Rund um den Brustring
·27 November 2024
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·27 November 2024
Der VfB liefert den ersten richtig schlechten Auftritt in der Königsklasse in dieser Saison ab und geht in Belgrad mit 1:5 unter. Und dann leitet auch noch Silas die Wende ein.
Ein Ballgewinn im Mittelfeld, ein paar schnelle Schritte Richtung Strafraum, der Gegner greift nicht ein und der Ball passt genau zwischen Torhüter und Pfosten. Es sind keine Unmengen an Toren, die Silas im Trikot mit dem Brustring geschossen hat, aber wenn, dann waren es solche Tore. Es war nur eine von vielen schmerzhaften Erkenntnissen am Mittwochabend in Belgrad, dass der VfB nicht in der Lage war, ein solches Tor zu verhindern, obwohl kaum jemand bis zu diesem Sommer für den VfB gespielt hat, wie eben Silas. Es greift natürlich zu kurz, sich von fünf Gegentoren nur eines rauszusuchen. Aber gerade weil der Leihstürmer des VfB es erzielte und weil zuerst Enzo Millot den Ball leichtfertig im Zweikampf her gab und Jeff Chabot im Anschluss nur Geleitschutz gab, war es so symptomatisch für den Auftritt der Mannschaft in der serbischen Hauptstadt.
Dass das Spiel kein leichtes werden würde, war vorab klar und ebenso, dass es für einen Sieg eine Leistungssteigerung gegenüber dem Bochum-Spiel brauchte, als die Mannschaft zwar geduldig, aber auch teilweise sehr glücklos agierte und die weitestgehend ungefährlichen Bochumer trotz viel Ballbesitz etwas ins Spiel zurückbrachte, bevor sie endgültig den Deckel drauf machte. In Belgrad nutzte der VfB seine Chancen früh, Ermedin Demirovic traf zum 1:0 und stand bei einem möglichen 2:1 hauchdünn im Abseits. Warum die Mannschaft sich dann aber derart ungelenk anstellte, ist mir weiterhin ein Rätsel. Liegt es daran, dass man auf der Bank keinen wirklich torgefährlichen Stürmer zur Entlastung von Ermedin Demirovic hatte, weil Leweling, Undav und El Bilal allesamt verletzt sind? Oder fehlt uns weiterhin ein überragender Innenverteidiger, der dir hinten alles wegverteidigt.
Es war wohl eine Mischung aus mentaler Überlastung, falscher Sicherheit aufgrund der frühen Führung und falscher Haltung zum Spiel. Belgrad mag die ersten vier Spiele alle verloren haben, aber sie trafen eben auch auf Benfica, Inter, Monaco und Barcelona, gegen die der VfB unter Umständen auch nicht besser ausgesehen hätte. Gleichzeitig spielt die Mannschaft im vierten Jahr in Folge Champions League und ist in Serbien Serienmeister. An Erfahrung und Cleverness fehlt es ihr also nicht, höchstens an der Qualität im Konzert der Großen. Der VfB hingegen stellte sich am Mittwoch einfach naiv an. Pascal Stenzel ließ sich auf der Außenbahn austanzen und Ata Karazor schlug über den Ball. Alex Nübel und Jeff Chabot irren bei einem Eckball an den langen Pfosten durch den eigenen Fünf-Meter-Raum. Und den erwartbaren Kontertoren gingen haarsträubende Ballverluste voraus.
Ein komplett gebrauchter Abend aus VfB-Sicht also, abgerundet von der Willkür der serbischen Polizei an der Grenze und den leider erwartbaren Angriffen einzelner Crvena Zvezda-Fans auf VfB-Anhänger — so war zumindest zu lesen. Man kann jeden, der sich nach solchen Erlebnissen im Stadion noch diese Klatsche anschauen musste, nur Respekt zollen. Mir persönlich war das Ganze zu heiß und letztlich bin ich froh, jetzt am späten Mittwochabend nicht in Belgrad ausharren zu müssen, bis ich wieder nach Hause komme. Das Ergebnis und das Zustandekommen ist aber auch aus einem anderen Grund schmerzhaft.
Denn der VfB wähnte sich schon weiter, auch wenn man immer wieder betont zu wissen, “wo man herkommt”. In Madrid und Turin verkaufte man sich teuer und gewann sogar ein Spiel, an Prag biss man sich trotz Überlegenheit die Zähne aus, Atalanta war erwartbar zu stark. In Belgrad aber zeigte die Mannschaft eine katastrophale Leistung gegen einen nicht übermächtigen, aber effizienteren Gegner. Zudem setzt man sich für die nächsten beiden Spiele gegen die weiterhin sieglosen Bern und Bratislava unter Druck und lässt zu, dass das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein, trotz Rückschlägen immer zu kämpferischen Leistungen imstande zu sein, Risse kriegt. War Sebastian Hoeneß nach dem Spiel in München noch der Ansicht, man könne nicht zur Tagesordnung übergehen, so fiel es ihm am Mittwochabend noch schwer, dieses Debakel einzuordnen.
Die Mannschaft hat allerdings keine Zeit, sich Selbstzweifeln hinzugeben. Am Samstag in Bremen ist der Kader wieder etwas breiter, der Gegner aber ähnlich unangenehm wie Belgrad. Werder ist aktuell tabellarisch auf dem gleichen Level wie der VfB und hat uns schon im Endspurt der letzten Saison eine schmerzhafte Auswärtsniederlage zugefügt. Nach dem kleinen Schritt nach vorne gegen Bochum macht die Mannschaft wieder zwei Schritte zurück und lässt zu, dass das zweite von drei Auswärtsspielen binnen sechs Tagen wieder als richtungsweisend eingeordnet wird. In Bremen muss eine Reaktion erfolgen — aber nicht nur in Form eines gefährlicheren Offensivvortrags, sondern auch im Hinblick auf Abgebrühtheit und Cleverness. Nach dem Bochum-Spiel schrieb ich, dass wir uns auch in Zukunft in Geduld werden üben müssen — das gilt auch weiterhin. Aber wir müssen scheinbar auch ein bisschen leidensfähig sein und solche schmerzhaften Ergebnisse aushalten lernen, die uns in den vergangenen Monaten nur selten widerfahren sind.
Titelbild: © Srdjan Stevanovic/Getty Images