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·3 décembre 2024

Paul Ehmann: Hier dürfen alle groß denken und träumen

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Paul Ehmann verfügt über eine TSG-DNA: Seit vier Jahren ist der gebürtige Ludwigshafener wieder als Coach in Hoffenheim aktiv, aktuell trainiert der 31-Jährige die Hoffenheimer U17. Bereits als Jugendlicher kickte Ehmann im TSG-Nachwuchs, konnte sich aber am Ende nicht in der Bundesliga-Mannschaft etablieren. Im SPIELFELD-Interview spricht Ehmann über geplatzte Lebensträume, seine Hoffenheimer Identität, den Wert von Wanderungen in den kalifornischen Bergen und prägende Trainerfiguren.

Paul, Du bist in der vergangenen Saison mit der Hoffenheimer U16 Oberliga-Meister geworden, darfst Dich nun mit diesem Jahrgang erstmals als U17-Trainer beweisen. Wie wichtig war es Dir, dass ihr zusammenbleibt?


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„Es hat sich einfach angeboten, den erfolgreichen Weg auch in der U17 weiterzugehen. Die Vorteile sind offensichtlich: Wir konnten uns auf eine gemeinsame Reise begeben. Man sieht, dass ein inhaltliches Fundament und eine belastbare Beziehung da sind, die das Arbeiten erleichtern. Die Nachteile sind auch klar: Ich glaube, dass ich dem einen oder anderen vielleicht auch langsam auf die Nerven gehe. Aber insgesamt ist da auch zwischen Mannschaft und Trainerteam etwas Cooles gewachsen.“

Wie sieht das inhaltliche Fundament aus? Was sind die Dinge, für die Du als Trainer stehen möchtest?

„Für mich ist unverhandelbar, dass wir immer einen Stärken-orientierten Ansatz haben. Die Stärken wollen wir herausarbeiten, weil es auch die Sachen sind, die die Jungs nach oben zu den Profis bringen. Und was die Mannschaft betrifft: Wir wollen immer den Ball haben, kreativ und mutig nach vorn spielen. Wir sind als Team dank der gemeinsamen Entwicklung nun an einem Punkt angekommen, wo wir so flexibel auf jede Spielsituation reagieren können, dass es wirklich schwer ist, gegen uns Spiele zu gewinnen.“

Macht es denn einen spürbaren Unterschied, ob die Jungs 15 oder 17 Jahre alt sind?

„Absolut. Die Jungs werden reflektierter, also kann man viel mehr auf Augenhöhe mit ihnen kommunizieren. Gerade in der U14, U15 sucht jeder noch seinen Platz in diesem System. In der U17 hast du es als Trainer dann mit gewachsenen Charakteren zu tun. Wir waren in der U15 schon eine sehr talentierte Gruppe, in der U16 ebenso. Aber jetzt sind wir eine talentierte Gruppe mit gereiften Persönlichkeiten.“

Woran machst Du das fest? Sind es Ernsthaftigkeit und Disziplin, die sich verändern?

„Ich glaube, Fokus ist das richtige Wort. Die Jungs sind schon noch locker in allem, was sie machen – aber das Ziel ist halt viel greifbarer. Sie fangen im Kinderperspektivteam an und sagen sehr hypothetisch: ‚Ich will hier Profi werden.‘ In der U17 aber ist das Ziel plötzlich erkennbar, das merkt man den Jungs an. Wir haben am ersten Tag auf dem Trainingsplatz das Motto ausgerufen, dass jeder groß träumen darf, solange er es mit Arbeit untermauert. Wir haben gesagt: ‚Hier auf dem U17-Trainingsplatz, da hat Maxi Beier trainiert, der jetzt eine EM für Deutschland gespielt hat. Da hat Jonas Hofmann trainiert, der Deutscher Meister mit Leverkusen geworden ist. So nah seid ihr nun eigentlich dran, denn bei den beiden wusste man in der U17 auch nicht, wo die Reise am Ende hingeht.‘“

Auf jenem Platz stand auch schon Julian Nagelsmann, unser Bundestrainer. Hast Du Dir auch mal überlegt, wie weit Du schon gekommen bist in Deiner jungen Karriere?

„Was für die Spieler gilt, gilt auch für alle Mitarbeiter. Man darf hier groß denken und träumen. Das ist ein Kernelement der TSG-Akademie. Aber alle müssen auch wissen, dass das Träumen allein nichts bringt. Es ist wichtig, eine Wertschätzung zu haben für den Ort, an dem man gerade ist. So habe ich es immer gelebt: Ich begann beim FSV Frankfurt, als U16-Cheftrainer inmitten der Insolvenz. Das war zu jener Zeit der beste Entwicklungsort für mich, weil ich alles selbst machen musste – und wirklich auf einem Viertelplatz, einem abgewetzten Kunstrasen, das Training geleitet habe. Das war das Beste, was mir damals passieren konnte. Und auch hier bin ich ja wieder unten eingestiegen, war Co-Trainer der U15. Es hat mir wirklich geholfen, in meiner Entwicklung nie etwas zu überspringen, sondern immer zu schauen, was der nächste richtige Ort ist. Und im Moment bin ich auf jeden Fall an der richtigen Stelle.“

Du hast selbst bei der TSG in der U19 gespielt, hast ein Drittliga-Spiel für den BVB in Deiner Vita. Inwieweit hilft Dir diese Erfahrung in Deinem Trainerjob und inwieweit wissen die Jungs von Deiner Karriere?

„Ich erzähle davon sehr wenig. Ich bin nicht unbedingt der strahlende Stern, den die Jungs sich als Vorbild nehmen. Mir persönlich hilft die damalige Zeit natürlich, da ich hier viele Menschen lange kenne und ich, so pathetisch es auch klingen mag, eine TSG-Identität in mir trage. Es ist mir total wichtig, was hier passiert. Ich versuche den Jungs schon zu vermitteln, auch vorzuleben, dass die TSG nicht irgendein beliebiger Verein ist. Das gilt ja genauso auch für meine Co-Trainer Jo Bender und Pascal Söll – wir alle haben hier als Spieler eine prägende Phase unserer Jugendzeit verbracht.“

Der Sprung zu den Profis gelang Dir seinerzeit aber nicht. Kennst Du rückblickend die Gründe?

„Mit etwas Abstand weiß ich schon genau, woran es bei mir gescheitert ist. Ich hatte die eine oder andere Baustelle, die ich konsequenter hätte bearbeiten müssen – etwa in puncto Athletik oder Technik. Ich war am Ende einfach nicht gut genug, um mich da zu etablieren. Das oben dran schnuppern, das geht ja schon. Ich habe unter Trainer Holger Stanislawski 2011 auch ein Testspiel bei unseren Profis mitgemacht. Da kann man schon mitkicken, aber um sich dort zu halten, musst du überall total stabil sein und solltest zudem individuell diese ein, zwei absoluten Waffen haben, die dann rausstechen. Das hat mir gefehlt. Wenn ich zurückgehen könnte, würde ich sicher an den Themen konsequenter dranbleiben, als ich es damals gemacht habe. Das ist etwas, was man den Jungs mitgeben muss.“

Denkst Du mit Wehmut an diese Zeit zurück?

„Nein. Wirklich gar nicht, weil ich für mich sehr früh und konsequent eine Entscheidung getroffen habe. Als ich gemerkt habe, es reicht nicht, war klar: Okay, ich akzeptiere es und hake das Thema Profifußball ab. Ich bin dann in die USA gegangen, habe am College gespielt. Das war schon eine wichtige Verarbeitungszeit, weil auf eine gewisse Art ein Lebenstraum geplatzt ist. Die erste Zeit ist echt hart, wenn man dieser Wahrheit ins Auge blicken muss. Aber es ist besser, da einmal richtig hinzuschauen als fünf Jahre immer zu denken, es reicht vielleicht doch. In den USA konnte ich gut abschalten, wieder richtig Spaß am Fußball haben, so dass ich heute nie mehr denke: ‚Ja, wäre ich doch jetzt Profi.‘ Ich bin echt total fein damit, wie mein Leben verlaufen ist.“

Wann genau hast Du gemerkt, dass es nicht für ganz oben reicht?

„Bei der TSG war ich als U19-Spieler unter Trainer Frank Kramer schon bei der U23 dabei. Da habe ich natürlich gedacht: Da könnte was gehen. Aber nach dem Wechsel zur BVB-Reserve nach Dortmund habe ich gemerkt: Okay, das hier ist also der Profifußball. Nicht mal ein Testspiel in Zuzenhausen zu absolvieren, sondern jeden Tag abgeprüft zu werden, mit Teamkollegen wie Erik Durm, Jonas Hofmann, Kerem Demirbay oder Marcel Halstenberg. Da habe ich dann irgendwann kapiert: Vergiss es, es reicht halt nicht.“

Hat Dir jemand geholfen bei der Erkenntnis? Oder ist da jeder selbst für diese schmerzhafte Einsicht verantwortlich?

„Ich glaube, das ist ein riesiges Problem im Fußball, dass die Wahrheiten zu selten ausgesprochen werden. Weil natürlich viele Leute ein Interesse daran haben, dass es irgendwie irgendwo weitergeht in einer 3. Liga, Regionalliga, nochmal ein Vereinswechsel hierhin und dahin. Bei mir war es dann wieder das Umfeld, das mir geholfen hat, die richtige Perspektive zu wählen. Ich habe durch einen Freund von dem USA-Thema erfahren – und war sofort angestachelt. Ich wusste: Das ist der richtige Schritt.“

Du hast dann in Kalifornien Kommunikation und Psychologie studiert. Inwieweit hat es Dir geholfen bei der Reflexion?

„Bei der Verarbeitung hat es keine Rolle gespielt, weil es dann doch zu theoretisch ist. Die Wanderungen in den Bergen oder mal dasitzen, auf den Pazifik schauen und ein bisschen über das Leben nachdenken – das hat mir dann mehr geholfen als ein Psychologie-Kurs.“

Als Trainer bist Du Psychologe, Pädagoge – aber ebenso Motivator. Wie würdest Du die Zielsetzung beschreiben? Spieler zu Profis machen oder Titel feiern?

„Ich würde niemals sagen, dass ich jemanden rausbringe. Denn ich habe es als Spieler selbst auch erlebt: Die Sachen macht man in erster Linie selbst – und die Trainer sind Begleiter auf dem Weg. Unsere Vision oder unser Antrieb ist, die Jungs auf dem Weg nach oben zu unterstützen. Wohl wissend, dass die Spieler die Schritte auch allein machen müssen. Die Frage ist dann eher jene nach dem ‚Wie‘. Und da spielt neben der individuellen Entwicklung mannschaftlicher Erfolg auch eine relativ große Rolle, denn in den erfolgreichen Mannschaften spielen meistens erfolgreiche Spieler. Die passende Antwort hat Julian Nagelsmann einst gegeben: ‚Ausbildung durch Erfolg, Erfolg durch Ausbildung.‘ Besser kann man es nicht ausdrücken.“

Würdest Du selbst ein, zwei Deiner Trainer als Begleiter hervorheben?

„Es ist spannend, nun aus Trainerperspektive auf die Zeit zurückzuschauen. Es ist ein komplett anderer Blick. Alle haben ihren Beitrag dazu geleistet, wo ich nun auch als Mensch stehe. Der Erste, der mir einfällt, ist Tayfun Korkut, der als Mensch sehr prägend war und eine unglaublich offene, empathische Art hat. Da hast du dich gesehen gefühlt, als Spieler und als Mensch. Zudem hatte ich das Glück, dass ich inhaltlich verschiedene Sachen gesehen habe – von der klassischen Pressing-Schule unter David Wagner, der ja ganz eng mit Jürgen Klopp war und ist, bis zum spanischen Ansatz von Tayfun, der in Deutschland vermutlich der Erste war, der im Nachwuchsfußball schon Rondos spielen ließ, als alle noch sagten: ‚Was ist das für ein Wort?‘ Da war immer alles aus dem eigenen Ballbesitz gedacht. Und in den USA gab es dann noch mal einen ganz anderen Einfluss durch einen Coach, der total von den amerikanischen Sportarten geprägt war. Im American Football geht es ja viel um Raumgewinn, und so ging es dann auch bei ihm: ‚Wir müssen den Ball immer in diese Zone spielen und genügend Spieler dort haben. Dann wird es da schon irgendwie weitergehen.‘ Das war für mich Europäer wirklich interessant und ich bin froh, so viele unterschiedliche Einflüsse bekommen zu haben.“

Aber es gibt kein Trainervorbild für Dich?

„Viele leuchtende Beispiele arbeiten mit Profis. Das ist eine Arbeitsweise, die sich nicht eins zu eins auf meine Arbeit übertragen lässt. Natürlich war ich als Coach zuletzt begeistert von Bayer 04 Leverkusen, vom dominanten Ballbesitz-Fußball, von der Ruhe, der sauberen Positionierung – und natürlich wäre es sehr cool zu sehen, wie sie das die ganze Woche trainieren, auch Xabi Alonso als Trainerpersönlichkeit zu erleben. Aber zugleich wüsste ich jetzt gar nicht, ob es mir so viel bringen würde. Ich hatte keine Weltkarriere als Spieler, ich kann nicht so auftreten wie er. Ich muss als Trainer ganz anders wirken. Und vor allem arbeite ich im Nachwuchs und nicht in der Bundesliga beim Deutschen Meister.“

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