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·7 octobre 2025

U23: Höchste Priorität für gemeinsame Identität

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Daniel Rios, das wird schnell klar, legt sehr viel Wert auf Details. Das gilt auf und abseits des Rasens. „Ich finde Kleinigkeiten extrem wichtig“, sagt der Deutsch-Spanier. Ihre Summe macht für ihn den Unterschied. Neulich spazierte Rios mal wieder übers Trainingsgelände, dabei wanderte sein Blick unwillkürlich auf die Erde. „Ich kann nicht nachvollziehen, wenn irgendwo eine leere Wasserflasche auf dem Boden herumliegt und sie niemand aufhebt. Ich räume meine Sachen weg. Das gehört sich so und gilt auch für das Trainingsequipment. Wenn ich merke, dass jemand denkt, das könne schon jemand anderes für ihn erledigen, kann ich ungemütlich werden“, versichert Rios.

Auch auf dem Rasen haben die kleinen Dinge für ihn eine große Wirkung. „Mir sind die Details wichtig. Dazu gehört für mich, auf dem Feld auch die richtigen Momente zu erkennen, in denen wir Überzahl haben, damit wir schnell verlagern, andribbeln und diese Situation dann mit Mut zu unserem Vorteil nutzen. Aber auch genauso defensiv. Hier geht es mir darum, dass die Jungs beispielsweise im Pressing nicht zu mannbezogen agieren, sich für andere Gegenspieler verantwortlich fühlen und immer nach vorne verteidigen“, erläutert der A+-Lizenz-Inhaber.


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Daniel Rios: nicht impulsiv, eher introvertiert

Anders als Mike Tullberg ist er nicht impulsiv, eher introvertiert. Fehler auf dem Feld kommentiert er nicht lautstark im Moment des Geschehens, sondern wählt später nicht weniger kritische, aber doch dezentere Töne in der Kabine. Was Verbindlichkeit und Gewissenhaftigkeit angeht, sind Rios und sein Vorgänger ähnlich gestrickt. Sie erwarten eine klare Haltung von ihrer Belegschaft: „Es ist wichtig, dass die Spieler den BVB verstehen und sie wissen, für was er steht. Borussia Dortmund verkörpert eine Arbeiterkultur. Wir sind bereit, viel zu investieren. Das soll man in jedem Training und in jedem Spiel sehen“, unterstreicht Daniel Rios.

Die Entwicklung einer gemeinsamen Identität genießt bei der U23 des BVB wieder verstärkt Priorität. Sie war trotz sportlich erfolgreicher Jahre in der 3. Liga zuletzt nicht mehr so stark ausgeprägt. Das soll sich wandeln, deshalb haben die Verantwortlichen eine Reihe von Veränderungen angestoßen – inhaltlich und strukturell, im Großen wie im Kleinen. Die übergeordnete Zielsetzung ist klar: Borussia Dortmund möchte wieder mehr Talente aus dem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) entwickeln und über die U23 an die Profis heranführen. „Diese Intention ist nicht neu. In den vergangenen Jahren ist es uns aus den unterschiedlichsten Gründen aber immer seltener gelungen, dass unsere Eigengewächse über die U23 den Sprung ins Bundesliga-Team geschafft haben“, hält NLZ-Leiter Paul Schaffran fest.

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Paul Schaffran ist seit Juli 2025 Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Borussia Dortmund.

Es blieb aber nicht bei dieser nüchternen Bestandsaufnahme. Es folgte eine tiefgreifende Analyse, an der sich neben Paul Schaffran auch Geschäftsführer Lars Ricken, der Sportliche Leiter des NLZ, Thomas Broich, sowie der Sportliche Leiterder U23 Ingo Preuß, beteiligten. Gemeinsam forschten sie nach Ursachen und entwickelten Lösungen. Die Vorbereitung der eigenen Talente auf den Profi-Bereich war ausbaufähig. „Dass uns das nicht im gewünschten Maße gelungen ist, hat viel damit zu tun gehabt, dass die Jungs bis zum Ende in der U19 geblieben sind und die dortigen Top-Performer die U23 für sich gar nicht als Schritt gesehen haben. Das heißt, wir haben es aus NLZ-Sicht verpasst, die U23 attraktiv für den nächsten Schritt zu machen“, räumt Schaffran ein.

Der BVB hat daraus die entsprechenden Schlüsse gezogen. Seit der vergangenen Saison werden aktuelle NLZ-Spieler früher als bisher an die U23 herangeführt. „Sie werden dadurch eine schnellere Anbindung an den Seniorenfußball bekommen und die gestiegenen Anforderungen rascher adaptieren. Sie trainieren also in der Regel mit uns und sollen sich darüber im Idealfall für unsere Profis qualifizieren“, erläutert Ingo Preuß. Früher als in den Vorjahren bekommen es die BVB-Talente altersklassenübergreifend mit Gegenspielern zu tun, die nicht nur ein oder zwei, sondern teilweise zehn, zwölf, 15 Jahre älter als sie sind. Fehler und Rückschläge sind ebenso eingepreist wie Niederlagen im Tagesgeschäft. Die Spieler sollen bewusst an Grenzen stoßen, um sie perspektivisch frühzeitiger zu verschieben.

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Ingo Preuß ist seit 1992 in verschiedenen Funktionen für Borussia Dortmund tätig.

Seit dieser Saison zählt deshalb der erst 16-jährige Mussa Kaba fest zum Kader der U23. Und mit ihm auch Elias Benkara, Nick Cherny, Ousmane Diallo, Pharell Kegni und Jonas Feddersen. Sie alle sind noch für die A-Jugend spielberechtigt. Doch statt gegen gleichaltrige Spieler anderer U19-Mannschaften geht es nun in der Regionalliga um Punkte gegen deutlich ältere und erfahrenere Spieler.

Die Kaderstruktur wurde stark verjüngt. Die Intention dahinter: Die Spielminuten eigener NLZ-Spieler sollen künftig sukzessive erhöht werden. Der BVB verfolgt dabei ein Drei-Jahres-Ziel: Von knapp zehn Prozent der Spielminuten in der vergangenen Saison will man auf durchschnittlich 20 Prozent für NLZ-Spieler in dieser Spielzeit kommen. In der kommenden Saison sollen es bereits 30 Prozent sein und in drei Jahren (also in der Saison 2027/28) soll die Quote sogar 50 Prozent betragen.

Paul Schaffran: „Diese Erfahrungen werden ihm helfen“

Das Ziel ist ambitioniert. Und es setzt voraus, dass die schwarzgelben Talente die U23 als geeignetes Umfeld für ihre Weiterentwicklung begreifen, ein entsprechendes Mindset mitbringen. „Es gibt leider immer wieder Spieler, die denken: In dem Moment, in dem ich einen Profi-Vertrag unterschrieben habe, bin ich auch Profi. Aber das stimmt nicht. Du bist erst dann Profi, wenn du 50, 60, 70 Spiele auf diesem Level absolviert hast. Deshalb geht es für junge Spieler aus unserer Sicht nicht darum, dass sie ihr Bundesliga-Debüt möglichst früh geben, sondern dass sie nachhaltig dazu in der Lage sind, auf diesem Niveau anzukommen“, stellt Paul Schaffran heraus.

Als Positivbeispiel nennt er Kjell Wätjen. Der Mittelfeldspieler, der seit der U9 bei Borussia Dortmund ausgebildet worden und aktuell an den VfL Bochum ausgeliehen ist, hat in der vergangenen Saison bei der U23 „alles aufgesaugt, was ging, er hat die Aufgabe voll angenommen und die richtige Haltung mitgebracht. Diese Erfahrungen werden ihm auf seinem weiteren Karriereweg helfen“, ist sich der NLZ-Leiter sicher. Gleichzeitig verläuft Entwicklung höchst individuell und in unterschiedlichem Tempo. Nicht jeder Spieler ist zum selben Zeitpunkt gleich weit, was physische oder spielerische Fähigkeiten angeht. Prominente Beispiele sind die Ex-Borussen Marco Reus und Chris Führich, die seinerzeit nicht schnurstracks durchs BVB-NLZ marschierten, sondern erst über andere Stationen den Weg in die Bundesliga fanden.

„Unser Top-Talente-Scouting hat in den vergangenen Jahren hervorragend funktioniert. Es ist uns gelungen, internationale Spieler zu verpflichten und sie über die U19 und zum Teil über die U23 an das Champions-League-Niveau heranzuführen. So zum Beispiel Jacob Bruun Larsen, Christian Pulisic, Giovanni Reyna und zuletzt Jamie Gittens. Wir wollen aber auch mal wieder den nächsten Mario Götze. Wir wollen wieder einen Spieler, der das ganze NLZ durchlaufen und sich entwickelt hat“, betont Paul Schaffran. Und er schließt daraus: „Wir müssen ein möglichst breites Portfolio an Entwicklungspfaden anbieten, damit wir so viele Talente wie möglich bei Borussia Dortmund ausbilden können.“ Um den Charakter der U23 als Ausbildungsmannschaft zu unterstreichen und im Verein zu manifestieren, hat der Klub auch eine organisatorische Änderung vorgenommen. So gehört sie nicht mehr zum Lizenzspieler-Bereich, sondern wieder zum NLZ.

Der dahintersteckende Gedanke: Mehr Synergie-Effekte durch eine bessere Verzahnung der Teams. Der Sportliche Leiter des NLZ, Thomas Broich, legt sehr viel Wert darauf, dass es über die einzelnen Mannschaften ein gemeinsames Verständnis im Sinne der Spieler gibt. Aus diesem Grund gibt es seit 2024 eine einheitliche Spielkonzeption im NLZ. Trainer und Verantwortliche suchen regelmäßig das Gespräch, besprechen gemeinsam die Kaderplanung, tauschen sich zum Stand einzelner Spieler, über athletische Inhalte, aber auch in Bezug auf Physio- und Reha-Themen aus. Die Absicht auch hier: Die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Spielers in den Fokus zu rücken und ihnen bestmöglich gerecht zu werden.

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Thomas Broich ist seit 2024 Sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Borussia Dortmund.

All das soll dem übergeordneten Ziel dienen, dass eines Tages wieder mehr Eigengewächse in der Bundesliga das BVB-Trikot tragen und im SIGNAL IDUNA PARK auf dem Rasen stehen. So klar definiert die Agenda ist, so herausfordernd und anspruchsvoll ist sie im sportlichen Alltag mitunter umzusetzen.

Wenn es personell notwendig erscheint, stellt die U23 Spieler für den Trainings- oder Spielbetrieb der Profis ab. Obendrein verschafft sie den Jungs, die oben zwar nah dran sind, aber wenig Spielpraxis haben, wichtige Einsatzzeit in der Regionalliga. Gleichzeitig sollen die eigenen Talente über sie an die Profis herangeführt werden. Paul Schaffran sieht den Unterbau deshalb in einer „Hybrid-Rolle“. Als wichtiges Scharnier zwischen NLZ und Profis.

Das spiegelt sich auch in der Spielweise wider. Ein wichtiger Referenzpunkt sind auch hier die BVB-Profis. „Unabhängig von Trainer und Spielidee haben wir hier in der Regel einen Ballbesitzanteil von 50 Prozent aufwärts. Unsere Profis werden immer einen dominanten Fußball spielen. Und auch in der Regionalliga trifft unsere U23 auf Gegner, die uns häufig die Initiative überlassen. Wir müssen die Jungs also so ausbilden,dass sie gegen einen tiefen Block spielen können“, erklärt Paul Schaffran.

Thomas Broich: „Künstler am Ball, Monster gegen den Ball“

Der eigene Stil wurde entsprechend umgekrempelt. Weg vom Umschaltspiel, hin zum Spielaufbau von hinten heraus durchs Zentrum. Dominanz im Ballbesitz, Mut im Gegenpressing. Der spielerische Ansatz soll sich mit einer der BVB-DNA entsprechenden Malocher-Mentalität verbinden. Thomas Broich bringt das für die Jugendteams im NLZ auf die Formel: „Künstler am Ball, Monster gegen den Ball.“  Im Nachwuchs-Podcast geben Paul Schaffran und Thomas Broich weitere Einblicke in die Nachwuchs-Philosophie des BVB.

„Wir wollen gerade offensiv diesen totalen Fußball. Wir möchten, dass wir nicht nur in Positionen denken, sondern dass wir in ihnen variabel und flexibel sind. Wir wissen, was für Räume wir belaufen, welche Räume wir besetzen wollen. Wir wollen mutig sein, unsere Außenverteidiger sollen höher gehen, unsere Außenspieler auch mal nach innen ziehen. Gegen den Ball wollen wir es gemeinsam lösen, aggressiv nach vorne verteidigen und Ballgewinne erzwingen, weil wir unsere Stärke auch im Umschalten haben. All das wollen wir von unseren Jungs sehen“, formuliert Daniel Rios seine klare Marschroute.

In Anbetracht der im Sinne des Konzepts deutlich verjüngten Kaderstruktur braucht es für die Umsetzung dieses anspruchsvollen Auftrags aber auch gestandene Akteure in den Reihen der U23. In Patrick Göbel (32), Ayman Azhil (24), Michael Eberwein (29) und Joseph Boyamba (29) verfügt die Mannschaft über vier sogenannte Ankerspieler. „Es gibt innerhalb eines Spiels oder auch über einen längeren Zeitraum in der Saison immer mal Phasen, in denen es nicht so gut läuft oder die jungen Spieler in erster Linie mit sich selbst zu tun haben. In solchen Fällen braucht es ein gewisses Maß an Routine und Gelassenheit. Wenn es mal brennt, wenn der Gegner mal richtig Druck macht, dann sollen sie den Kopf rausstecken und vorangehen“, sagt Ingo Preuß. Auch für die zwischenmenschlichen Themen in der Kabine sind die Routiniers wichtig.

Das Ankerspieler-Quartett soll die Mannschaft auf Kurs halten. Eine komplexe Aufgabe, da bei einer U23 ohnehin viel unter einen Hut zu bringen ist und der BVB nach dem Abstieg nun in der Regionalliga neu Fuß fassen muss. Ingo Preuß formuliert drei Aufträge an die Mannschaft: „Wir möchten sportlich maximal erfolgreich sein. Wir möchten, dass die Fans, die zu uns in die Rote Erde kommen, attraktiven Fußball sehen. Und wir möchten unsere NLZ-Spieler über die U23 zu Profis entwickeln. Das ist der erste und wichtigste Zweck.“

Ein Team, drei Ziele. Der Anspruch an die U23 ist groß, das Vertrauen in die eigene Stärke aber ist es auch. „Wir sind Borussia Dortmund. Natürlich wollen wir oben stehen. Warum sollen wir uns kleiner machen als wir sind?“, stellt Daniel Rios fragend in den Raum. Dann muss der BVB-Trainer los, die nächste Besprechung ruft. Rios ist schon auf halbem Weg zur Tür, da raunt ihm Ingo Preuß zu: „Nimm die Wasserflasche mit.“ Daniel Rios versteht die Anspielung sofort – und kontert umgehend: „Sie ist noch nicht ganz leer, deshalb habe ich sie stehen lassen.“ Gelächter. Ingo Preuß hat dieses Detail übersehen. Auf die Kleinigkeiten kommt es an, wenn man Großes vorhat.

Fotograf: Dominik Fehr, Alexandre Simoes, Jens Volke

Der Text stammt aus dem Mitgliedermagazin BORUSSIA. BVB-Mitglieder erhalten die BORUSSIA in jedem Monat kostenlos. Zum Mitgliedsantrag.

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