“ einen unschätzbaren Beitrag zur lokalen Identifikation und zur Förderung des Sports abseits des Mainstream. Die Berichterstattung über hessischeSportveranstaltungen gehört zum Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie das Zugehörigkeitsgefühl. In unzähligen Gesprächen hat „Heimspiel“ kulturelle Brücken gebaut – zwischen Vereinen, Fans, Kulturschaffenden und Entscheidungsträgern. Ein Absetzen dieses Formats ohne gleichwertigen Ersatz untergräbt das kulturelle Gefüge unserer Heimat und entzieht der hessischen Sportszene eine unverzichtbare Stimme.
Wir bitten Sie daher eindringlich, Ihre Entscheidung zu überdenken und „Heimspiel“ nicht allein an Einschaltquoten zu messen. „Heimspiel“ war und ist ein unverzichtbares Format für den hessischen Sport. Es leistet identitätsstiftende Arbeit, stärkt den regionalen Zusammenhalt und transportiert den Sport als Teil unserer Kultur und Gemeinschaft.
Wir möchten daher eindringlich anregen, dass der Hessische Rundfunk dieses beliebte Format nicht nur weiterführt, sondern mit Blick auf die heutigen Anforderungen medienstrategisch weiterentwickelt und zukunftsfähig aufstellt – mit neuer Strahlkraft für ein modernes, vielfältiges Sportbild aus Hessen.“
Unterschrieben haben neben den Initiatoren u.a. Matthias Beck, Peter Fischer, Heribert Bruchhagen, Sebastian Rode, Rüdiger Fritsch, Christian Hock, Michael Görner, John Degenkolb, Betty Heidler und viele andere.
Damit ist denke ich alles gesagt und der HR wieder am Zug.
Titelbild: Zum Rad, Apfelweinlokal und Kelterei, Frankfurt-Seckbach